Herrsching:Leere Bildräume

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Rolf Hegetusch vor seinem Bild "Interferenzen". (Foto: Georgine Treybal)

Rolf Hegetusch pilgert durch Farbstimmungen

Von Katja Sebald, Herrsching

Das Blau einer Wasserfläche, das Grün an einem Flussufer, das Türkis in einer hellen Nacht. Das Rot starker Emotionen, das Pink eines sonnigen Frühlingstags und schließlich das zarte, kaum mehr als Farbe wahrnehmbare Rosé, das alles offen lässt: Es sind Bilder ohne Gegenstand, ohne Form, ohne Fixpunkt für das Auge. Mit "Pilgern im Farbraum" hat Rolf Hegetusch seine aktuelle Ausstellung im Haus der Bayerischen Landwirtschaft überschrieben.

Der Gang rund um den quadratischen Innenhof des Schulungsgebäudes erinnert wohl nicht zufällig an den Kreuzgang eines Klosters und ist schon allein deswegen idealer Ausgangspunkt für diese "Pilgerfahrt". Das wunderschön angelegte Atrium ist ein Ort meditativer Stille und jedes einzelne dieser - ebenfalls meist quadratischen - Bilder ist ein neuer Farbraum, jedes eine neue Einladung, sich zu versenken und im geschäftigen Seminargetriebe zur Ruhe zu kommen. Den Effekt von Tiefe und zuweilen auch Räumlichkeit erzielt Rolf Hegetusch nicht mit eigentlich malerischen Mitteln, sondern mit einer ganz besonderen Technik. Nach Experimenten mit Wachstafeln arbeitet er seit fast zwanzig Jahren mit koreanischen Reispapieren. Dieses extrem haltbare sogenannte Hanjipapier bringt er im Wechsel mit Schichten aus Farbe und Kunstharz auf die Leinwand auf. Zwischen den einzelnen Arbeitsschritten werden die Oberflächen immer wieder geschliffen und poliert, um tieferliegende Farbschichten freizulegen und ihnen durch die Kunstharzschichten Leuchtkraft zu verleihen.

Entscheidend für die Wirkung dieser Bilder ist die ihnen innewohnende Leere und Weite, der Verzicht auf ein eigentliches Bildmotiv. Von besonderem Reiz sind deshalb die Leinwände, die, von einer stark verdichteten und glänzenden monochromen Fläche im Zentrum ausgehend, zu den Rändern hin diffus ausstrahlen, wo tiefere, matte Farbschichten offen liegen. Ihre subtile Farbigkeit entfalten diese Bilder erst mit viel Licht, je nach Einfallswinkel verändern sie sich.

In jüngerer Zeit sind aber auch eine ganze Reihe von Leinwänden entstanden, in denen sich über einer tiefen Horizontlinie oder durch eine Staffelung aus verschiedenen Farbstreifen landschaftliche Assoziationen ergeben. Schon immer wurde Hegetusch, der in den 70-er Jahren einige Zeit in Neuseeland lebte, von Reise- und Landschaftseindrücken, von Meer und Himmel, von Licht-, Luft- und Farbstimmungen zu seinen Bildern inspiriert. Einen Schritt weiter geht er jetzt, wenn er am oberen Bildrand in seine Papiercollagen Fotos von realen landschaftlichen Gegebenheiten einfügt und so erstmals Bäume, Häuser und sogar winzige Menschen in seinen stillen Bildwelten erscheinen. "Das war nur ein Experiment, ich bin wieder davon abgekommen", erklärt er jedoch am Vernissageabend fast entschuldigend seinen kurzen Ausflug in die Welt der Gegenständlichkeit.

Es ist wohl kein Zufall, dass dieser Künstler sich dann doch wieder für das Schaffen von leeren Bildräumen, die der Betrachter mit seinen eigenen Wahrnehmungen "bewohnen" kann, entschieden hat: Bis zu seinem 40. Lebensjahr arbeitete der 1948 in Ambach geborene Rolf Hegetusch ausschließlich als Architekt, unter anderem im Büro von Paolo Nestler. Von 1988 an lebte er als freischaffender Künstler in München, vor einigen Jahren zog er nach Asch bei Landsberg. Seine Bilder waren in zahlreichen Ausstellungen zu sehen.

"Pilgern im Farbraum" im Haus der Bayerischen Landwirtschaft (Rieder Straße 70, Herrsching) ist bis 30. November täglich von 7.30 bis 19 Uhr oder nach Vereinbarung ( t 08152-938000) zu sehen.

© SZ vom 12.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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