SZ-Kolumne: NepomukZeichen der Zeit

Lesezeit: 2 Min.

Das neue Schild am wiederhergestellten Gemeindesteg in Herrsching.
Das neue Schild am wiederhergestellten Gemeindesteg in Herrsching. (Foto: Arlet Ulfers)

Auf einer Reise nach Frankreich hat sich Seegeist Nepomuk mit Höhlenmalerei befasst – und Ähnliches auch in Herrsching entdeckt.

Von Eurem Nepomuk, Herrsching

Hab’ ich schon erzählt, dass ich neulich in Lascaux war? Ihr wisst schon, die berühmte Höhle in Frankreich, in der 17 000 oder 18 000 Jahre v. Chr. Menschen etwa 600 Tiere an die Wände gemalt haben? Vielleicht sogar noch früher? Wow, ich sag’s euch: Gänsehaut hab’ ich bekommen, weil das so schön ist. Und weil ich mir vorgestellt hab’, wie die das damals fertiggebracht haben, so über Kopf und so. Mutig waren die! Und künstlerisch begabt. Wobei es ja Wissenschaftler gibt, die die Malereien gar nicht als reine Kunst werten, sondern gewissermaßen als Lehrmaterial in Sachen Jagdtechnik, Wild und dessen Wanderrouten. Klingt für mich schon auch nach einer plausiblen Erklärung. Aufschreiben hätten die das damals ja nicht können. So ganz ohne Schrift und Papier.

Seegeist Nepomuk wundert sich im Landkreis Starnberg eigentlich nur mehr selten: Das neue Schild in Herrsching allerdings wirft doch so einige Fragen bei ihm auf.
Seegeist Nepomuk wundert sich im Landkreis Starnberg eigentlich nur mehr selten: Das neue Schild in Herrsching allerdings wirft doch so einige Fragen bei ihm auf. (Foto: Bernd Schifferdecker)

Fortschrittlich war diese Art der Kommunikation zudem. Oder besser: ziemlich prophetisch. Denn geschrieben wird ja heutzutage auch nicht mehr viel. Wenn ich allein an all die Workshops und Schulungen denke – undenkbar ohne Power-Point-Präsentationen. Den spärlichen Text, der da noch zu finden ist, bekommt man vorgelesen, die vielen Bilder, Grafiken und Symbole mit Glück erklärt. Wunderbar. Für mich zumindest: So tief und erholsam schlafe ich sonst nie.

Und dann die vielen Emojis, die jeden Tag mehr werden und jeden Tag mehr verschickt werden. Eine Zusage zu einem Date? Ein hochgestreckter Daumen. Ein lieber Gruß? Ein Herzchen oder ein Grinsegesicht mit Kussmund. Hübsch. Auch, weil kein weiteres Getippsele mehr nötig ist – und auch kein Gang zur Post. Geht sowieso kaum mehr, die Filialen werden immer weniger.

Offenbar inspirierend: die Höhlenmalereien in Lascaux.
Offenbar inspirierend: die Höhlenmalereien in Lascaux. (Foto: Mira Oberman/AFP)

Braucht aber in diesen digitalen Zeiten ohnehin niemand mehr, schon gar nicht wegen etwaiger Liebesbriefe oder Essenseinladungen. In Finnland zum Beispiel hat man das längst kapiert und bringt den Kindern gar nicht mehr das Schreiben mit der Hand bei. Ich frag’ mich allerdings, wer sich das ausgedacht hat. Und ob die- oder derjenige nicht vielleicht auf einem Betriebsausflug in Lascaux war. Aber das frag’ ich mich neuerdings auch bei den Herrschingern.

Am Ammersee sind sie ja mächtig stolz auf ihre neuen Stege. Sogar den Wigald Boning haben sie gefragt, ob er mal auf Instagram Werbung dafür macht. Der schwimmt immer, tagein, tagaus. Also spricht er über den wunderschönen Steg, über Zerkarien und das neue Schild, das dort steht. Denn das hat für mich wirklich französischen Charme. Lascaux-Charme! Statt einfach hinzuschreiben: „Bitte hier nicht ins Wasser springen“, zeigt das jetzt eine Figur auf gelbem Hintergrund, die sich quasi den Schädel beim Springen auf dem Seegrund einrammt. Das versteht wirklich jeder. Zumindest jeder, der wie ich schon mal eine Keith-Haring-Tasse besessen hat.

An die denk’ ich zumindest. Und daran, was wohl in gut 20 000 Jahren die Archäologen darüber sagen werden: „2024 lebten auch in der Gemeinde am Ammersee viele Menschen, die sich über rechteckige, kleine elektronische Geräte in einer Symbolsprache verständigten. Um dem Rechnung zu tragen, wurde zunehmend mehr auch im öffentlichen Raum eine bildreiche, nonverbale Kommunikationsform eingesetzt, um...“ Okay, am Rest meines Wikipedia-Eintrags muss ich noch feilen. Ob ich das Ganze in meinem Text womöglich noch als Kunst dieser Zeit bezeichnen werde? Mal schauen. Ist aber auch wurscht: Lesen wird das dann sowieso niemand mehr.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Fische im Badesee
:Wer schwimmt mit uns im Starnberger See?

Badegäste teilen sich das Wasser mit winzigen, aber auch recht großen Fischen. Manche haben einen ziemlich schlechten Ruf. Wem Schwimmer begegnen könnten - ein Überblick.

SZ PlusVon Astrid Becker, Jaqueline Kuhn, Katja Schnitzler und Dominik Wierl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: