Süddeutsche Zeitung

Jugendkriminalität am Ammersee:Randale am See

Die Gemeinde Herrsching kämpft mit Rowdytum und einer Drogenszene. Mobile Jugendarbeit könnte Abhilfe schaffen. Doch noch ist unklar, wie ein Streetworker finanziert werden soll.

Von Astrid Becker, Herrsching

Die Bilanz der Polizei Herrsching spricht für sich: 49 Straftaten sind innerhalb eines Jahres von Jugendlichen in Herrsching verübt worden, davon 25 im sogenannten öffentlichen Raum. Sachbeschädigungen waren darunter, Betäubungsmitteldelikte und sogar Körperverletzungen. Mehr in jedem Fall als im Vergleichszeitraum des Vorjahres von März 2017 bis März 2018, als 33 Straftaten auf das Konto von jungen Menschen gingen. Grund genug für den Gemeinderat, nun darüber nachzudenken, ob nicht der präventive Einsatz eines Streetworkers Abhilfe schaffen könnte.

Dass Herrsching ein "Drogenproblem" hat und mit Rowdytum kämpft, darüber waren sich die Räte in der Sitzung am Montag einig. Kein Wunder: Kenntnis davon besitzen sie schon lange, durch persönliche Beobachtungen, aber auch durch die Videos, die die Überwachungskameras der Gemeinde beispielsweise im Strandbad am Seewinkel aufgezeichnet haben. Material, das auch die Polizei kennt und auswertet. "Das dauert zwar seine Zeit, heißt aber nicht, dass junge Straftäter einfach so davonkommen", wie der Herrschinger Polizeichef Erich Schilling auf Anfrage der SZ sagt. Einer der Hauptverantwortlichen in Herrsching, ein 23-jähriger Mann, sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft. Ihm wird unter anderem Bedrohung vorgeworfen, nicht nur in Herrsching, sondern auch in anderen Dienstellenbereichen, wie Schilling sagt. Derzeit sei es aber ruhig in Herrsching.

Auch die Gemeinde selbst ist längst aktiv geworden. So hat der Rat bereits 2016 gegen "Rowdytum", wie es Schiller damals nannte, und gegen Alkoholexzesse im Kurpark mit einem Alkoholverbot am Ammerseeufer von 22 Uhr bis sieben Uhr morgens im Sommer reagiert. Zudem patrouilliert mittlerweile dort ein Sicherheitsdienst regelmäßig.

Doch so ganz glücklich sind einige Herrschinger darüber nicht. Der Betreiber des Kiosks "Bayerische Brandung", Miene Gruber, hatte im vergangenen Jahr mit der Aktion "Ein Glas Wein auf die Vernunft" gegen den seiner Meinung nach zu drastischen Herrschinger Weg protestiert - und Hunderte waren dem Aufruf gefolgt. Auch im Rat war am Montag die Rede davon, ob denn die "Brachialgewalt" eines Sicherheitsdienstes "nachhaltig" sei, wie es der SPD-Gemeinderat Hans Hermann Weinen formulierte, der als evangelischer Diakon auch für Kinder- und Jugendarbeit zuständig ist. Seine Fraktion hatte im Dezember den Antrag gestellt, einen Streetworker in eine Sitzung einzuladen, um sich über dessen Arbeitsweise zu informieren.

Der Einladung gefolgt ist nun Sebastian Matook, der in der Stadt Starnberg im Bereich mobile Jugendarbeit im Einsatz ist und in Herrsching einst als Jugendpfleger gearbeitet hat. Er ist es denn auch, der gleich mit einer möglichen Fehleinschätzung aufräumt: Streetworker, so sagt er, seien immer parteiisch für ihre "Klienten", und keine "Ordnungsmacht" wie Polizei und Sicherheitsdienste. Es gehe vielmehr darum, Jugendliche an Ort und Stelle in persönlichen Gesprächen zu erreichen, Vertrauen aufzubauen und als Teil der Jugendhilfe zu agieren. Der Rat will nun darüber nachdenken, ob und wie er mobile Jugendarbeit auch in Herrsching verwirklichen kann. Denn dafür müsste er auch eine entsprechende Stelle schaffen. Ein Gedanke ist nun, sich diese mit anderen Gemeinden an der S-Bahn-Linie 8 zu teilen. Ein Modell, das laut Matook andernorts bereits praktiziert wird.

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Quelle:
SZ vom 15.05.2019
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