Handwerksbetriebe in der Krise:Personalmangel, Inflation - und jetzt auch noch das

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Der hohe Energiebedarf und allgemein steigende Preise machen derzeit allen Bäckereien - hier die Bäckerei Kasprowicz in Pähl - schwer zu schaffen. (Foto: Georgine Treybal)

Handwerk hat "goldenen Boden", heißt es - wären da nicht die Umstände. Warum viele im Landkreis Starnberg nun um ihre Existenz fürchten.

Von Tim Graser, Herrsching

Franz Xaver Perteranderl kommt gerade aus Berlin, als er den Herrschinger Seehof betritt, und hat neueste Nachrichten im Gepäck: Mit 200 Milliarden Euro will der Bund die Energiekosten für Verbraucher und Unternehmen abfedern. "Ich hoffe, dass das kein Schnellschuss war", kommentiert der Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern das Hilfspaket der Regierung. An wirkliche Erleichterungen glaubt hier am Donnerstagabend niemand der Anwesenden.

Der CSU-Ortsverband hatte zur Diskussion über die Krisenlage der Handwerksbetriebe mit dem Handwerkskammerpräsidenten sowie der Landtagsabgeordneten und CSU-Kreisvorsitzenden Ute Eiling-Hütig geladen. Einige Handwerker sind gekommen, um sich Gehör zu verschaffen. Themen: Energiekrise, Inflation, zu viel Bürokratie und das seit langem schwelende Thema des Fachkräftemangels. Es gibt nicht nur viele Probleme, sondern vor allem auch viel Frust in einer Branche, die sich von der Politik im Stich gelassen fühlt.

Job mit Zukunft: Ein Bestatter ist der Einzige, der problemlos Auszubildende gefunden hat

Bäcker, Wäscher, Heizungsbauer, Bauunternehmer, sogar ein Bestatter ist gekommen - Letzterer ist übrigens der Einzige, der kein Problem hat, Auszubildende zu finden. Sein Beruf sei halt attraktiver als der der anderen, scherzt der Starnberger. Alle anderen klagen jedoch vernehmlich über den Mangel an Azubis, der die übrigen Probleme trotz allgemeiner Krisenstimmung auf dem Energiemarkt zu überschatten scheint: Viel zu viele Studenten und viel zu wenige Lehrlinge. Dieser Meinung ist auch ein emeritierter Universitäts-Professor, der sich unter die Mittelständler gemischt hat. "Bei uns ist quasi diskriminiert worden, wer einen nicht-akademischen Beruf macht", sagt der Jurist, und beschreibt damit das dahinterliegende Problem, das an diesem Abend sehr deutlich wird: Die handwerklichen Berufe werden nicht mehr wertgeschätzt.

"Es ist ganz wichtig, dass wir die Bedenken und Befürchtungen ernst nehmen", findet Ute Eiling-Hütig (CSU). (Foto: Franz Xaver Fuchs)

"Mit den Energiepreisen steht und fällt alles"

"Wenn ein Akademiker in einem großen Auto daher kommt, hat er es geschafft. Wenn aber ein Handwerker in einem großen Auto kommt, ist er ein Halsabschneider" sagt Helmut Krüger - und bringt es auf den Punkt: ohne Studium kein Prestige. Als einer der wenigen vor Ort ist der Sanitär- und Heizungsbauer aus Starnberg heuer zwar nicht vom Fachkräftemangel betroffen, von allen anderen Widrigkeiten aber auch. Erst Corona, jetzt die Energie- und Wirtschaftskrise. "Das erste Bein ist schon abgesägt - und wir arbeiten gerade am zweiten", fasst der frustrierte Handwerker die wirtschaftliche Situation zusammen.

Mit Blick auf den Winter rechnet er mit Stromausfällen. Einer seiner Kunden habe ihm erst kürzlich stolz erzählt, dass er sich vorsorglich 100 Elektroheizöfen zugelegt habe. Doch die funktionieren nicht ohne Strom. Nur "der Schwedenofen wird das einzige sein, was uns dann noch hilft", sagt Krüger. Stromausfälle hält auch Franz Xaver Peteranderl nicht für unwahrscheinlich. "Mit den Energiepreisen steht und fällt alles", sagt Ulrich Greimel, Bauunternehmer aus Breitbrunn. Vor allem Baustoffe seien im Preis erheblich gestiegen, die Zementproduktion etwa verschlingt enorme Mengen an Energie. In manchen Neubaugebieten wären laut Handwerkskammerpräsident sogar schon Grundstücke zurückgegeben worden, weil die Finanzierung für den Bau nicht mehr zu stemmen sei.

Kein Lehrling, teures Mehl und der Ofen auf Sparflamme

Die Probleme im Krisenzeitalter sind also vielfältig, wiegen aber - je nach Branche - mehr oder weniger schwer. Wilhelm Boneberger aus Gilching betreffen sie jedoch alle: Fachkräftemangel, Inflation und der hohe Gaspreis. Der Vorsitzende der Starnberger Bäckerinnung kann zu jedem Thema etwas sagen: Er findet keine Lehrlinge, kann das Mehl bald nicht mehr bezahlen und muss seinen Ofen auf Sparflamme betreiben. Bei ihm gehe es aktuell "ums Überleben und nicht mehr um Gewinne".

Die niedrige Wertschöpfung verschlimmere die Lage noch. "Uns Bäckern geht die Rendite gerade auf Null", sagt Boneberger. Das weiß auch Handwerkskammerpräsident Peteranderl: "Die wenigsten werden fünf Euro für ein Stück Kuchen bezahlen." Auch Boneberger würde einem Lehrling gerne 1100 oder 1200 Euro Gehalt im ersten Lehrjahr bezahlen - so, wie das einige Banken mit ihren Azubis machen können. Aber das bleibt für ihn nur Wunschdenken.

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