Denkmalschutz:Traumimmobilie mit kleinen Fehlern

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Wie sollen die Huber-Häuser in Dießen einmal genutzt werden? Die Gemeinde Dießen sucht Interessenten für den denkmalgeschützten Gebäudekomplex an der Durchgangsstraße. Im Rahmen einer Besichtigung konnte man die Atelier-Atmosphäre der ehemaligen Druckerei-Räume erahnen. (Foto: Arlet Ulfers)

Beim Rundgang durch die Dießener Huber-Häuser begeistern sich die Besucher für das Potenzial der ehemaligen Druckerei. Doch der Sanierungsaufwand dürfte viel Initiative und Kapital erfordern.

Von Renate Greil, Dießen

Schon der abgestandene Geruch zeigt es: Hier arbeitet schon lange niemand mehr. Es ist eine klamme Kälte, die die etwa dreißig Interessierten frösteln lässt. Sie warten auf den Beginn der Besichtigungstour durch die historischen Huber-Häuser und sind gespannt: Wie sieht wohl der bekannteste Lost Place Dießens an der Ortsdurchfahrt im Innern aus? Unterstützt von zwei Gemeindemitarbeitern aus der Bautechnik startet der individuelle Rundgang im Erdgeschoss durch die sonst zugesperrte ehemalige „Graphische Kunstanstalt Jos. C. Huber KG“.  Bis unters ungedämmte Dach dürfen die Interessierten schauen, einige Bereiche sind aus Sicherheitsgründen abgesperrt. Für manche, die früher hier gearbeitet haben, ist es eine Zeitreise in die Vergangenheit, andere sehen in der Zukunft vor allem Möglichkeiten.

Eine Ideenwerkstatt hat die Marktgemeinde Dießen für die Huber-Häuser, einen Gebäudekomplex mit etwa 1200 Quadratmetern Grundfläche ausgerufen.  Bis auf drei vermietete Wohnungen in einem Haus sind die Räume der ehemaligen Druckerei schon lange ungenutzt. Und das ist bei der Besichtigung deutlich zu sehen: Fensterscheiben sind zerbrochen, Putz blättert von den Wänden, im Erdgeschoss sind dunkle Flecken auf dem Fußboden, im Obergeschoss ist das Parkett durch eine Schmutz- und Staubschicht nur zu erahnen. Doch immer wieder blitzt vergangene Schönheit auf, wie etwa an den im Jugendstil verzierten Heizkörpern. Dazu ein Bergblick auf schneebedeckte Gipfel und eine helle, luftige Atelier-Atmosphäre, zu der die großzügigen Fensterfronten beitragen. Manche Räume scheinen nur darauf zu warten, dass dort wieder kreativ gearbeitet wird. Ein gründlicher Putz, ein paar kleine Reparaturen, schon könnte es losgehen, wenngleich das jeweils nur Detailbetrachtungen sind. Denn an anderen Stellen zeigt sich deutlich, wie viel für eine Nutzung investiert werden müsste: Altlastenentsorgung, neue elektrische Leitungen, Erneuerung der Sanitäranlagen und des Heizungssystems.

Besucher Michael Haag stellt fest: Die Haustechnik müsse man komplett erneuern. Er gehört zu einer Gruppe kreativer Menschen, die sich mit der Zukunft der Huber-Häuser beschäftigen und als „Kulturwerkstatt“ zusammengefunden haben. Sie wollen mit den örtlichen Vereinen zusammenarbeiten, Mitte März soll es dazu ein Treffen geben. Die „Kulturwerkstatt“ wolle auf jeden Fall einen Nutzungsvorschlag abgeben, sagt Anni Sander.  Haag, der als Architekt für die Einschätzung der Kosten im Angebot zuständig ist, rechnet mit einem zweistelligen Millionenbetrag, der investiert werden müsste. Bis Ende März läuft die Frist zur Abgabe von Ideen, die der erste Schritt für ein Nutzungs- und Sanierungskonzept sein soll.

Die Marktgemeinde will als Eigentümerin der denkmalgeschützten Immobilie aus dem Jahr 1868 die Huber-Häuser nach einem rechtssicheren Interessenbekundungsverfahren an einen Käufer oder auf Erbpacht abgeben. Dass der Gebäudekomplex mit einem Kunst-, Kultur- und Begegnungszentrum belebt werden könnte, ist eine Vorstellung, die von vielen geteilt wird. Der Verein Freie Kunstanstalt engagiert sich schon seit Jahren in dieser Hinsicht. Konzeptideen stellten kürzlich auch Studierende der Hochschule für angewandte Wissenschaften München in Dießen vor.

Die hellen Räume in der ehemaligen Druckerei bergen nach Ansicht von Interessenten Potenzial. (Foto: Arlet Ulfers)
Ein Blick über die Dächer von Dießen. (Foto: Arlet Ulfers)

Heike Gerl, Leiterin der Volkshochschule Ammersee West, gerät beim Rundgang ins Schwärmen und spricht von „einer einmaligen Chance“. Räume für die VHS werden immer gesucht, sagt sie, ein Begegnungszentrum für alle Generationen werde auch gebraucht. Eine Öffnung für die Allgemeinheit schwebt auch einer anderen Interessentin vor: Besonders begeistert sie die Idee einer Bürgerkantine, die täglich einen Mittagstisch anbieten könnte. Der Drucker Georg Haugg wiederum fühlt sich bei der Besichtigung in seine Lehrzeit zurückversetzt. 1965 hat er seine Ausbildung in den Huber-Häusern begonnen und weiß noch genau, an welchen Druckmaschinen er stand. Erst im zweiten Lehrjahr durfte er an die großen Geräte, wie etwa den „Sturmvogel“ oder den „Rollrenner“. Unter dem kunstvollen Glasdach im Innenhof, das inzwischen schon an vielen Stellen schadhaft ist, wurde früher Papier gelagert. Im ersten Stock befanden sich weitere Druckmaschinen und in einem anderen Flügel arbeiteten die Setzer, damals noch am Bleisatz. Nach der Lehrzeit blieb Haugg noch ein Jahr, dann zog es ihn weiter.

Unter dem kunstvollen Glasdach im Innenhof wurde früher Papier gelagert. (Foto: Arlet Ulfers)

Die 1890 gegründete Druckerei war einst der größte Arbeitgeber in Dießen, doch seit Jahrzehnten wird hier kein Buch und keine Broschüre mehr gedruckt. Den Verfall der Immobilie begünstigte ein sich über Jahre hinziehender Erbschaftsstreit. Erst seit 2021 steht die Marktgemeinde endgültig als Eigentümerin fest. Seit ein paar Monaten steht nun der gesamte Gebäudekomplex unter Denkmalschutz, was zuvor nur für das Wohngebäude mit dem rosafarbenen Anstrich aus dem Jahr 1868 galt, ein „dreigeschossiger Putzbau mit flachem Walmdach, Belvedere und reichem frühgründerzeitlichem Dekor“. Die Gebäude sind U-Förmig um einen verglasten Innenhof angeordnet, erstrecken sich über drei Stockwerke, viele große Räume gehen mehr oder weniger ineinander über. Auf halber Treppe gibt es einzelne Toiletten, Küchen sucht man vergeblich, lediglich zwei Sofas stehen im besser erhaltenen Teil herum.

Rundgangsteilnehmerin Fabiana Roppelt hat sich die Huber-Häuser als Thema für ihre Masterarbeit ausgesucht. Sie hat in Riederau gewohnt, studiert Architektur an der TU Wien und macht viele Aufnahmen von Details. Gerade ist sie dabei, ein sogenanntes Raumbuch zu erstellen und fasst dabei auch mögliche Nutzungen ins Auge. Roppelts Masterarbeit wird aber erst Ende Juni fertiggestellt sein.

Eine weitere Möglichkeit zur Besichtigung - diesmal mit Vertretern des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege und der Unteren Denkmalschutzbehörde - findet am Donnerstag, 6. März, um 13 Uhr statt. Interessierte können sich per E-Mail an bauamt@diessen.de bei der Gemeinde anmelden. Und am 16. März lädt die „Kulturwerkstatt, Ideen für Dießen“, als Verein in Gründung, alle Interessierten am Thema „Nutzungskonzepte Huberhäuser“ von 14.30 Uhr bis 17.30 Uhr in den Gasthof Unterbräu ein.

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