Kultur:Wenn Mona Lisa ihr Lächeln verliert

Kultur: Nikolai Holzach will mit seiner "Fatima" kulturelle Werte entwurzeln.

Nikolai Holzach will mit seiner "Fatima" kulturelle Werte entwurzeln.

(Foto: Nila Thiel)

Beim neunten "Kunstrausch" stellen zahlreiche Künstler aus der Region am Wochenende ihre Werke in der Herrschinger Scheuermann-Villa und Geschäften im Ort aus.

Von Patrizia Steipe, Herrsching

Herrsching hat seine eigene Biennale. Zum neunten Mal findet an diesem Wochenende der "Kunstrausch" statt. Der Kulturverein lädt am 23. und 24. September in das Kurparkschlösschen am Ammersee ein. Die Werkschau von 29 Kunstschaffenden wird durch 17 "Offene Ateliers" und mehr als 25 Geschäften, die in ihren Schaufenstern Platz für Kunst gemacht haben, flankiert.

Und es gibt bereits den ersten Skandal - zumindest wirkt es so auf den ersten Blick. Die "Mona Lisa", die im Treppenaufgang zwischen zwei bordeauxfarbenen Samtvorhängen hängt, wurde scheinbar mit einem roten Farbbeutel besudelt. Von dem schwarzen Gewand tropft rote Farbe. Auf den zweiten Blick erkennt man, dass dieser La Gioconda etwas Entscheidendes fehlt: Das Lächeln. Das Gesicht ist nämlich unter einer Nikab verborgen. Nikolai Holzach hat seiner dem Original von Leonardo da Vinci verblüffend originalgetreu nachgemalten "Mona Lisa" den Schleier verpasst. Er wolle kulturelle Werte entwurzeln, aus dem Kontext reißen und damit ad absurdum führen, erklärt der Künstler während der Aufbauarbeiten. Die Farbattacke holt das Gemälde in die Gegenwart. Die orientalische "Fatima" bricht Sehgewohnheiten und soll die Sicht auf die Gleichheit der Menschen und ihre Werte provozieren.

Bis für sein Gemälde der richtige Platz gefunden war, hatte Kuratorin Catharina Geiselhart bereits Stunden vor dem Bildschirm verbracht. Dort hatte sie unzählige Male die virtuellen Stellwände und Bilder hin und her geschoben. Die 45 Bilder, Fotografien, Drucke, Zeichnungen und Skulpturen sollten schließlich "trotz der Vielfalt zu einer stimmigen Ausstellung integriert werden", so die Kunsthistorikerin. Was auf dem Computer relativ einfach ging, musste in der Realität noch nachjustiert werden. "Die Farben waren nicht kalibriert", bedauerte Geiselhart. Das bedeutet, dass Bilder in Wirklichkeit andere Farbtöne hatten. Schlimmstenfalls passten sie nicht zu den zugedachten Nachbarbildern.

Kultur: Kunsthistorikerin Catharina Geiselhart kuratiert die Ausstellung.

Kunsthistorikerin Catharina Geiselhart kuratiert die Ausstellung.

(Foto: Nila Thiel)

Rechtzeitig zur Ausstellungseröffnung hat jedes Werk inzwischen seinen Platz gefunden. Im Erdgeschoss stehen zwei Holzskulpturen neben einem Tisch, auf dem Marianne Schweigler einen bunten "Blumenstrauß" aus räderförmigen alten Wasserhahngriffen gestellt hat. Im ersten Stock hängen die großformatigen Bilder, die allerdings auf 1,20 mal 1,20 Meter Leinwand beschränkt waren, "sonst hätten sie nicht auf die Stellwände gepasst", so die Kuratorin. Das Dachgeschoss ist den graphischen Werken, Holzschnitten und Lithografien vorbehalten.

Kultur: Martin Piehler stellt unter anderem die "Flucht der letzten Heiligen" im Schaufenster der VR-Bank aus.

Martin Piehler stellt unter anderem die "Flucht der letzten Heiligen" im Schaufenster der VR-Bank aus.

(Foto: Nila Thiel)

"Wir wollen den Künstlern der Region eine Plattform geben", erklärte Martin Piehler, der im Kulturverein für den Bereich "Bildende Kunst" zuständig ist. Er ist selbst Künstler und stellt regelmäßig beim "Herrschinger Kunstrausch" aus. Heuer hat er ein minimalistisch-abstraktes Frauenporträt in gelben und schwarzen Farbtönen mitgebracht.

Im Vorfeld waren alle Kunstschaffenden aus der Ammerseegemeinde angeschrieben und eingeladen worden. Am Ende stellen 29 Künstler auf drei Ebenen in der Scheuermann-Villa aus. Dazu kommen noch die Künstler, die ihre Werke in den Schaufenstern des lokalen Handels stellen. Es ist eine Idee, die während der Corona-Zeit entstanden ist und die der Kulturverein fortführen möchte. Martin Piehler hat beispielsweise eine Skulptur in das Schaufenster der VR-Bank gestellt. Dank eines neonfarbenen Klebebands, das wie ein Rahmen um das Kunstwerk geklebt wurde, erkennen die Passanten, wo es Kunst gibt. Den Künstlern kann man an diesem Wochenende in ihren Ateliers über die Schulter schauen. "Die offenen Ateliers stellen eine wunderbare Möglichkeit dar, Einblicke in die Arbeitsweisen und unterschiedlichen Techniken der Ausstellenden zu bekommen", so Geiselhart.

Am Freitag, 22. September, findet die Vernissage um 19 Uhr im Kurparkschlösschen statt. Die Ausstellung ist am Samstag und Sonntag, 23. und 24. September, jeweils von 11 bis 17 Uhr geöffnet. In dieser Zeit öffnen 20 Künstler und Galeristen aus Herrsching, Breitbrunn und Andechs ihre Ateliers. Am Samstag, 23. September, lädt Kunsthistorikerin Catharina Geiselhart um 15 Uhr zu einem etwa einstündigen Kunstspaziergang zu Ateliers und den Kunstschaufenstern im Ortskern ein (Treffpunkt vor dem Kurparkschlösschen).

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