Herrsching:Handverlesenes Kabarett

Herrsching: Rechnet damit, dass es ihr Kleinkunstbrettl noch eine ganze Weile geben wird: Veranstalterin Monika Rother.

Rechnet damit, dass es ihr Kleinkunstbrettl noch eine ganze Weile geben wird: Veranstalterin Monika Rother.

(Foto: Arlet Ulfers)

Monika Rother betreibt in Gilching das einzige Brettl im Landkreis Starnberg. Bevor sie Künstler engagiert, muss sie sich erst einmal "in das Programm verlieben"

Von Gerhard Summer, Herrsching

Schon die Ansagen haben was von Kabarett. Monika Rother, eine Frau mit stattlicher Figur, steht in einem geblümten Kleid im Vitus-Stüberl und erzählt mit hoher Stimme, wer als nächstes in ihrem Brettl gastieren wird, also zum Beispiel Holger Paetz, Claus von Wagner und Christian Springer. Oder auch Dr. Gerd Habenicht, der Mann heißt wirklich so, er hat in Gilching schon den kompletten "Ring" in Limericks mit Klavierbegleitung vorgetragen und über "Heinz Erhardt in der Oper" referiert.

Ja, sagt die "Kultur-Moni", der liebe Habenicht habe zwei, drei Aussetzer am Abend, das also schon. Aber der Besuch lohne sich auf jeden Fall, zumal dieser Auftritt Habenichts letzter sein könnte, er sei ja nicht mehr der Jüngste. Längst ist ein weiterer Herr mit Doktortitel an Rothers Seite geeilt, der drahtige kleine Dr. Lutz Mauer. Und er hält so beflissen ein Werbeplakat in die Höhe, als gebe es heute Abend nichts Wichtigeres auf dieser wackeligen Welt, als in dem rustikalen Stüberl neben Monika Rother parat zu stehen.

Klar, auch andere Veranstalter beten gerne ihr Programm herunter, bevor der Comedian oder Musiker an der Reihe ist. Aber kaum einer bekommt das so skurril und liebenswürdig hin wie Rother, die einzige Brettl-Chefin im Landkreis Starnberg, und ihr Gehilfe. Wer öfters in den Oberen Wirt kommt, dürfte schon auf diese kultige Einlage warten, die durchaus zu Rothers Erfolgsgeheimnissen gehört. Denn so wenig diese Programmvorstellung eine Allerwelts-Ansage ist, so wenig hat Rothers Spielplan mit beliebig zusammengewürfeltem Kabarett zu tun. Nein, was die gelernte Englisch- und Französisch-Übersetzerin präsentiert, ist handverlesen. "Ich muss mich verlieben in das Programm, ich bewerbe das ja mit Leib und Seele, und ich könnte anderen nichts verkaufen, was mir selber nicht gefällt", sagt sie.

So gesehen dürfte ihr Herz seit mehr als 20 Jahren rasen. Denn am 14. Februar 1997 hatte sie ihre erste Bühne in Mittelstetten im Landkreis Fürstenfeldbruck eröffnet, in Lorenz Karls "Gaststätte zur Post". Sie kann dazu auch eine Geschichte erzählen, sie handelt von einem Wirt, der sich zu seinem 50. Geburtstag was gönnen will. Vielleicht Kabarett? Ja warum nicht! Aber das erklärt kaum, warum eine Englisch- und Französisch-Dolmetscherin, die sieben Jahre für die Münchner Rückversicherung als Fremdsprachenkorrespondentin gearbeitet hat, mit einem Mal die kleine und die große Kunst entdeckte. Gut, daran war der Tiger Willi schuld, der wunderbar über das gnadenlose und geile Leben singende Wilhelm Raabe aus Steinebach. Im Oktober 1995 war Rother bei einem seiner Konzerte, damals spielte er noch mit dem Gitarristen Bonzo Keil. Nein, sie sagt nicht Oktober 1995. Sie sagt: 29. Oktober 1995, denn Rother hat alle Daten parat, die ihr wichtig sind, die "Schicksalsdaten". Jedenfalls: Der Tiger hat sie weggeblasen, sie ging vor Begeisterung in die Knie, so schrill und hemmungslos gab sich dieser Songpoet. Ein Jahr später war sie seine Managerin. Und als ihr Michael Well von der inzwischen aufgelösten Biermösl Blosn bei seinem Geburtstagsfest zuredete, selber was aufzuziehen ("Weißt, was du brauchst: eine alte Garage oder ein altes Kino, dass du eine Bühne hättest"), beherzigt sie den Rat.

Es blieb nicht bei nur einer Station. Rother, eine gebürtige Rosenheimerin, die in Ottobrunn aufgewachsen ist und 1972 ihre Wahlheimat in Herrsching fand, hat längst ihr fünftes Brettl. Und wenn sie von Umzügen und Pächterwechseln berichtet, geht auf den Gesprächspartner ein Hagel von Daten nieder. 3. April 1998: Rother eröffnet in Raabes Wirtshaus in Steinebach ihre zweite Bühne. 604 Veranstaltungen organisiert sie, 13 Jahre lang geht alles gut. Parallel dazu führt sie mit Hans Schlegel von der Musikkneipe "Steinebacher" in Wörthsee von 2000 bis 2003 die Kabarett-Bühne im Prinzregent-Garten in Pasing. Doch im Mai 2011 passiert so etwas wie ein GAU: Das Landratsamt untersagt die Nutzung der Räume, weil es keinen zweiten Fluchtweg gibt. Mit sofortiger Wirkung.

Das Problem: Rother hat vier ausverkaufte Vorstellungen vor sich. Ein Konzert mit Nepo Fitz, dessen Vater Ali Khan und Mitmusikern ist schon für den nächsten Tag angesetzt. Das Brettl muss Hals über Kopf umziehen, Rother denkt nicht daran, die Abende schnöde abzusagen. Susi Paintmeier vom Alten Wirt in Etterschlag nimmt sie zum Glück auf. Und was nun folgt, ist wohl genauso typisch für die zupackende Rother wie ihre skurrilen Programmansagen: 120 Leute müssen über den abrupten Ortswechsel binnen 24 Stunden informiert werden, und sie verständigt alle persönlich, per Mail, per Fax und vor allem am Telefon. Viel geschlafen hat sie in diesen Tagen nicht. Sie sagt dazu nur: "Das Wichtigste war, dass es geklappt hat."

2015 schließt der Alte Wirt in Etterschlag, genauer gesagt am 31. Januar. Und Rother findet wieder eine neue Heimat: den Oberen Wirt mit seinem großen, 200 Leute fassenden Saal und dem kleinen Stüberl. Seit 10. März 2015 residiert die Kultur-Moni nun in Gilching, am 5. Oktober gibt es ein Jubiläum, die 100. Vorstellung. Christian Springer gastiert an dem Abend mit seinem Programm "Trotzdem" in Gilching, irgendwie passt der Titel auch zu Rother: Die Wirte kommen und gehen, Rother und ihre Kabarettfamilie bleiben.

An die 350 Gruppen und Kabarettisten in verschiedenen Formationen hat sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten gesehen. Ihre Favoriten? Monika Rother überlegt kurz, dann schaut sie auf und sagt : Ihre Lieblinge wolle sie nicht nennen, "denn da tut man den anderen weh".

Die Musikduo Mark'n'Simon eröffnet das Herbstprogramm in Gilching am 14. September. Nach dem ausverkauften Abend mit Luise Kinseher (21. September) folgt Musikkabarett mit Hudlhub (28. September). Beginn:20 Uhr. Karten: 08152/ 6446.

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