Süddeutsche Zeitung

Hochzeitsmesse im Kloster Andechs:Torten, Tüll und ein wenig Erotik

Lesezeit: 4 min

In der Pandemie haben viele Paare ihre Trauung verschoben. Die Trends für die Nach-Corona-Zeit gibt es auf der Messe "Herzerl-Tage" zu sehen. Ein Besuch.

Von Susanne Hauck, Andechs

Im Florianstadl von Kloster Andechs ist mittags um 13 Uhr schon jede Menge Stimmung. In Pulks schieben sich viele junge Leute durch die Gänge, während auf der Bühne ein DJ mit stampfenden Beats einheizt. Einige Bräute schauen sich mit ihrem künftigen Ehemann um, andere zusammen mit ihren Freundinnen. Kaum jemand ist hier über 30, und wenn, dann ist es die Mutter, die zur Beratung mitkommt und möglichst auch einen gut gefüllten Geldbeutel mitbringt, denn die Feier geht ins Geld. Es ist Hochzeitsmesse in Andechs. "Herzerl-Tage", lautet das Motto. "Mein dritter Versuch", sagt Veranstalter Josef Hofrichter. Wegen der Corona-Pandemie musste der Termin mehrmals verschoben werden. Mit 60 Ausstellern zählt die Messe zu den kleineren ihrer Art. Zum Vergleich: Die Münchner "Trau Dich" habe 1000 Messestände.

Es ist auch so genug los. Die jungen Paare haben offensichtlich Nachholbedarf. Wedding Planer, Visagistinnen, Hochzeitsfotografen, Chauffeurdienste, Brautmoden, Gaststätten, Pyrotechniker, Reiseveranstalter, Juweliere bieten ihre Dienste an. Eine Zahnärztin aus Krailling bietet Bleaching an, eine junge Grafikdesignerin zeigt die neuesten Trends in der Hochzeitspapeterie, bei der die Einladungskarten nicht mehr auf Papier, sondern auf bruchsicherem Acrylglas gedruckt sind, ein Verleihservice liefert Inspirationen zum Tischdecken mit einer weißen Rosenblätterkugel fast in Fußballgröße in einem überdimensionalem Champagnerglas. Mindestens genauso umlagert wie die Trauring-Anbieter ist der mit schwarzen Negligees dekorierte Stand der Franchisefirma "Liebesengel".

Sex-Spielzeug für die Afterwedding-Party

"Toys- und Dessouspartys" sind das Metier von Melanie Metzger, die mit einem Koffer voll Penisringen, Spitzenwäsche und Massagegeräten nach Hause kommt. Längst nicht mehr nur bei Junggesellinnenabschieden, sondern zunehmend zu sogenannten Afterwedding-Partys, zu denen sich befreundete Pärchen bei der Hochzeitsfeier verabreden. Man kann eben nicht früh genug anfangen, Pep in die Beziehung zu bringen. "Das ist der letzte Schrei", sagt Melanie Metzger, die eigentlich in der Pharmaindustrie arbeitet und sich nebenberuflich "zum Spaß" etwas dazuverdient, wie sie sagt. Die erotischen Dessous, die es in Größe S bis 6XL gibt, dürfen auf den Partys anprobiert und vorgeführt werden, die Vibratoren nicht. Von ihrer Leistungsfähigkeit kann man sich nur am eigenen Daumen überzeugen. "Womanizer" heißt der Bestseller unter den Liebestoys. "Er kann, was kein Mann kann", wirbt Metzger für den sogenannten "Auflege-Vibrator".

Um 14 Uhr ist Modenschau. Die angekündigte Moderatorin Andrea Otto fehlt, und so spazieren die Models stumm über die Bühne. Dass die Schau nur zehn Minuten dauert, kommt im Publikum, das gerade erst erwartungsvoll Platz genommen hat, weniger gut an. "Das ist ja wohl ein Witz", fällt ein Kommentar.

Bis zu 2500 Euro kostet das Brautkleid

Mehr über die neue Brautmode kann Peter Gantner erzählen. Der Inhaber eines Starnberger Fachgeschäfts muss nicht lange überlegen, welchen Schnitt seine Kundinnen bevorzugen: "Die A-Linie, denn sie macht die beste Figur." Er deutet auf ein Modell mit weitem, bauschigen Rock. Gefragt seien neben romantischer Mode im sogenannten Boho-Stil vor allem weiße Kleider im Prinzessinnen-Look, mit ordentlich Tüll und Glitzer. "Die meisten wollen eine klassische Braut sein." Gantners Roben, die man sich im Baukastensystem schneidern lassen kann, kosten zwischen 1200 und 2500 Euro. Sechs Monate vorher sollte man kommen, wenn es eilt, liefert er zum Aufpreis von 300 Euro auch in vier Wochen.

Und was trägt der moderne Bräutigam? Ganz sicher keinen traditionellen Frack mehr. Das Jackett darf schon mal mit einem Revers aus Seide eine festliche Note haben, aber ansonsten gilt: "Die Jüngeren mögen sportliche, moderne Anzüge, und es muss slim fit sein", weiß Caroline Cammens vom Herrenausstatter Jo Freyherr, der für einen maßgeschneiderten Anzug knapp 700 Euro berechnet. Dunkelblau sei die beliebteste Farbe, aber es werde auch gern zu hellem Grau gegriffen oder auch zum dezenten Karo. Sogar Turnschuhe seien zur Trauung erlaubt. "Groß im Trend sind weiße Hochzeitssneaker mit Herzerl drauf."

Auf der Torte tummeln sich Hulk und Superman

Semi-naked, halbnackt, lautet hingegen die Mode bei den Hochzeitstorten, also so aufgebaut, dass die Biskuitböden noch durch die aufgestrichene Creme scheinen. Auch sehr gefragt: Torten mit zwei Seiten - "vorne klassisch, hinten mehr was für die Männer" - erzählt Anja Knoll von der Gautinger Konditorei Petite Amelie und demonstriert das an einem Kuchen, an dem sich Comicfiguren wie Superman und Hulk tummeln.

Wer als Besucher zur Messe kommt, weiß in der Regel schon, wo er feiern wird und kümmert sich nur um Feinheiten oder plant bereits für das nächste Jahr. "Die Location ist das Wichtigste, sie muss 18 Monate vorher stehen", sagt Hochzeitsplanerin Stephanie Bieberle. "Von April bis September gibt es halt nur eine begrenzte Anzahl an Samstagen."

"Im Winter haben wir noch Termine frei, ansonsten nächstes Jahr ", bestätigt Noah Zink von der "Marina" in Bernried, deren teuerster Bankettraum die "Werfthalle" ist. Für 9000 Euro Saalmiete wird alles ausgeräumt, mit Holz ausgelegt und dekoriert. Das Essen - Menü zwischen 30 und 100 Euro - geht extra. Vom hohen Preis lassen sich die Brautpaare nicht abschrecken. "Sie heiraten in Tutzing oder Seeshaupt und lassen sich mit einem gecharterten Schiff zu uns bringen."

Freie Trauung: Der Pfarrer sieht das mit Sorge

Unübersehbar im Trend: Freie Trauungen für alle, die mit Kirche nichts am Hut haben, aber trotzdem eine Zeremonie wollen. "Die Anfrage ist immens", berichtet Isabella Hartmann. Für 950 Euro schlüpft die Religionspädagogin aus Augsburg in die Rolle eines Pfarrers und führt die weltliche Alternative zur kirchlichen Trauung durch, die schon mal bei Mondschein auf dem Berg oder unterm Rosenblütenbogen am Seeufer stattfinden darf.

Eine Entwicklung, die der Tutzinger Pfarrer Ulrich Haberl mit Sorge betrachtet. Auch die evangelische Kirche will offensiver für sich werben und stellt sich auf die besonderen Wünsche der Paare ein, indem sie Trauungen im Freien oder in den Locations vollzieht. "Wir wollen den Markt nicht kampflos den freien Rednern überlassen", sagt Haberl, der sich überzeugt gibt, dass Gottes Segen den Hochzeitern einen weiteren Horizont bietet. "Bei uns ist es mehr als Gedöns und romantische Soße."

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