Herrsching:Spielfeld für Kreative

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Die "Künstler aus dem Einbauschrank" verwandeln ein ehemaliges Sportgeschäft in einen vielseitigen Musentempel. Dabei beweisen sie, dass sie auch die schwierigste Turnübung beherrschen: sich selbst auf den Arm zu nehmen.

Von Katja Sebald, Herrsching

Diesmal also im Zeichen des Sports. Die auf Abbruchhäuser spezialisierte Herrschinger Kreativtruppe hat das im vergangenen Jahr für immer geschlossene Sportgeschäft Henle für vier Tage in ein "Sport-Haus der Kunst" verwandelt, bevor dann dort die Bagger anrücken. Unter dem Motto "Kunst wegen Geschäftsaufgabe" gibt es auf drei Etagen und schier unendlich vielen Quadratmetern Fotografie, Malerei, Zeichnung, Skulptur, Objektkunst, Installation, Performance und Musik zu entdecken.

Als "Künstler aus dem Einbauschrank" haben sich die sieben Freunde, die alle aus kreativen Berufen kommen und im Herrschinger Umfeld wohnen, einen Namen gemacht. Benannt haben sie sich nach ihrem ersten Ausstellungsprojekt in einer Villa aus den 1960er-Jahren, wo sie ihre Kunst mangels freier Wände in Einbauschränken unterbrachten. Mittlerweile sind ihre Zwischennutzungen legendär: Die künstlerischen Interventionen sind stets ortsbezogen und von besonderem Humor getragen, voller Sprachwitz und Poesie. Vor allem aber sind es Kunstausstellungen, für die man kein Kunstkenner sein muss - und diesmal übrigens auch kein Sportler.

Viele Exponate und künstlerische Interventionen nehmen Bezug auf Fitness und Sport wie etwa Monika Rolls "Endspurt" - aber auch Humor kommt nicht zu kurz. (Foto: Arlet Ulfers)

Die sechs noch "aktiven" Mitglieder der Gruppe haben zum neuesten Projekt acht sportliche Mitstreiter eingeladen. Alle beteiligten Künstler waren auf der Vernissage durch bezaubernd altmodische, gelb-schwarze Startnummern an der Kleidung zu erkennen. So traten neben der ersten Mannschaft aus Gesine Dorschner, Monika Roll, Cristina Blank, Enno Müller-Spaethe, Steffi Kieffer und Felix Maizet noch die Tänzerinnen Nina Fleck und Isabella Leihener an, außerdem die Malerinnen Frauke Maizet und Isabelle Chrétien-Brocker, der Grafiker und Illustrator Dirk Eckert, die Bildhauer Franziska Ghirardo und Felix Flesche, der Metallgestalter Christof Jenauth, die Wortkünstlerin Nue Ammann und die Videokünstlerin Vanessa Hafenbrädl.

Der Besucher aber muss sich schon am Spielfeldrand der Frage stellen, ob er denn in Form ist. Gleich darauf kann er sich mit den Größen des Sports körperlich messen. Vom Fitnessrad über die Yogamatte, vom Langlaufski bis zur Ballmaschine ist hier alles in Kunst verwandelt worden; es gibt sogar einen Trimm-Dich-Pfad durch das ganze Gebäude. Dennoch geht es in erster Linie nicht um Beschleunigung, sondern vielmehr um Entschleunigung: Die erste Station des Parcours fordert nämlich dazu auf, sich hinzusetzen und eine Minute lang nichts zu tun. Etwas weiter hinten wird nicht der sportlichen Betätigung, sondern dem inneren Widerstand gegen eben diese ein raumgreifendes Denkmal gesetzt. Wer trotzdem dem Sport huldigen will, darf sich im Lotussitz vor dem Altar der gekreuzten Abfahrtsski niederlassen oder die ebenfalls beinahe sakral anmutenden "Golden Balls" bewundern. Und wer unbedingt Blut schwitzen will, der muss eben in den Keller hinuntersteigen.

Mit einer Performance haben Nina Fritzsche und ihre Tanzschüler die Ausstellung "Kunst wegen Geschäftsaufgabe" im vormaligen Sporthaus Henle in Herrsching eröffnet. (Foto: Arlet Ulfers)

Anstelle sportlicher Anstrengung sei eine digitale Detox-Kur nach übermäßigem Handygebrauch empfohlen - oder gleich die Station zur kompletten Handy-Entladung. In der ehemaligen Skiwerkstatt darf man dann doch noch ein bisschen plantschen und im Dachgeschoss kann man sogar ein Match gegen Steffi Graf spielen. Dem von einem "Bademeister" angebotenen "Spezialkurs Mütterkraulen" aber mangelt es völlig an politischer Korrektheit. Dass auf dieser Sportmesse der besonderen Art dann auch noch das archäologische Forschungsprojekt zum einst am Ammersee weit verbreiteten "MonsterSport" Platz findet sowie eine Dokumentation über einen tragischen Ski-Unfall an der Kampenwand, zudem "echte" Bilderhauerarbeit und eine veritable Ansammlung "richtiger" Gemälde möchte man kaum für möglich halten. Am Ende bleibt nur die Feststellung, dass es doch die schwierigste Turnübung ist, sich selbst auf den Arm zu nehmen.

Bis Sonntag begleiten diesen Kunstmarathon ein sportliches Rahmenprogramm aus Musik und Tanz, außerdem wird "vieles, was nicht zu planen ist" versprochen. Zur körperlichen Stärkung stehen eine Bar, ein Food-Truck und ein Künstlerfrühstück am Sonntagvormittag bereit.

© SZ vom 05.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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