Gefördertes Bauprojekt in Herrsching26 bezahlbare Wohnungen und ein Riesenspaten

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Klassisches Ritual beim Spatenstich: der Wurf von Erde in Richtung Fotografen.
Klassisches Ritual beim Spatenstich: der Wurf von Erde in Richtung Fotografen. (Foto: Arlet Ulfers)

Der Bau von 26 Wohnungen gilt Herrschings Bürgermeister Schiller als historisch größtes Bauvorhaben der Gemeinde. Für den symbolischen Spatenstich hat er seine Beziehungen spielen lassen.

Von Patrizia Steipe, Herrsching

Hinter dem Baugrund ragt der Kirchturm von Sankt Nikolaus in die Höhe, davor leuchtet das frisch ausgehobene Kiesbett. Ein Bagger ist dekorativ drapiert fürs Pressefoto, Spaten in verschiedenen Größen liegen auf einem Erdhaufen – und mittendrin steht Herrschings Bürgermeister Christian Schiller. Er spricht vom „historisch größten Bauvorhaben der Gemeinde“. Am Mitterweg sollen 26 Wohnungen entstehen, „bezahlbarer Wohnraum“, wie er betont. Und weil ein Spatenstich von der richtigen Kulisse lebt, hat Schiller nicht nur den Bauplatz, sondern auch die Gästeliste mit Bedacht inszeniert.

Für den symbolischen Spatenstich hat Schiller seine guten Beziehungen in den Landkreis Deggendorf spielen lassen. Das ist nämlich nicht nur der Stimmwahlkreis von Christian Bernreiter, sondern dort ist Schillers Cousin ebenfalls Bürgermeister in der Gemeinde Neuhausen-Offenberg. Und der wiederum hat zum Hörer gegriffen, den bayerischen Bauminister Bernreiter angerufen – und das Gespräch kurzerhand an Schiller weitergereicht. „So haben sie mich gekriegt“, sagte ein gut gelaunter Minister bei der Zeremonie und grüßte gleich einmal „seine“ Bürgermeister aus Neuhausen-Offenberg: Hans-Jürgen Fischer und Vize Christian Holmer, die extra an den Ammersee gereist waren.

Dass sich mit dem Starnberger Landrat Stefan Frey, Bürgermeisterin Christel Muggenthal (Wörthsee), Bürgermeister Klaus Kögel (Seefeld) und Bürgermeister Walter Bleimaier (Inning) geballte Politikerpräsenz am Bauplatz eingefunden hatte, hatte eher politische Gründe. „Wir setzen ein Statement in Präsenz“, sagte Kögel. Was am Mitterweg gefeiert wurde, ist in vielen Rathäusern mittlerweile nur mehr ein Plan mit vielen Fragezeichen. Ausbleibende Fördergelder bereiten den Gemeinden Sorgen, längst geplante Vorhaben mussten auf Eis gelegt werden. „Wir müssten eigentlich jede Woche ein Ministerium anschreiben“, seufzte Bleimaier und nutzte den anschließenden Imbiss auf der Dachterrasse der Freiwilligen Feuerwehr Herrsching, um persönlich mit dem Bauminister zu sprechen.

Gefragter Mann beim Spatenstich: Bauminister Christian Bernreiter (rechts), dem mehrere Bürgermeister ihre Sorgen offenbarten.
Gefragter Mann beim Spatenstich: Bauminister Christian Bernreiter (rechts), dem mehrere Bürgermeister ihre Sorgen offenbarten. (Foto: Arlet Ulfers)

Auch das 13,2-Millionen-Euro-Projekt in Herrsching galt zwischenzeitlich als wacklig: Die Einladungen zum Spatenstich waren bereits verschickt, als die Regierung von Oberbayern das kommunale Wohnraumförderprogramm überraschend stoppte. „Wir hatten sogar schon einen Termin für eine Krisensitzung“, erinnert sich Gemeinderätin Christiane Gruber (BGH). Kurz vor knapp kam dann aber die erlösende Zusage. „Ohne finanzielle Unterstützung des Freistaats hätten wir das Projekt niemals stemmen können“, erklärte Schiller. Dabei sei die Wohnungsnot in der Gemeinde groß.

„Es stimmt nicht, dass der Fördertopf leer ist, er ist nur bereits verplant“, sagt Bayerns Bauminister Bernreiter

Dass Minister Bernreiter persönlich gekommen war, wertete Schiller als gutes Omen. „Es ist uns eine große Ehre, Sie als persönlichen Unterstützer unseres Projekts zu wissen“, betonte er. Die Erleichterung in der Gemeinde spiegelte sich auch in der Größe des Hauptspatens wider, den die Herrschinger für die Zeremonie besorgt hatten: Mannshoch war das überdimensionale Gerät, versehen mit eingraviertem Datum, Anlass und Gemeindewappen. Gemeinsam rammten Bernreiter und Schiller den mächtigen Spaten in die aufgehäufte Erde. „Einen großen Spaten haben wir auch schon beim Neubau des Feuerwehrhauses verwendet. Aber der hier ist noch größer“, erklärte Schiller.

Eigens hergestellt für den feierlichen Spatenstich am Mitterweg: Herrschings Bürgermeister Christian Schiller, Landrat Stefan Frey und Bayerns Bauminister Christian Bernreiter (v.li.) hatten offenbar ihre Freude am überdimensionierten Arbeitsgerät.
Eigens hergestellt für den feierlichen Spatenstich am Mitterweg: Herrschings Bürgermeister Christian Schiller, Landrat Stefan Frey und Bayerns Bauminister Christian Bernreiter (v.li.) hatten offenbar ihre Freude am überdimensionierten Arbeitsgerät. (Foto: Arlet Ulfers)

Den Klagen über leere Fördertöpfen trat Bernreiter entschieden entgegen. „Es stimmt nicht, dass der Fördertopf leer ist, er ist nur bereits verplant“, stellte er klar. Zwar herrsche ein historischer Tiefstand bei der Bautätigkeit, trotzdem investiert der Staat Rekordsummen im Wohnbau. „Wohnraumbooster“, nannte es Bernreiter. Für Herrsching bedeutet das: 6,8 Millionen Euro Zuschuss und ein zinsvergünstigtes Darlehen.

„Der Spatenstich ist der beste Zeitpunkt, um sein Bauprojekt vorzustellen, es steht ja noch nichts, was kritisiert werden kann“, freute sich Architekt Hubert Blasi. Auf 3300 Quadratmetern Fläche hat er drei jeweils dreigeschossige Gebäude geplant. Unten mit massiver Putzfassade, oben mit Holzverschalung und Satteldach. Wobei dieses leicht verschoben und nicht symmetrisch ist. „Modern interpretiert“, nannte es Blasi.

Architekt Hubert Blasi erläutert die Grundzüge seines Entwurfs mit drei jeweils dreigeschossigen Gebäuden.
Architekt Hubert Blasi erläutert die Grundzüge seines Entwurfs mit drei jeweils dreigeschossigen Gebäuden. (Foto: Arlet Ulfers)
Vom 2. Juni an können sich Interessierte auf eine der Zwei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen im Neubau am Mitterweg bewerben. 13 Euro pro Quadratmeter soll der „bezahlbare Wohnraum“ im hochpreisigen Landkreis Starnberg kosten.
Vom 2. Juni an können sich Interessierte auf eine der Zwei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen im Neubau am Mitterweg bewerben. 13 Euro pro Quadratmeter soll der „bezahlbare Wohnraum“ im hochpreisigen Landkreis Starnberg kosten. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Wohnungen werden barrierefrei sein, zwei davon rollstuhlgerecht. 16 Wohnungen sind für Menschen in sozialen Berufen vorgesehen: Pflegekräfte, Erzieher und Erzieherinnen, Feuerwehrleute – die klassische Daseinsvorsorge. Eine Wohnung ist für anerkannte Geflüchtete reserviert. Vom 2. Juni an können sich Interessierte auf eine der Zwei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen bewerben. 13 Euro pro Quadratmeter soll der „bezahlbare Wohnraum“ im hochpreisigen Landkreis Starnberg kosten, wusste Bernreiter. In seinem Heimatstimmkreis bedeutet „bezahlbar“ hingegen gerade einmal sechs Euro.

Für die Vergabe hat die Gemeinde einen Punktekatalog entwickelt. Die Unterlagen kann man online auf der Homepage der Gemeinde herunterladen oder direkt im Rathaus holen. Punkte gibt es unter anderem für Kinder, für ein niedriges Einkommen (bis 28 300 Euro für eine Person, 43 200 für zwei, zuzüglich 10 700 Euro für jede weitere Person), für Behinderungen, für soziales Engagement und für einen Bezug zur Gemeinde Herrsching: Wer dort lebt, gelebt hat oder arbeitet, hat einen Vorteil.

Die Bewerbungsfrist läuft bis 31. März 2026. Zum Jahresende 2027 sollen die ersten Mieter einziehen. Auf dem Baufeld schaufelte der Bagger nach der Zeremonie bereits ersten Kies. Diesen erwartet die Gemeinde jetzt auch dringend – allerdings in Form von Euro auf dem Konto.

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SZ PlusKommentar von Claudia Henzler

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