Süddeutsche Zeitung

Angst um Versorgungssicherheit:Erst ersetzen, dann abschalten

Unternehmer aus der Region befürchten, dass der Ausbau erneuerbarer Energien nicht schnell genug geht, um den Ausfall von Atomstrom und Öl kompensieren zu können.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

Den Unternehmen im Landkreis Starnberg machen weniger die hohen Energiepreise Sorgen, sondern vielmehr die unsichere Versorgung nach dem Wegfall des russischen Öls. Dies zeigte die Diskussion zum Thema Energiepreisbremse auf der Sitzung des IHK-Regionalausschusses am Donnerstag im Niederpöckinger Tagungshotel La Villa. "Es wird nur erklärt, was verboten und abgeschafft wird - es wird nicht erklärt, wie es gehen kann", fasste Thomas Vogl, Vorstand der VR-Bank Starnberg-Herrsching-Landsberg, die Stimmung zusammen.

Drastisch gestiegene Energiepreise, Fachkräftemangel, Inflation: Die Wirtschaft kämpft derzeit an mehreren Fronten gleichzeitig. Laut IHK-Untersuchungen planen sieben Prozent der Unternehmen ihre Energiekosten zu senken, elf Prozent indes wollen ihre Produktion herunterfahren.

Nach Angaben von Norbert Ammann von der IHK-München-Oberbayern können seit vergangenem Montag Anträge auf Härtefallregelung gestellt werden. Innerhalb weniger Tage seien bayernweit schon 70 Anträge eingegangen. Doch das reicht nach Meinung der Unternehmer nicht aus, um Betriebe auf einen klimaneutralen Energieverbrauch umstellen zu können. Zumal die Verfahren für Zuschüsse sehr kompliziert sind.

Die Unternehmer im Landkreis zeigten sich zwar erleichtert, dass die Preise wieder sinken und es in diesem Winter keine Energieengpässe gegeben hat. Vor dem Hintergrund, dass der Ausstieg aus Kernkraft und Kohle geplant ist, wächst jedoch die Unsicherheit, ob künftig noch genügend Energie zur Verfügung steht, wenn kein Wind geht und keine Sonne scheint. "Auf einmal wird nicht mehr diskutiert, wo der Saft herkommen soll", monierte die Vorsitzende Katja Lindo. "Man kann nicht abschalten und keine Alternativen haben", kritisierte Christoph Rösch von der Idee & Funktion GmbH Starnberg.

Wasserkraft kommt aus Österreich, Atomstrom aus Tschechien

Deutschland habe ein sehr stabiles Stromsystem, versuchte Ammann zu beruhigen. Auch wenn die Herausforderungen massiv ansteigen würden, profitiere die Energiewende von der europaweit vernetzten Energieversorgung. Energie aus Wasserkraft kommt laut Ammann aus Österreich und Kernkraft aus Tschechien. Allerdings werde man in Zukunft Langzeitspeicher brauchen, gab er zu bedenken. Die Frage, ob die Atomkraftwerke zunächst weiterlaufen sollen, bis deren Leistung durch nachhaltige Energien ersetzt werden könne, wurde sehr kontrovers diskutiert. "Zunächst sollte man andere Energiequellen sichern, bevor man die Atomkraft abschaltet", betonte Gerd Zanker, Geschäftsführer des Starnberger Unternehmens Elektro-Saegmüller.

Wie Christoph Winkelkötter von der Wirtschaftsfördergesellschaft GWT erläuterte, gibt es schon jetzt Initiativen im Landkreis Starnberg, die auf nachhaltige Energie umstellen wollen, wie etwa den Betrieb des Klärwerks in Gilching mit Photovoltaik oder Geothermie-Projekte. Allerdings räumte der GWT-Chef selbst ein, dass "der ganz große Wurf" noch nicht gelungen sei. "Sich mit einem Energieberater auseinanderzusetzen, ist keine schlechte Idee", riet Katja Lindo. Als Geschäftsführerin des Hotels La Villa, das direkt am Seeufer liegt, hat sie sich ebenfalls schon Gedanken gemacht, wie sie auf nachhaltige Energie umstellen kann. Sie lasse derzeit klären, ob eine Wasserwärmepumpe aus dem Starnberger See funktioniere. Auch eine Hackschnitzelheizung ist für Lindo eine Option. Zudem habe sie für das Hotel trotz Denkmalschutzes die Erlaubnis erhalten, eine Photovoltaikanlage zu bauen. Nach ihren Erfahrungen gibt es allerdings zu viele bürokratische Hürden.

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