Herrsching:Nachtgesang

Das Konzert der Kantorei in der Erlöserkirche Herrsching

Von Reinhard Palmer, Herrsching

In der Kürze liegt die Würze! Oder wie Shakespeare es seinem Hamlet in den Mund gelegt hat: "Weil Kürze denn des Witzes Seele ist, ... fass ich mich kurz". Die Evangelische Kantorei Herrsching beherzigte das Prinzip und raffte das 4. Nachtkonzert in der Erlöserkirche, das letzte in dieser Konzertsaison, auf knapp 40 Minuten. Dennoch kamen die zahlreichen Besucher dieser späten musikalischen Darbietung nicht zu kurz, zumal das stimmig ausgewählte Programm das Zeitgefühl zu täuschen vermochte. Stimmig nicht etwa durch Übereinstimmung in Epoche oder Stilistik. Vielmehr durch einen Stimmungsgehalt, der gerade in der bereits auf Besinnlichkeit geschalteten Nachtwahrnehmung auf viel Gegenliebe stieß.

Birgit Henke am Pult konnte hier einen gut 50-köpfigen Chor präsentieren, der mit Einfühlsamkeit bei klarer Textgestaltung im A-cappella-Gesang überzeugte. Vor allem aber mit einer farbenreich austarierten Balance der Stimmen, die besonders in den leisen Passagen eine wohltuende Wirkung entfaltete. Der Chorsatz über den Psalm 91 (11-12) "Denn er hat seinen Engeln befohlen" von Mendelssohn ist auf einen solchen Zugriff geradezu angewiesen. Erstaunlich, dass der weite Rückgriff zu Hans Leo Haßler an der Schwelle vom 16. zum 17. Jahrhundert demgegenüber so gar nicht rückgewandt wirkte. Vielleicht half hier auch die Orgelzäsur, die Christa Edelhoff-Weyde mit der Toccata decima von Georg Muffat als melismenreiches Kontrastprogramm improvisatorisch frei ausgestaltete, die Epochengrenzen zu verschleiern.

Die zweichörig-achtstimmige Anlage - räumlich verteilt auf Empore und Altarraum - der Missa Octo Vocum von Haßler machte das venezianische Gespür für Klangsinnlichkeit des Frühbarock aus der späten Renaissance-Polyphonie heraus um so deutlicher. Aber auch der Einsatz schlichter Homophonie als Kontrastmittel sorgte mit ihrer Eindringlichkeit für intensive Momente. Die mit Bravour gestemmte Aufgabe für Henke bestand vor allem darin, den Reichtum an Gestaltungsmitteln zu bändigen und sie auf jeweils eine klare Aussage zu bündeln: feierliches Kyrie, strahlendes Gloria, beschwingt erregtes Sanctus und schließlich ein stimmungsvoll lyrisches Agnus dei.

Der Ausdrucksgehalt schmälerte dennoch die vielen Einfälle des Komponisten nicht, so etwa imitatorische Echoeffekte oder feinste Reibungen und Übergänge der acht Stimmen. Großartig harmonierte damit Rheinbergers Abendlied, das mit seiner seelentief berührenden Charakteristik einen überaus sorgfältig ausgesungenen Ausklang in die Nacht schickte. Lang anhaltender Applaus.

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