Die Schanze vom Starttower ist steil – sehr steil sogar. Xaver, 16 Jahre alt, steht mit seinem Dirtbike oben auf der etwa drei Meter hohen Abfahrtsrampe, steigt auf und stürzt sich in die Tiefe. Dann rast er auf den gegenüberliegenden Hügel, den Kicker, hebt ab und beendet die Fahrt mit einem perfekten „Whip“. Dabei stellt er das Bike im Sprung quer. Im Hintergrund wummert Heavy-Rock von „Planet of Zeus“, Applaus brandet auf.
Mit der Eröffnung des provisorischen Bike-Parks neben dem Fußballplatz im Weßlinger Ortsteil Hochstadt hat ein Projekt, das vor vier Jahren seinen Anfang genommen hat, einen vorläufigen Abschluss gefunden. Vorläufig, da der endgültige Standort des Bikeparks auf einem Gelände in Weßling zwischen Bahnlinie und Katzensteinsiedlung liegt. Es kann erst genutzt werden, wenn die Bahn ihre geplanten Arbeiten für ein Abstell- und Wendegleis abgeschlossen hat. Aus versicherungsrechtlichen Gründen sind die etwa 40 Biker mittlerweile als Abteilung Ride-Club beim SC Weßling untergekommen. „Wir haben ihnen eine Heimat gegeben“, erklärt Vereinsvorsitzende Claudia Bruns.
Vor etwa einem Jahr begannen die Kids und Platzgestalter Michael Steiger mit dem Graben und Schaufeln. „Das Gelände ist nicht einfach, ziemlich klein und ohne natürliches Gefälle“, erklärt er. Trotzdem haben es die „Rider“ geschafft, einen anspruchsvollen Parcours für die Fortgeschritteneren und daneben einen Pump-Track zu errichten. Es ist sogar noch ein Streifen übrig, auf dem später eine neue Profistrecke entstehen könnte. „Wenn den Fahrern die jetzige langweilig geworden ist“, sagt Steiger.

Vor Kurzem erst konnte der Verein einen alten Container günstig erwerben. Darin hat Steiger für die Eröffnungsparty seine Musikanlage aufgebaut. Später könnte der Behälter in die neue Strecke integriert werden. Im Gegensatz zu anderen Sportarten, bei denen die Sportler auf fertig errichteten Anlagen trainieren, gilt beim Dirtbiken „no dig – no ride“. Soll heißen: Vor dem Fahren ist Schaufeln angesagt. Hügel, Steilkurven, Pump-Track, die Rampen und der Parcours bestehen in Hochstadt aus Erde. Für den Starttower durften die Sportler Fichtenholz aus dem Gemeindebestand verwenden. Lehm, Sand und Kies wurden gesponsert und eins freut Flo Hagena besonders: „Ein Mitglied ist ein begnadeter Baggerfahrer“.



Preiswert ist das Ganze noch dazu. Allerdings ist das Material nicht sehr beständig. Andauernd muss nachgearbeitet und verfestigt werden und bei Regen dauert es seine Zeit, bis die 900 Quadratmeter großen Flächen mit Planen abgedeckt sind. Trotzdem können die Bahnen nach Regenfällen komplett durchweicht sein und erst nach einer Trockenphase mit Reparaturarbeiten wieder befahrbar sein. Dafür kann die Strecke immer wieder moduliert und dem Leistungsstand der Fahrer angepasst werden. Das gehört dazu, und das Schaufeln und Bauen macht richtig Spaß, weiß Abteilungsleiter des Ride-Clubs Christian Lekies. „Das ist nichts anderes als ein großer Spielplatz“, findet Steiger. Oder wie ein Fitness-Parcours, ergänzt Lekies.
Dirtbikes sind spezielle Fahrräder. Sie haben vorn eine Federgabel, relativ kleine Räder, nur einen Gang, eine Bremse und einen Freilauf. Beim Pump-Track mit seinen Steilkurven und den „Speed Wobblern“ – sie generieren Geschwindigkeit – besteht das Kunststück darin, eine Runde auf seinem Rad stehend zu schaffen, ohne in die Pedale zu treten, also allein durch Verlagerung des Körpergewichts. Ein wenig kann man sich das wie bei einer Schiffsschaukel vorstellen, die man mit seinem Körper zum Schwingen bringt.



Dirtbiken spricht alle Generationen vom Kindergartenkind bis zum Erwachsenen an. Das war auch so bei der Eröffnung: Eine Runde nach der anderen ließ sich die vierjährige Amelie mit ihrem Laufrad von ihrem Vater durch den „Pump-Track“ schieben. Anschließend griff er sich sein Dirtbike, zögerte oben am Startturm nur kurz – und sprang dann souverän über die beiden Kicker.
Stürze gehören bei dieser Sportart dazu. Deswegen setzen sich die Kids Helme mit Vollvisier auf, haben Protektoren an den Knien, lange Ärmel und Handschuhe an. Startturm und Sprünge dürfen ohnehin nur von erfahrenen Jugendlichen gefahren werden, und auch nur dann, wenn mindestens drei Personen vor Ort sind. Ansonsten wird die Anlage mit einem Seil versperrt. „Erst wer die Technik beherrscht, wird zugelassen“, erklärt Lekies. Dann können die Kids mit ihren Tricks wie dem „No-Hander“, dem „No-Foot“, „One-Foot-off“ oder dem „Superman-Seat-Grab“ beeindrucken. Der Pump-Track dagegen ist stets geöffnet.

Nach den Querelen mit den Anwohnern der Katzenstein-Siedlung, die sich vehement gegen die Bike-Anlage gesperrt hatten, ist es für den Ride-Club eine neue Erfahrung, dass die Hochstadter sie mit offenen Armen empfangen haben, berichtet Hagena. „Sie freuen sich, dass hier auch etwas für die Jugend gemacht wird“. Allerdings ist Hochstadt abgelegen und die Straße von Weßling in den ländlich geprägten, kleinen Ortsteil ohne Radweg. „Jüngere Kinder will man da nicht allein fahren lassen“, sagt Hagena. Von September an möchte der Ride-Club ein Training anbieten.