Nein, sagt Christian Schiller, sprechen würde man mit ihm zu dem Thema nicht. "Ich kriege überhaupt nichts mit", sagt der Herrschinger Bürgermeister, wenn man ihn auf die Zukunft der Finanzhochschule in seinem Ort anspricht. Wann die Schule endgültig aus Herrsching wegverlegt wird? Was danach mit dem Gebäude passiert? Alles unklar, sagt Schiller. Nur in einem ist sich der Kommunalpolitiker ziemlich sicher: "Ich vermute, dass uns die Finanzhochschule noch sehr lange erhalten bleiben wird."
Als die Bayerische Staatsregierung vor zwei Jahren final beschloss, die Finanzhochschule von Herrsching in das strukturschwache Kronach zu verlegen, gab es einen relativ klaren Fahrplan: Bis zum Jahr 2030 soll der Umzug über die Bühne gehen, hieß es damals. Seitdem allerdings hat sich wenig getan. Das zuständige Finanzministerium teilt auf SZ-Anfrage mit: Weil nun doch die gesamte Schule und nicht nur ein Teil in Kronach untergebracht werden soll, könnte sich der Neubau dort verzögern, da die Planungen daran angepasst werden müssen.
Der Umzug kann aber logischerweise erst erfolgen, wenn das Schulgebäude in Kronach bezugsfertig ist. Die Frage, wann damit voraussichtlich zu rechnen ist, lässt das Ministerium unbeantwortet. Die Behörde teilt lediglich mit, für den Umzug werde "ein Zeitraum bis 2030 angestrebt". Überhaupt seien "konkrete Aussagen zum Gesamtzeitplan, zur Fertigstellung und dem Zeitplan für den Umzug" nach derzeitigem Stand "leider nicht möglich".
Dabei erregt das weitere Schicksal der Finanzhochschule und ihrem markanten Gebäude in der Rauscher Straße nach wie vor großes Interesse. Ein Freitagnachmittag im Juli, über dem Reichsadler steht die Sonne. Etwa 50 Menschen sind zur Führung von Kreis- und Gemeindearchivarin Friedrike Hellerer gekommen. Dabei geht es um die NS-Zeit insgesamt in der Gemeinde - aber der Startpunkt ist an der Finanzhochschule.
1935 wurde in dem Gebäude in der Rauscher Straße die "Reichsfinanzschule" eröffnet. Kopf dahinter: Fritz Reinhardt, Staatssekretär im Reichsfinanzministerium. Reinhardt hatte den Auftrag, ein Steuer- und Finanzwesen nach den Vorstellungen der Nazis aufzubauen. Dafür brauchte es Schulen wie in Herrsching. Neben der Ausbildung der Finanzbeamten fungierte der Standort Herrsching auch als Reichsrednerschule, an der zahlreiche Redner ausgebildet wurden, die die NS-Propaganda ins Land trugen.
Zurück in die Gegenwart, zurück zum Julinachmittag, zurück zum Reichsadler über dem Eingang. Soll er bleiben oder weg? Und was passiert mit der Schule? Die Antwort auf die zweite Frage ist relativ einfach: niemand weiß Genaues. Über die erste Frage dagegen wird in Herrsching schon seit Jahren diskutiert, auch Hellerers Gruppe ist sich über diese Frage nicht einig. Die Historikerin dagegen hat eine klare Meinung: Der Adler muss bleiben. "Solange er da ist, kommen Fragen", sagt Hellerer. Und solange die Fragen kommen, gerät die NS-Geschichte des Gebäudes nicht in Vergessenheit.
Auch für Bürgermeister Schiller stellt sich die Frage nach der weiteren Nutzung des Gebäudes, wenn die Schule dort eines Tages nicht mehr untergebracht sein sollte. Konkrete Vorstellungen dazu hat Schiller noch nicht. Aber es gäbe eine Menge Schwierigkeiten, über die man im Vorfeld sprechen müsste: Der Denkmalschutz, die Erschließung des etwas abgelegenen Baus, die nahen Wohnhäuser. Alles Voraussetzungen, die ein durchdachtes Konzept erfordern, sagt Schiller.
Nur ist dafür nicht er, sondern die Staatsregierung zuständig, das Anwesen gehört dem Freistaat. Schiller würde sich deshalb wünschen, dass die zuständigen Stellen mit der Gemeinde rechtzeitig Kontakt aufnehmen würden - nur dann könne man sich gemeinsam Gedanken über die Zukunft des Gebäudes machen, meint der Bürgermeister. Vom Finanzministerium heißt es dazu: "Die Frage nach einer angemessenen Nachnutzung der Immobilie in Herrsching" werde "zu gegebener Zeit entschieden".