Kultur im Landkreis Starnberg:Auf die Freundschaft

Kultur im Landkreis Starnberg: In der Herrschinger St. Nikolaus Kirche wurde die deutsch- französische Freundschaft mit einem Konzert zelebriert.

In der Herrschinger St. Nikolaus Kirche wurde die deutsch- französische Freundschaft mit einem Konzert zelebriert.

(Foto: Nila Thiel)

In der Herrschinger St. Nikolaus Kirche glänzen deutsche und französische Choristen gemeinsam - und das trotz widriger Umstände.

Von Reinhard Palmer, Herrsching

In der Regel sind kurzfristige krankheitsbedingte Ausfälle mit Qualitätsverlusten fürs Publikum verbunden, weil gute Interpreten selten so schnell zur Stelle sind. Und wer verfügbar ist, hat nicht ausreichend Vorbereitungszeit. Bei diesem Konzert im St. Nikolaus in Herrsching aber war es anders. Statt des erkrankten Konzertmeisters des Münchner Orchesters, Ensemble Lodron, übernahm das Bach-Violinkonzert bestens vorbereitet die international renommierte Solistin Arabella Steinbacher. Anstelle des d-Moll-Konzerts ließ sich das erfahrene Orchester auf das beliebte Werk in a-Moll ein und meisterte es mit Bravour.

Das ging auf die Schnelle vor allem deshalb so gut, weil Steinbacher und Anton Ludwig Pfell am Pult schon ein eingespieltes Team sind. Und weil Steinbacher mit ihrem sicheren, entschiedenen Auftreten und transparenten, präzisen Spiel eine klare Linie vorgab und das Orchester zu führen verstand. Das Zusammenspiel geriet dabei nicht nur in den energischen Rahmensätzen - strahlend festlich der vitale Kopfsatz, brillant virtuos der mitreißende Schlusssatz - homogen.

Im Andante-Mittelsatz zauberten die Musiker einhellig einen wirkungsvollen Kontrast zwischen dunklem Pochen und der betörend empfindsamen Modellierung des zarten Melodiegesangs von Steinbacher. Wie sie den behutsam geformten Ton entrückt über dem Orchester schweben ließ, berührte seelentief. Die Reaktion des Publikums fiel daher auch entsprechend frenetisch aus.

Ansonsten stand das Konzert nicht gerade unter einem glücklichen Stern, obgleich der Kontext ja höchst erfreulich war. Aus der Freundschaft eines Seefelders und des Bürgermeisters von Noisy-Le-Roi bei Versailles ging 2017 die Idee einer deutsch-französischen Partnerschaft hervor, die zwei Jahre später in einem gemeinsamen Konzert des Chœr de Gally unter der Leitung von Alain Pfohl - in Herrsching Dirigent der G-Dur-Schubert-Messe im Sonntagsgottesdienst - und des von Pfell geleiteten Chores der Pfarreiengemeinschaft Ammersee-Ost in Frankreich besiegelt wurde. Das "Rückspiel" im Fünfseenland scheiterte erst einmal an der Corona-Pandemie.

Kultur im Landkreis Starnberg: Wegen der Streiks in Frankreich konnten nur sieben statt der ursprünglich geplanten 21 Choristen anreisen.

Wegen der Streiks in Frankreich konnten nur sieben statt der ursprünglich geplanten 21 Choristen anreisen.

(Foto: Nila Thiel)

Dass nun statt 21 Choristen nur sieben aus Frankreich anreisen konnten, lag indes an den aktuellen Streiks, insbesondere der Verkehrsbetriebe, in Frankreich. Als im letzten Moment auch noch der Baritonsolist erkrankte, blieb Florian Thurmair nur noch ein gewagtes Einspringen übrig. Isabelle Sanchez blieb der Besetzung zum Glück erhalten und fügte ihren glockenreinen Sopran entsprechend in sorgfältiger Farbabstimmung ins klangliche Gesamtbild ein.

Trotz dieser Vorgeschichte konnte sich das Ergebnis aber hören lassen, auch wenn die Mitwirkenden doch ganz schön zu kämpfen hatten. Nicht mit dem Notentext an sich, vielmehr damit, was von Gabriel Fauré zwischen den Zeilen notiert war: Atmosphäre, Empfindungen, tiefsinnige Gedanken. Sein Requiem op. 48 ist geradezu auf die sorgfältige Differenzierung von Klangfärbungen und Stimmungen angelegt. Der Komponist hatte nicht im Sinn, den Tod düster zu dramatisieren oder gar Furcht vor ihm zu schüren, verzichtete dafür sogar auf das "Dies irae".

Pfell hatte alle Hände damit zu tun, das Orchester zu bändigen

Stattdessen fügte er das "In paradisum" aus den Exequien hinzu und zog damit dem Tod musikalisch den Stachel. Mit diesem Satz schenkte er dem Werk ein schönfarbig blühendes, versöhnliches Finale. Reinste Schönmalerei von impressionistischer Leichtigkeit und spätromantischer Wärme. So schlicht einige Passagen des Werkes auch klingen mögen, gerade die sind es, die schwer adäquat umzusetzen sind. Das war in Herrsching deutlich zu spüren.

Die großen, ja imposanten mehrstimmigen Höhepunkte mit voller Orchesterstützung des Tuttichores erklangen brillant, präzise und sehr reich im Kolorit, zumal wenn melodiös wogend zur Eruption von triumphierendem Charakter gebracht. Zarte Farbfolien in einstimmiger Schlichtheit, nicht selten zunächst weit zurückgenommen und empfindsam, wankten indes bisweilen in Sachen Klangsubstanz und Präzision in der Artikulation. Pfell hatte dabei volle Hände zu tun, die Volumina auszutarieren, das Orchester zu bändigen. Aber auch der Chor gewann im Laufe des Vortrags immer mehr an Sicherheit.

Für die emotionale Entwicklung des Chorwerkes ließ Pfohl sich viel Zeit und erntete schließlich einen großen Effekt im Höhepunkt. Chor wie Orchester waren hier schon tief in der Materie, sodass der Hymnus eine enorme Wirkung zu erzeugen vermochte. Mit mehr Proben und einem glücklicheren Vorlauf wird die französisch-deutsche Freundschaft sicher noch weitere Früchte tragen. Bereichernd ist sie aber schon jetzt - und das nicht nur für die Chöre beiderseits der Landesgrenzen.

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