Herrsching:"Mehr schreien"

Herrsching: Simon Edelmann ist neuer Dirigent der "Sinfonietta". Am Sonntag tritt das Jugendorchester mit seinen 43 Mitgliedern in Herrsching auf.

Simon Edelmann ist neuer Dirigent der "Sinfonietta". Am Sonntag tritt das Jugendorchester mit seinen 43 Mitgliedern in Herrsching auf.

(Foto: Veranstalter/oh)

Der junge Dirigent Simon Edelmann leitet erstmals das Jugendorchester "Sinfonietta". Dabei baut er auf die Kraft von Bildern

Interview von Stefanie Schwaderer, Herrsching

43 junge Leute, die meisten von ihnen zwischen 13 und 19 Jahren, haben in diesen Herbstferien nur eines im Kopf: Musik von Haydn, Schubert und Hoffmeister, die sie als Sinfonietta am Wochenende in drei Konzerten zur Aufführung bringen. Vergangenen Samstag haben die Proben begonnen. Erstmals am Pult: der 25-jährige Dirigent Simon Edelmann.

SZ: Herr Edelmann, nach dreieinhalb Tagen, wie ist Ihr erster Eindruck von der Probenarbeit?

Simon Edelmann: Sehr vielversprechend, super gut. Ich hatte mich auf viel mehr Basisarbeit in den ersten Tagen eingestellt. Die Sinfonietta ist ja ein ganz junges Orchester. Aber da war gleich ein Klang da.

Wie ist das möglich?

Alle sind nicht nur gut vorbereitet, viele haben auch schon in kleinen Stimmgruppen geübt. Wir haben ein paar Aushilfen von der Neuen Philharmonie München dabei, die uns verstärken. An ihnen können sich die Jüngeren orientieren, dann wissen sie, wie es funktioniert, und trauen sich auch gleich mehr.

Und wie bringen Sie Ihren Klang hinein?

Darum geht es mir nicht. Meine Aufgabe ist es, den Klang dieses Orchesters zu finden und ihn an manchen Stellen zu modifizieren. Hier und da gebe ich Dinge vor, aber das hat nichts mit meinem Klang zu tun. Ein Jugendorchester nach den eigenen Vorstellungen umkrempeln zu wollen ist Blödsinn. Das gelingt vielleicht bei einem Profi-Ensemble.

Welchen Klang hat die Sinfonietta?

Das kann ich schwer in Worte fassen. Vor allem ist er erstaunlich homogen. Zugleich ist dieses Orchester in der Lage, sich klanglich schnell umzustellen.

Ein Beispiel?

Bei Schuberts Unvollendeter gab es eine Stelle, die war mir zu weich, zu brav. Ich habe gesagt: Da müsst ihr mehr schreien. Das hat sofort funktioniert.

Mehr schreien?

Ja, bei Jugendlichen kann man viel über Bilder umsetzen. Das ist viel wirkungsvoller als zu sagen: Mehr Bogen, bitte. Über Bilder habe ich versucht, ihnen das ganze Stück nahezubringen. Die Unvollendete ist ja wie alle romantischen Werke auch ein Porträt des Künstlers. Es geht ums Scheitern. Man könnte sagen: Das Schicksal lässt Schubert nicht durch die Tür. Und dann gibt es die böse Stelle oder die gefährliche oder die neblige - das ist viel eingängiger als alle technische Anweisungen.

Sie arbeiten mit Schülerinnen und Schülern, die gerade Ferien haben. Müssen Sie auch Motivationsarbeit leisten?

Gar nicht, auch das hat mich überrascht. Die 19-Jährigen mit Orchestererfahrung bringen sehr viel Geduld mit und die Jüngeren eine große Bereitschaft zu lernen. Da ist sehr viel Verständnis in der Gruppe. Und alle sind hier der Sache wegen.

Wie könnte man junge Leute, die kein Instrument spielen, für klassische Musik begeistern?

Eine schwierige Frage. Ich denke, man muss sie erreichen, bevor sie das Vorurteil im Kopf haben, klassische Musik sei uncool - also vermutlich, bevor sie mit dem Smartphone auf Youtube unterwegs sind. Schon Kindern müsste man zeigen: Da gibt es etwas Tolles zu entdecken. 200 Jahre alte Musik ist nicht verbraucht. Gute Musik ist zeitlos.

Nach welchen Kriterien haben Sie das aktuelle Programm zusammengestellt?

Das Konzert für Kontrabass von Hoffmeister hat sich unser Solist Max Bäumler gewünscht. Er spielt bei der Sinfonietta, seit er 13 ist, und wir sind stolz, einen solch tollen Musiker in unseren Reihen zu haben. Das Konzert ist eine Art Dankeschön an ihn. Der Schubert ist ideal für ein junges Orchester, weil er schnell gut klingt, nicht zu schwer und nicht zu leicht ist. Man ist rasch bei 90 Prozent, der Rest ist dann allerdings unerschöpflich. Und die Haydn-Sinfonie wollte ich dabei haben, weil sie nicht nur wunderschön klingt, sondern auch eine kammermusikalische Art zu musizieren einfordert, mit viel Blickkontakt nach rechts und links, aber auch eine besondere Art, den Bogen zu nutzen. Das kommt sonst oft zu kurz. Aber es sind Skills, die man als Musiker braucht.

Da kommt dann der Cellist in Ihnen durch?

Ja, das stimmt. Ich bin ja den gleichen Weg gegangen. Insgesamt habe ich als Jugendlicher wohl mehr als ein Jahr auf Probenfahrten verbracht. Jetzt gebe ich das weiter. Es geht nicht um richtig oder falsch, sondern darum, als Gruppe zusammenzuwachsen und gemeinsam etwas für eine größere Sache zu tun. Wir retten nicht den Planeten, aber unser Anliegen ist genauso wertvoll: Wir arbeiten für die Musik.

Samstag, 2. November, Grundschule Icking, 20 Uhr, Einführung von Simon Edelmann 19.15 Uhr, Eintritt 20/8 Euro; Sonntag, 3. November, Haus der bayerischen Landwirtschaft Herrsching, 19 Uhr; Infos: mwj.nphm.info/sinfonietta-isartal

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