Weltkinderforum in Davos:„Warum tun sich Erwachsene beschießen?“

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Clara Vedder aus Herrsching war beim „World Child Forum“ dabei. (Foto: Franz Walter)

Clara Vedder aus Herrsching war beim diesjährigen „World Child Forum“ dabei. Was die Achtjährige dort erlebt hat, was der Initiator erreichen will – und warum Worte manchmal überbewertet werden.

Von Carolin Fries, Herrsching

Den ersten Termin für ein Telefonat hat Clara Vedder verpasst. Sie war mit den anderen Kindern spontan ins Schwimmbad gegangen, und es muss fantastisch gewesen sein – vor allem der Moment, in dem sie vom warmen ins kalte Becken gehüpft sind, wie die Achtjährige erzählt. Wie es überall geprickelt hat im Körper, alle haben es gespürt.

Das Mädchen aus Herrsching ist vergangene Woche als eine der jüngsten Teilnehmerinnen beim Weltkinderforum in Davos gewesen, zusammen mit knapp 300 Kindern und Jugendlichen aus der ganzen Welt. Sie haben sich im Kongresszentrum der Stadt, in dem sich jedes Jahr die Mächtigen aus Politik und Wirtschaft zum Weltwirtschaftsforum versammeln, eingemietet, um die Zukunft zu besprechen. Wobei sie das – Claras Schwimmbadausflug lässt es vermuten – natürlich anders gemacht haben als Erwachsene, die sich an einen Tisch mit Mikrofonen setzen. Es braucht nicht immer viele Worte.

Das „World Child Forum“ fand in diesem Jahr zum zweiten Mal statt. Bernhard Hanel aus dem Schwarzwald hatte 2021 die Idee einer internationalen Kinderkonferenz, als er sich in der Pandemie intensiv mit dem Weltwirtschaftsforum auseinandersetzte – und für sich persönlich feststellen musste, dass es zu einer Geschichte des Scheiterns und der Visionslosigkeit verkommen war. Vor allem aber fehlte dem Familienvater der Blick der Kinder und Jugendlichen in die Zukunft. Der damals 55-Jährige beschloss, aus Davos nicht nur Bilder von grauhaarigen Anzugträgern in die Welt zu senden, sondern aus dem gleichen Ort und den gleichen Räumen Bilder von jungen Menschen, die die Zukunft gestalten wollen.

Der Philosoph Björn Vedder aus Herrsching hat über Bekannte von der Initiative erfahre. Und dachte sich sofort: „Das ist perfekt für meine Tochter“. Sie schickten also eine Bewerbung. Und als die Bestätigung kam, baten sie die Schule um eine Beurlaubung. „Montagmorgen haben wir dann die kleinen Geschwister in die Schule gebracht und sind aufgebrochen“, erzählt Vedder am Telefon.

Das Kongresszentrum in Davos wird zum Treffpunkt für Kinder und Jugendliche aus der ganzen Welt. (Foto: Franz Walter)
Altersgerecht setzen sich die Teilnehmer mit Zukunftsfragen auseinander, etwa dem Klimawandel oder dem Wunsch nach Frieden. (Foto: Franz Walter)
Sie bauen sich im wahrsten Sinne eine neue Welt. (Foto: Franz Walter)

Die jüngsten Teilnehmer des Forums dürfen mit Begleitung anreisen. Sie werden auf verschiedene Unterkünfte im Ort verteilt, einige wenige Zimmer sind auch im Luxushotel Alpengold in Davos reserviert. Dort residieren auch die Teilnehmer beim Weltwirtschaftsforum. Die Vedders landen in der Jugendherberge, die oberhalb der Ortschaft liegt und einen fantastischen Blick auf die umliegenden Berge bietet.

Clara trifft in Davos Kinder aus anderen Ländern: aus Israel, Palästina, Russland, der Ukraine, der Schweiz, Uganda. Sogar Vertreter indigener Völker aus dem Amazons waren angereist. Sie unterhalten sich mal in Deutsch, mal in Zeichensprache – Englisch versteht die Zweitklässlerin nur wenige Brocken. Doch Worte sind ohnehin nur ein Teil der Verständigung, die vorrangig in der Begegnung und dem gemeinsamen Tun stattfindet.

Clara und die Kinder in ihrer Gruppe denken sich zusammen ein Puppenspiel aus, das sie am Schlussabend vorführen: Es heißt „Christl und die Zaubersteine“. Es geht um kleine Steine, die sowohl einem Hasen, einem Bären, einem Elefanten als auch einem Menschen helfen, ein drängendes Problem zu lösen. Clara und die Kinder aus ihrer Gruppe beschäftigen sich außerdem mit Fragen nach Gerechtigkeit und stellen selbst eine: „Warum tun sich Erwachsene beschießen und Kinder nicht?“ Eine Antwort darauf haben sie nicht.

Bernhard Hanel studierte Kulturdesign und arbeitete zeitweise nebenbei als DJ und Kunstreiseführer. Er hatte in der Pandemie die Idee für das "World Child Forum". (Foto: Franz Walter)
Clara Vedder nimmt "ein glückliches Gefühl" mit nach Hause. (Foto: Franz Walter)

Initiator Bernhard Hanel, den in Davos alle nur Berni nennen, sagt, es sei bewundernswert und anrührend, wie sich die jungen Menschen begegnen und austauschen. „Kinder haben noch den totalen Zugang zum Wesentlichen.“ Erwachsene wiederum hätten Vorstellungen, was er ganz bildlich meint: „Sie stellen etwas davor.“ Die emotionalsten Momente waren für ihn die Begegnungen von Kindern und Jugendlichen aus Russland und der Ukraine sowie aus Palästina und Israel, Länder im Krieg. „Da ist so viel Leid und Wut und Schmerz.“

Es habe ein großes Loslassen gebraucht, bevor ein Miteinander habe stattfinden können, erzählt er. Doch genau darum geht es Hanel: Konflikte lösen sich nur im Miteinander. Kinder trügen diese Weisheit in sich, „alle Kinder wollen miteinander spielen“. Hanel spricht aus Erfahrung: Er hat einen Verein gegründet, der weltweit Schutz- und Spielräume in Krisengebieten errichtet.

Natürlich wird Hanel immer wieder nach Ergebnissen des „World Child Forums“ gefragt, wohlgemerkt nur von Erwachsenen. Dabei lässt sich der Wert der Begegnungen kaum messen. Clara hat neben ein paar Einträgen in ihrem Adressbüchlein viele Erinnerungen mit nach Hause genommen und „ein glückliches Gefühl“ wie sie sagt. Im kommenden Jahr will sie sich wieder bewerben.

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