Süddeutsche Zeitung

Lehrpfad am Ammersee:Schleifen, lesen, verstehen

Lesezeit: 3 min

20 Schautafeln und Objekte auf einem Pfad rund um den Ammersee zeigen den Naturreichtum der Gegend

Von Armin Greune, Herrsching

Zwei radelnde Frauen sind sofort abgestiegen, als sie die beiden Findlinge am Ufer erblicken. Eigentlich ist die Schleifstation beim Kinderspielplatz an der Promenade ja eher für Jüngere gedacht, aber sie erweckt auch bei den beiden Damen um die 60 lebhaftes Interesse. Christian Niederbichler, Gebietsbetreuer für den Ammersee, steht ihnen Rede und Antwort; er demonstriert, wie man Steine vom Strand befeuchtet und auf dem Findling anschleift und poliert.

Eigentlich ist Niederbichler ja heute in Herrsching, um der Presse Auskunft zu geben, aber nun betreut Markus Blacek von der Mobilen Umweltschule der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald die Reporter alleine weiter. Der Pähler hat das bislang einmalige Projekt "Ammerseepfad" initiiert und geleitet. In Zusammenarbeit mit dem Umweltministerium, Gemeinden, Naturschutzverbänden, Vereinen und Behörden sind 20 Schautafeln oder Objekte mit Informationen zum Naturreichtum des Ammersees entstanden. Dieser Tage sind sie zwischen Kottgeisering und Raisting in den vier Landkreisen rund um das Gewässer aufgestellt worden. Drei fehlen noch. Eine Tafel hat Blacek gerade im Kofferraum, um sie nachher in Breitbrunn zu installieren. Sie ist der Schwarzpappel gewidmet, von deren ursprünglicher Wildform nur noch ein paar Tausend Exemplare in Deutschland wurzeln.

Markus Blacek präsentiert den neuen Naturlehrpfad, den er in den vergangenen zwei Jahren mit verschiedenen Institutionen und auch Schülern entworfen hat.

Schautafel am Seeufer erklären alles Wissenswerte.

Es gibt auch Stellen, an denen man durch Mitmachen lernt.

Haubentaucher, Braunkehlchen, Seeforelle, Renke, Schwertlilie oder Wohlriechender Lauch: "Meist stehen einzelne Tier- und Pflanzenarten auf den Tafeln plakativ im Mittelpunkt", sagt Blacek, "anhand ihrer Porträts werden Lebensräume und ökologische Zusammenhänge erklärt". Die Tableaus sind professionell und ansprechend von Grafikern gestaltet und verständlich formuliert - man merkt ihnen die intensive Arbeit an, die in den vergangenen zwei Jahren in das Projekt floss. Dazu kommen drei Graffiti-ähnliche Kunstwerke am Fuß- und Radweg zwischen Aidenried und Herrsching. Sie stellen Wasservögel und Schilfbewohner dar und wurden von Neuntklässlerinnen der Dießener Mädchenrealschule gestaltet. Die Schülerinnen waren auch maßgeblich an den interaktiven Objekten beteiligt, die den Ammerseepfad ergänzen und spielerisch Umweltbildung vermitteln.

Während die beiden Frauen nun selbst versuchen, an den Schleifsteinen Strukturen in Kieseln sichtbar zu machen, erinnert sich Niederbichler an die Exkursion vor fast zwei Jahren, als die Realschülerinnen am Dießener Vogelbeobachtungsturm starteten und den Ammersee umrundeten: "Es war ein grauer Novembertag, kalt und ungemütlich, sie wirkten erst gar nicht so motiviert." Tatsächlich aber griff die Kunstklasse das Projekt begeistert auf und entwickelte viele Vorschläge, die bei einer Präsentation vorgestellt und bewertet wurden.

Am Ende sind fünf realisiert worden, darunter eine Säule mit drehbaren Würfeln zum Lebenszyklus der Eintagsfliege, das am Schondorfer Spielschiff steht. Ein begehbares Schilfrohr haben die Schülerinnen schon vor einem Jahr am Naturbeobachtungsturm Kottgeisering auf- und vorgestellt. Auch die stilisierten Spechte, die im Naturschutzgebiet Seeholz zwischen Riederau und Holzhausen aufgespürt werden können, sind im Kunstunterricht in der Mädchenrealschule entstanden.

Die Station in Herrsching geht auf eine Idee von Projektleiter Blacek und der Geologin Maria Herrmann zurück, nachdem das Steinesammeln und -schleifen bei der Exkursion der Schülerinnen "eine Mordsgaudi war". Die Findlinge stammen aus dem Kieswerk Huglfing, auf ihnen hat ein Fischener Steinmetz die Schleifsteine mit Spezialkleber befestigt. Ein Stein muss bereits wieder ausgetauscht werden: In den zwei Wochen, in denen er in Herrsching zur Verfügung stand, war er offenbar kräftig in Gebrauch und ist nun fast abgenutzt.

An der "Raistinger Schleife", der beschilderten Alternative für Radfahrer zur Birkenallee am Südufer, steht ein weiteres, besonders gelungenes Objekt, an dem die Realschülerinnen mitwirkten: Neben der Tafel mit dem Braunkehlchen findet sich eine Art "Memory" mit 24 drehbaren Tafeln. Auch dieses Frage-/Antwortspiel zum Lebensraum Ammersee wurde in der Dießener Schule entwickelt und von örtlichen Handwerkern - in diesem Fall einem Raistinger Schreiner - umgesetzt. Der Einsatz regionaler Ressourcen gehört zum methodischen Konzept: Schließlich soll laut Projektbeschreibung der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald die Freude an der Heimat und das Bewusstsein für die Schutzbedürftigkeit der Umwelt gefördert werden. So können die Anwohner mehr noch als Feriengäste zu naturverträglichem Verhalten motiviert werden.

Dabei wird vor allem die junge Generation als Zielgruppe ins Auge gefasst. Projektmanager Blacek hat deshalb nicht nur mit der Mädchenrealschule zusammengearbeitet: Mit den Medienpädagoginnen der Dießener On-Off-Kulturwerkstatt entstanden kleine Filme zu Themenaspekten des Ammerseepfads, an denen Montessorischüler aus Inning sowie Grundschüler aus Schondorf und Andechs mitwirkten. Sie sind auf der Homepage www.ammerseepfad.de zu sehen, auf der außerdem viele ergänzende Informationen zu den Schautafeln und Objekten aufgeführt sind.

Ein weiteres Ziel des Ammerseepfads ist, als Pilotprojekt zu dienen: Akteure vor Ort sollen angespornt werden, selbst weitere Objekte beizusteuern. Diese Hoffnung hat sich inzwischen schon erfüllt: Ursprünglich waren nur zwölf Informationspunkte vorgesehen - aber Wasserwirtschaftsamt, Schutzgemeinschaft Ammersee sowie die Gemeinden Herrsching und Kottgeisering haben von sich aus noch weitere Tafeln installiert. Außerdem wirkten der Verschönerungsverein Riederau, die Bayerischen Staatsforsten, die Gemeinden Schondorf und Utting sowie das Landratsamt Landsberg mit. Weitere Kommunen, Behörden, Verbände, Sparkassen und Sponsoren unterstützten das Vorhaben finanziell. Etwa 70 000 Euro hat das Projekt bislang gekostet, sagt Blacek. "70 Prozent davon stammen aus dem Umweltfonds der Staatsregierung."

Inzwischen sind die beiden Radlerinnen mit ihren Wetzarbeiten zufrieden und vergleichen sie mit den Bildern der häufigsten Gesteinsarten auf der Tafel. "220 Millionen Jahre alt", staunt eine Frau, "wieder etwas gelernt." Dann schwingen sie und ihre Freundin sich wieder auf die Sattel.

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Quelle:
SZ vom 25.08.2016
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