Süddeutsche Zeitung

Historie:Der Barockmaler vom Schmalzerhof

In Berg geboren, in München zu Hause: Balthasar Augustin Albrecht hat als Hofmaler ein umfangreiches sakrales Werk hinterlassen. Die Gemeinde entdeckt ihn jetzt gerade wieder

Von Sabine Bader, Berg

Angefangen hat alles für Angela Schuster mit einem Besuch in der Wieskirche in Steingaden. Der Hochaltar begeistert sie. Sie will mehr wissen. Forscht im Netz nach dem Künstler. Sein Name sagt ihr nichts: Balthasar Augustin Albrecht. Dafür aber der Geburtsort: Berg am Starnberger See. Dort wohnt auch sie.

Das Interesse Schusters ist geweckt. Die ehrenamtliche Mitarbeiterin des Berger Gemeindearchivs durchforstet die Unterlagen in den Kellerräumen der Gemeinde. Irgendwo muss es doch etwas zu diesem Maler geben? Und wirklich. Sie stößt auf die Dissertation des Münchner Kunsthistorikers Falk Bachter, der 1981 ein umfangreiches Werk über den Barockmaler verfasst hat. Sie ist begeistert und recherchiert weiter. Wo stand das Geburtshaus genau?

Ja, lange bevor Berg zum Geburtsort des bekannten Schriftstellers Oskar Maria Graf wurde, kommt hier Balthasar Augustin Albrecht zur Welt, der zu einem angesehenen Münchner Hofmaler des ausgehenden Barock werden wird. Am 6. Januar 1687 wird er im "Schmalzer" in Oberberg geboren, schreibt Schuster in einem Beitrag für das Ortsmagazin "Bergblick". Schmalzer war der Hausname des Anwesens, das den Bergern noch gut unter den Namen Gaststätte "Tutzinger Hof" oder später "Berger Stuben" in Erinnerung ist. Es stand neben dem Maibaum am heutigen Oskar-Maria-Graf-Platz und wurde Ende der 1990er Jahre abgerissen. Albrechts Vater Augustin ist Wassermeister und Zimmerer in Schloss Berg. Ein verantwortungsvoller Job. Denn er ist dafür verantwortlich, dass die hölzerne Wasserleitung von Oberberg hinab zum Schloss immer genug Wasser führt, um die Wasserspiele im Schlosspark am Laufen zu halten. Der Bub wird übrigens lediglich mit dem Vornamen Balthasar ins Taufregister von Aufkirchen eingetragen. Den Beinamen Augustin legt er sich erst später zu. Denn Doppelnamen sind schick in jener Zeit. Im Barock gibt es "eine Vorliebe für klangvolle Namen", sagt Schuster. Zudem habe sich Albrecht von seinem Onkel Benedikt Albrecht abgrenzen wollen, der ebenfalls Maler in München war. Man geht auch davon aus, dass dieser ihm Grundzüge des Handwerks beigebracht hat, bevor der angehende Künstler zu Studienreisen nach Venedig und Rom aufbricht.

Seine Heimat Berg, in der er Kindheit und Jugend verbringt, hat er da bereits hinter sich gelassen. Er lebt in München und ist dort offensichtlich sehr wohlgelitten, denn Kurfürst Max Emanuel bewilligt ihm Hofschutz. Wer dieses Privilegium genießt, der muss an die Stadt keine Steuern mehr entrichten. Ein Umstand, der die Bürger offenbar erzürnt, weil der Stadt so wichtige Einnahmen entgehen. Sie richten laut Bachter Protestschreiben an den Kurfürsten. Der ignoriert den Ärger. Und auch die Stadt gibt sich bald versöhnlich. Zumindest bestellt sie vier Jahre darauf beim Künstler vier Bilder für ihren Rathaussaal.

Überhaupt ist das großteils sakrale Werk des Münchner Hofmalers stattlich: Darunter sind der Hoch- und Seitenaltar des Marienmünsters in Dießen, alle drei Altarblätter der Klosterkirche Schäftlarn, das Kuppelfresko von Schönbrunn sowie zwei Seitenaltarblätter der Klosterkirche in Polling. Insgesamt sind laut Bachter um die 70 große Werke überliefert.

Und dann wäre da noch die Sache mit den Mirakelbildern der Wallfahrtskirche Aufkirchen. Die sogenannten "Wunderbilder" zierten die Friedhofsmauern und die Kirchenfassade und zeigten diverses menschliches Elend: Brand, Überschwemmung, Sturz und Mord. Sie stammten nicht von Albrecht. Laut Schuster hat sie der Starnberger Maler Bidermann um 1704 geschaffen. Der künstlerische Wert der Werke war nach Expertenmeinung weit weniger bedeutend als der kulturhistorische. Denn schließlich seien dort unter anderem die damals gängigen Trachten mit großer Genauigkeit abgebildet gewesen. Da die Werke den alltäglichen Witterungseinflüssen ausgesetzt waren, hatten sie schon um 1750 so sehr gelitten, dass sie erneuert beziehungsweise restauriert werden mussten. Man geht davon aus, dass Albrecht den Restaurierungsauftrag in Aufkirchen seinerzeit nur annahm, weil der sich seiner Heimatpfarrei verbunden gefühlt habe. Viel verdient war damit nicht. Denn er soll nur 100 Gulden für die Arbeit an den Mirakelbildern erhalten haben.

Falk Bachter war es Anfang der 1980er Jahre gelungen, den damaligen Bürgermeister Josef Ücker für den fast vergessenen Maler und dessen Werk zu begeistern. Dieser habe ihm auch zugesichert, mit einer Gedenktafel am Geburtshaus an den Künstler zu erinnern, so der heute 80-Jährige. Doch dann starb Ücker. Jetzt hoffen Schuster und Bachter auf Ückers Nachfolger Rupert Steigenberger. Und der hat ein offenes Ohr für das Anliegen: "Ich fände es gut, wenn wir auf Balthasar Augustin Albrecht hinweisen würden. Damit die Besucher an Ort und Stelle etwas über den berühmten Sohn der Gemeinde erfahren."

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SZ vom 04.05.2021
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