Neues Gymnasium in Herrsching:Die Baustellen-Direktorin

Lesezeit: 4 Min.

Vom architektonischen Konzept des Gymnasiums Herrsching ist die promovierte Sportwissenschaftlerin Eva Weingandt begeistert: Es entspricht ganz ihren eigenen Vorstellungen von moderner Lernkultur. (Foto: Landratsamt Starnberg)

Die neue Schule am Ammersee ist noch nicht fertiggestellt, doch die Leitungsposition ist bereits besetzt: Die Sportwissenschaftlerin Eva Weingandt steht für innovative Lernmethoden. Doch zunächst soll sie am Aufbau der Schule mitarbeiten.

Von Astrid Becker, Herrsching

Normalerweise ist es doch so: Spricht jemand von einem „Traumjob“, wird man eher ein wenig hellhörig. Was verbirgt sich hinter so einer Aussage? Ein böser Chef? Zu schlechte Bezahlung oder sonstiger Unbill, den es nach außen zu verbergen gilt? Im Falle von Eva Weingandt ist das anders: Wenn sie ihre neue Aufgabe als „Traumjob“ bezeichnet, glaubt man ihr das sofort. Da erklingt tiefe Freude und Begeisterung in ihrer Stimme, wenn sie über das Gymnasium Herrsching spricht. An der neuen Schule wird sie künftig die Direktorin sein.

Gerade kommt die sympathisch wirkende Frau mit den auffallend langen, blonden Haaren von einem Termin in München beim Architekturbüro Schürmann Dettinger zurück. Sie ist unter anderem schon deshalb so früh berufen worden, um an der Gestaltung der Schule mitzuwirken. Wahrscheinlich einer der Hauptgründe, warum sie ihre neue Position als „die attraktivste Tätigkeit in ganz Bayern“ beschreibt. Von 1. August an steht sie an der Spitze der neuen Schule – teilweise, zumindest vorerst. Aus nachvollziehbarem Grund: Das neue Gymnasium wird seine Pforten für Schülerinnen und Schüler vor 2025 nicht öffnen. Bis dahin soll Weingandt maßgeblich am Aufbau der neuen weiterführenden Schule am Ammersee mitarbeiten – und nebenbei auch noch ein wenig in ihrem bisherigen Job als stellvertretende Schulleiterin im Gymnasium Gröbenzell im Nachbarlandkreis Fürstenfeldbruck bleiben.

Auf ganze fünf Jahre wird sie am Ende vor ihrem Wechsel nach Herrsching zurückblicken können, eine schöne und lehrreiche Zeit mit sehr vielen Erfahrungen habe sie dort verbracht, sagt sie. Allein in der Corona-Zeit, mit der sie dort eingestiegen sei. Aber Herrsching? Tja, das übe schon lange einen besonderen Reiz auf sie aus. 2016 hatte sie – damals noch als Mitarbeiterin der Schulleitung am Christoph-Probst-Gymnasium in Gilching – erstmals vom Vorhaben, ein neues Gymnasium in der Ammerseegemeinde zu bauen, gehört. Seither verfolgte sie die gesamte, nicht immer einfache Entwicklung rund um das Projekt „Damals war es ja nicht so ganz klar, ob und wann aus dem Vorhaben etwas werden würde“, sagt sie. Als dann aber die Ausschreibung für den Posten der Direktorin erfolgte, „bin ich zu meinem Schulleiter in Gröbenzell gegangen und habe gesagt: Das will ich machen.“ Im Februar bewarb sie sich, vor sechs Wochen kam die Zusage. Ihre erste Reaktion: „Ich war überwältigt, ich konnte gar nichts sagen.“ Später ging sie mit der Familie feiern. Weingandt lebt in München, hat einen Mann und zwei Kinder, 16 und 21 Jahre alt.

Blickt man in Weingandts Vita, ist die Entscheidung für sie nachvollziehbar: Sie wuchs in der Oberpfalz auf und studierte dann an der Universität Bayreuth. Nebenbei arbeitete sie auch als Fitnesstrainerin und Ausbilderin, was letztlich zu ihrem Promotionsthema führte: „Qualitätsmanagement im Schulsport und im Fitnesstraining“. Ihre Erkenntnisse nutzte sie nach ihrer Promotion 2005 im universitären Bereich und in der Lehrerfortbildung. Zusätzlich absolvierte sie den Masterstudiengang „Schulmanagement“: „Oberflächliches Wissen reichte mir noch nie“, sagt sie. Viele Jahre arbeitete sie dann als Leiterin eines Teams, das sich mit dem Qualitätsmanagement an bayerischen Schulen befasste: „Da bin ich viel herumgekommen und habe viele Schulen recht genau kennengelernt“, erzählt sie. Ihre Vorstellung, was eine gute Schule wirklich ausmache, habe sie durch private Erfahrungen als Mutter ergänzen können.

Diese Visualisierung zeigt, wie das Gymnasium nach seiner Fertigstellung aussehen soll. (Foto: schürmann dettinger architekten/Jonas Bloch (Visualisierung))

Doch was ist eigentlich eine gute Schule? Eine, die nicht nur Wissen vermittele, sondern auch Werte, wie Weingandt sagt: Fairness etwa, Zuverlässigkeit – und klare Kommunikation. „Ich versuche, meine Werte auch deutlich zu leben. Da mag so manches, was ich sage, sehr klar sein und damit unbequem, aber ich sehe das nun einmal als meinen Auftrag an.“ Dazu zählt für sie die Vorbereitung junger Menschen auf die Anforderungen des 21. Jahrhunderts, bei denen Teamarbeit, Kreativität und kritisches Denken im Mittelpunkt stehen. Weil die Jobs der Zukunft anders sein würden als heutzutage, sagt sie.

Dies alles will sie den bis zu 1000 erwarteten Schülerinnen und Schülern, die in Herrsching aufgenommen werden können, näherbringen. In einer Schule, in der mit einem besonderen Lernkonzept modernere Wege beschritten werden sollen. Auf Phasen der Wissensvermittlung folgen laut Weingandt dabei Phasen innovativer Lernwege, die in Phasen der Präsentation neu erworbenen Wissens münden. Lehrer spielten dabei eher die Rolle von Lernbegleitern, Schüler und Schülerinnen würden als „Lernpartner“ angesehen werden.

Landrat Stefan Frey gratuliert Eva Weingandt zu ihrer Berufung als Direktorin. (Foto: Landratsamt Starnberg)

Lehrkräfte sollen gemeinsam im Team innovative Lerndesigns entwickeln und Leistungsbemessungskonzepte erarbeiten: „Ich halte mich in diesem Punkt für einen kreativen Menschen – auch wenn ich nur mittelmäßig malen kann“, sagt sie und lacht. Fragt man sie nach ihrem Traumteam an der neuen Schule, hofft sie in der Anfangsphase auf 70 bis 80 Lehrkräfte und möglichst viele Bewerbungen. Weingandt, die sich in ihrer Führungsrolle als Teamkoordinatorin versteht, will sich, wenn sie ihren Job offiziell angetreten hat, eine entsprechende E-Mail-Adresse zulegen: „Ich wünsche mir, dass sich viele von Januar 2025 an melden werden und wir uns dann kennenlernen können.“ Denn schließlich hat sie ein Vorschlagsrecht beim Kultusministerium, das bestimmt, wer künftig in Herrsching unterrichtet.

Wer aus ihrer Sicht für Herrsching geeignet ist? Die Antwort fällt Weingandt nicht schwer: Menschen, die Fehlertoleranz mitbrächten, die Lust auf Arbeit im Team, auf kreatives Denken und Ausprobieren haben sowie „die Bereitschaft zum Teilen“, wie sie die Grundvoraussetzung für eine gesunde Zusammenarbeit beschreibt. Und etwas, was auch den Schülerinnen und Schülern vermittelt werden soll: Die Stärkung von Beziehungen, so sagt sie, sei eine elementare Bedingung von Wohlbefinden, was wiederum eine wichtige Grundlage für Leistung sei. Eine Haltung, die sie gern fest in der Gesellschaft verankert sähe – ebenso wie Klimaschutz, den sie in Herrsching großschreiben will. Ihr bisheriger Einsatzort in Gröbenzell etwa will „Klimaschule“ werden. Diesen Ansatz könnte sich Weingandt auch für Herrsching vorstellen. Und natürlich möchte sie das Thema digitale Transformation sinnvoll vorantreiben: „Digitale Möglichkeiten müssen dort eingesetzt werden, wo sie einen Mehrwert ergeben – beim individualisierten Lernen etwa, zur Nutzung neuer Technologien wie Lernplattformen und KI, sowie bei der Vereinfachung von Abläufen.“

Wenn sie so erzählt, ist ihr die Vorfreude auf ihre neue Aufgabe deutlich anzuhören. „Es ist einfach etwas anderes, Leiterin einer etablierten Schule zu sein als mitzuwirken, eine Schule aufbauen.“ Und wenn es ihr und dem „Team Herrsching“, wie sie es schon jetzt nennt, noch gelänge, dass die ersten Abiturientinnen und Abiturienten die Schule als Ort nennen würden, an dem sie „gerne gelebt und gelernt haben“, dann hätten sie alles richtig gemacht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusFische im Badesee
:Wer schwimmt mit uns im Starnberger See?

Badegäste teilen sich das Wasser mit winzigen, aber auch recht großen Fischen. Manche haben einen ziemlich schlechten Ruf. Wem Schwimmer begegnen könnten - ein Überblick.

Von Astrid Becker, Jaqueline Kuhn, Katja Schnitzler und Dominik Wierl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: