Im Landkreis:Arbeit für alle

Rollstuhlfahrer am Schreibtisch

Die meisten Behinderungen sind nicht angeboren, sondern treten erst im Laufe des Lebens auf - etwa durch Unfall oder Krankheit.

(Foto: Stefan Puchner/dpa)

Die Unternehmen tun zu wenig für die Inklusion. Behindertenbeauftragter Maximilian Mayer will das ändern

Von Sabine Bader, Starnberg

Maximilian Mayer will "aufräumen mit den vielen Vorurteilen", die Unternehmer gegenüber behinderten Beschäftigten haben. Das kündigte er in der jüngsten Sitzung des Sozialausschusses im Landkreis an. Und der Behindertenbeauftragte weiß, wovon er spricht. Er kann die Argumente, die Firmenchefs vorbringen, wenn sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, schon herunterbeten. Da wäre zum Beispiel die irrige Meinung, Behinderte seien weniger leistungsfähig. Nach seiner Ansicht ist gerade das Gegenteil der Fall: "Menschen mit Behinderung sind hochleistungsfähig. Denn sie wollen zeigen, was in ihnen steckt, wollen sich beweisen", sagt Mayer. Er hat die Erfahrung gemacht, dass Behinderte oft ausnehmend gut ausgebildet sind und neben ihrem Beruf oder ihrem Studium mitunter auch besondere Fähigkeiten mitbringen.

Mayer verdeutlicht dies im Gespräch mit der SZ anhand von zwei Beispielen. "Es gibt Firmen, die bevorzugt Menschen mit Autismus einstellen", erzählt er. Da diese Leute über eine besondere Affinität zu ganz bestimmten Arbeitsfeldern verfügten - zum Beispiel zu Zahlen und damit verbunden zum Rechnungswesen und zur Buchhaltung. Und ein weiteres Beispiel: "Die besondere Fähigkeit von erblindeten oder sehr stark sehbehinderten Menschen liegt mitunter darin, Brustkrebs zu erkennen, da ihr Tastsinn durch die Einschränkung des Sehvermögens sehr gut ausgebildet ist."

Ein besonders weit verbreitetes Vorurteil von Arbeitgebern sei auch: Behinderte Mitarbeiter kriege man nie wieder los. Dem widerspricht Mayer vehement. "Das stimmt so nicht." Betriebsbedingte Kündigungen könne es überall geben. Wolle man allerdings einem schwerbehinderten Mitarbeiter kündigen, bedürfe es der Zustimmung des Inklusionsamtes, sobald das Arbeitsverhältnis länger als ein halbes Jahr bestehe, so Mayer. Wer einen schwerbehinderten Mitarbeiter einstellt, der könne aber auch Zuschüsse zum Gehalt sowie für Hilfsmittel und für die spezielle Arbeitsplatzausstattung beantragen.

Oft geht es gar nicht darum, einen behinderten Arbeitnehmer neu einzustellen. Weitaus häufiger passiert es, dass ein Mitarbeiter durch eine Krankheit oder einen Unfall erst behindert wird. Laut den statistischen Erhebungen treten 96 Prozent der Behinderungen im Laufe des Lebens auf. Die Betroffenen müssten dann nicht nur mit der Behinderung klarkommen, sondern hätten oft auch Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. "Dabei haben wir Fachkräftemangel im Landkreis Starnberg", sagt der 30-Jährige. Anteilig fänden sich bei den schwerbehinderten Arbeitslosen mehr Fachkräfte, als bei den nicht-schwerbehinderten Arbeitslosen. Nicht selten denken Arbeitgeber daher gar nicht darüber nach, einen bewährten Mitarbeiter zu entlassen, sondern überlegen sich vielmehr, wie der Arbeitsplatz des Betreffenden, der jetzt mit seiner Einschränkung leben muss, so umgerüstet werden kann, dass er für ihn passt.

Im Landkreis gibt es laut einer Broschüre des Landratsamts derzeit mehr als 14 000 behinderte Menschen. Das entspricht einer Quote von etwas mehr als zehn Prozent. 9768 von ihnen sind laut einer Statistik des Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) vom Dezember 2020 schwerbehindert. Apropos Quote: Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen müssen laut Gesetz fünf Prozent schwerbehinderte Arbeitnehmer einstellen. Erfüllen sie diese Quote nicht, müssen sie eine Ausgleichsabgabe leisten. Diese liegt zwischen 125 bis 320 Euro pro Monat und pro unbesetztem Arbeitsplatz. Da die Summe vergleichsweise gering ist, nehmen Firmenchefs sie nicht selten in Kauf. Laut Dominik Konther vom ZBFS waren im März 2020 im Landkreis Starnberg 291 öffentliche und private Arbeitgeber angesiedelt, die im Durchschnitt lediglich 3,2 Prozent der Pflichtarbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt haben.

Ein Unternehmen, das die fünfprozentige Quote mehr als erfüllt, ist Packsys aus Feldafing. Die Firma entwickelt und vertreibt Verpackungslösungen wie Dosiersysteme, Zerstäuber und Flaschen für pharmazeutische Stoffe. Laut Finanzmanagerin Michaela Finger hat das Unternehmen 60 Mitarbeiter, fünf von ihnen sind schwerbehindert. "Wir wollen einfach dem einen oder anderen eine Chancen geben", sagt sie zur Motivation der Unternehmensführung. "Und wir wurden bislang nie enttäuscht. Wir sind wirklich sehr zufrieden mit unseren behinderten Mitarbeitern." Diese arbeiten laut Finger in der Produktion, im kaufmännischen Bereich und in der Logistik.

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