Verfilmung:Durch die Hölle gegangen

Verfilmung: Alles scheint gut: Katharina (links) mit dem kleinen Florian und ihrer mutigen und kämpferischen Mutter Angelika Nachtmann.

Alles scheint gut: Katharina (links) mit dem kleinen Florian und ihrer mutigen und kämpferischen Mutter Angelika Nachtmann.

(Foto: Arlet Ulfers)

Wenn es um ihre Tochter geht, gibt Angelika Hartmann nicht auf. Nur deshalb überlebt die Kleine überhaupt. Die Ärzte indes nehmen ihre Beschwerden nicht ernst. Hartmann verklagt sie. Am Sonntag läuft ihre Geschichte im Kino

Von Blanche Mamer, Höhenrain

Wie ist das, mit einem kranken Kind, das an heftigen Kopfschmerzen leidet, von Arzt zu Arzt zu gehen und nicht ernst genommen zu werden? Wie ist das, wenn Klinikärzte sich offen bereden, wer diesmal an der Reihe sei, sich um die Verrückte und ihr "psychisch instabiles Kind" zu kümmern? Bei solchen Fragen, spitzt Angelika Nachtmann die Lippen und ihre Augen werden hart. Sie hat das sechs Jahre lang durchgemacht. 18 Jahre ist das jetzt her, und auch wenn sie immer noch wütend ist, erzählt sie möglichst ruhig. Klar ist, dass ihre Tochter noch lebt, hat sie nur der Hartnäckigkeit ihrer Mutter zu verdanken, die sich mit den Diagnosen der Ärzte nicht zufrieden gab.

Doch was die Geschichte zur Filmstory für Regisseur Hans Steinbichler macht, ist, dass bei der Elfjährigen ein fünf-Mark-großer Gehirntumor, ein Kraniopharyngeom, gefunden wurde, an den sich nur ein amerikanischer Arzt heranwagte. Als das Kind nach zwei OPs in einem Krankenhaus in Mittelfranken und einer langwierigen Nachbehandlung langsam genas, zieht die Mutter vors Münchener Landgericht, um all die Ärzte zur Verantwortung zu ziehen, die sie immer wieder mit ihrer todkranken Tochter heimgeschickt hatten. Es kam zu einem Vergleich mit dem bayerischen Staat, dem Herrn über die Klinik. Steinbichlers Film "Eine unerhörte Frau" läuft beim Fünfseen-Filmfestival.

Heute sitzen Angelika und Katharina Nachtmann im Garten ihres Hauses in Höhenrain, Katharina, die im August 30 wird, hat ihren zehn Monate alten Sohn Florian auf dem Schoß, der nach kleinen bunten Autos greift und sie mit Hingabe auf den Boden schmeißt. An den Fenstern blühen hellblaue Nemophila blue eyes, in Trögen wachsen Kräuter, Tomaten, Gurken, Sonnenblumen. Es ist eine Idylle und doch - Katharina, die einen Beruf gelernt hat, verheiratet ist, ein Kind hat, muss mit Einschränkungen leben, sie wird schnell müde, muss ständig Medikamente nehmen.

"Der Film zeigt nur die Spitze", sagt Angelika Nachtmann. In Wirklichkeit sei es viel schlimmer gewesen. Und dann berichtet sie von ihrem nicht leichten Leben. Als ihre erste Ehe schief geht, zieht sie mit ihrem Sohn Stefan auf den Hof ihres zweiten Mannes Schorsch in Höhenrain, wo dieser mit seiner Mutter eine Landwirtschaft betreibt. 1985 kommt Sohn Michael zur Welt, ein Jahr später Katharina. Das Zusammenleben ist nicht einfach, die Schwiegermutter hätte lieber eine andere Frau im Haus gesehen. Aufgerieben zwischen Arbeit in Stall und Feld, Haushalt und Familie, merkt Angelika, dass die kleine Tochter nicht recht gedeiht. Katharina klagt auch immer öfters über Kopfweh, wächst nicht mehr, sieht schlecht aus, isst wenig, erbricht sich ständig, manchmal fünf-, sechsmal in der Nacht. Katharina, die im Film Magdalena heißt, wird von Arzt zu Arzt weitergereicht, die Diagnosen Migräne, Anorexie, psychische Instabilität, Lebensmittelunverträglichkeit wechseln sich ab, kein Medikament hilft. "Keiner hat das wirklich ernst genommen, es hieß, sie simuliere, ich wolle Aufmerksamkeit. Die ganze Verwandtschaft hat gesagt, ich solle endlich Ruhe geben, mein Mann schimpfte, du willst dass das Kind krank ist." Obwohl Katharina so klein war, ist sie nach einem Test eingeschult worden, doch damit steigert sich ihr Leidensweg. Ihre schrecklichen Kopfschmerzen werden von den Lehrerinnen nicht ernst genommen, sie gilt als Simulantin, von den Mitschülern wird sie gemobbt, Zwerg und Liliputaner sind noch die geringsten Bezeichnungen.

Enttäuscht von der Schulmedizin, bildet sich Mutter Angelika in alternativen Therapien, liest über Naturheilkunde und Akupunktur, macht einen Bachblüten-Kurs, ein Schüßler-Salz-Seminar und kann die Symptome ein wenig lindern. Bei einem besonders schweren Migräneanfall des Kindes schickt sie ein Pförtner der Klinik zu einer Endokrinologin. "Nach sechs Jahren war er der erste in diesem Krankenhaus, der mich ernst nahm und mir zuhörte", sagt Angelika, die im Film Hanni heißt und von Rosalie Thomass gespielt wird. Ein Bekannter habe dem Produzenten Nils Dünker von ihrer Odyssee erzählt, sagt Frau Nachtmann. Auf sein Drängen habe sie ihre Erinnerungen niedergeschrieben, die am 27. Juni als Buch Nicht gehört - fast zerstört im Scholastika Verlag erschienen sind.

Eine unerhörte Frau läuft in Seefeld, am Sonntag, 15.30 Uhr und um 17 Uhr in der Schlossberghalle , in Herrsching, am 7. August um 20.30 Uhr. Angelika Nachtmann kommt zum Gespräch.

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