Herrsching:Erfolgreicher Neustart

Johannespassion in der Nikolauskirche

Unter der Leitung von Dirigent Anton Ludwig Pfell gelangt die Johannes-Passion in der Kirche St. Nikolaus auf eindringliche Weise zur Aufführung.

(Foto: Franz-Xaver Fuchs)

Der Kirchenmusiker Anton Ludwig Pfell überzeugt mit der Aufführung der Johannes-Passion in Herrsching. Tenor Kevin Conners und andere bewährte Solisten interpretieren in St. Nikolaus Bachs Werk

Von Reinhard Palmer, Herrsching

Immer wieder erstaunt es, dass selbst dieses Werk fast hundert Jahre nicht aufgeführt wurde und, wie Bachs Kompositionstechnik überhaupt, nur in Fachkreisen die adäquate Wertschätzung genoss. Die Johannes-Passion, am Karfreitag 1724 uraufgeführt, ist weit mehr als die biblische Erzählung der Leiden Christi. Es ist vielmehr eine emotionale Ausdeutung der zentralen Aussage des Christentums über die Nebenschauplätze, die durch Anton Ludwig Pfell, den neuen Kirchenmusiker in Herrsching, auf eindringliche Weise zur Aufführung gelangte.

Was in der Uraufführung in der Leipziger Nikolaikirche erklungen und nun in St. Nikolaus zu hören war, unterschied sich wahrscheinlich in der Werkversion, ist doch der Autograph bedauerlicherweise nicht erhalten. Doch in der musikalischen Theatralik des 18. Jahrhunderts dürfte Pfells Interpretation der einstigen Auffassung kaum nachgestanden haben. Bewährte Solisten, die schon in Andechs einige Aufführungen unter Pfells Dirigat bestritten haben, sorgten hier für die Emphase in den Worten, die ohne Johannestreue von Bach überaus poetisch und musikalisch gewählt sind.

Allen voran der Tenor Kevin Conners, Mitglied der Bayerischen Staatsoper, der mit einer fesselnden Erzählung alleine in seinen stimmakrobatischen Rezitativen das Auf und Ab zwischen dem dramatischen Geschehen und der versöhnlichen Heilsbotschaft die Ausdrucksskala absteckte. Mit seiner klaren Diktion erwies er sich als verlängerter Arm Pfells, und mithilfe eines straffen Continuo - Thomas Tyllack (Violoncello) und Klemens Schnorr (Orgel) - auch ein entschiedener Motor der Aufführung.

Die Schwerpunkte der Interpretation galten einerseits den energetischen Spitzen des Werkes, die in der Drastik der biblischen Geschehnisse vor allem mit den Turba-Chören an Schärfe nichts verschenkten, auf der anderen Seite den zarten Rücknahmen, die in austarierter Stimmenbalance die mitfühlende Seele auf den Plan riefen und vom Projektchor der Pfarreiengemeinschaft Herrsching, Breitbrunn und Widdersberg erstaunlich sicher bewältigt wurde, gemessen an der Kürze der Zusammenarbeit. Auch die Camerata Langmann unter der Leitung der Geigerin Johanna Langmann fand nach einem etwas kühlen Eingangschor schnell zu Einfühlsamkeit und dramaturgischer Differenzierung.

Es war gewiss kein Zufall, dass Pfell für die Solopartien Sänger ausgewählt hat, die nicht nur im Konzertfach glänzen, sondern auch reichlich Erfahrung mit Opernpartien mitbrachten. Der Gewandtheit im Rollenspiel war hier zu verdanken, dass die lyrischen Arien Bachs fern jeglicher Romantizismen blieben und im Fluss der Erzählung entsprechend stimmige Zäsuren setzten: Susanne Winter (Sopran) straff, aber in schwebenden Höhen melodiös; mit unterschwelliger Unruhe und Erregung hinterlegt der runde, kraftvolle Alt von Rita Kapfhammer; majestätisch und von plastischer Tiefe Raphael Sigling als Christus-Bass. Simon Schnorr - Bariton in der zweiten Basspartie - unterschied sich mit fast liedhafter Empfindsamkeit wie auch impulsiver Vertiefung in den rhetorischen Duktus deutlich im Timbre von Sigling, wodurch die Farbigkeit des Vokalensembles zusätzliche Nuancen gewann. Differenzierung war nicht nur in dieser Aufführung ein wichtiger Aspekt für Pfell. Auch in den Chorälen suchte er mit unterschiedlichen Stimmungen den Wortgehalt zu unterstreichen und den Inhalten nachzugehen.

Dass hier ein Erstversuch am Anfang der Aufbauarbeit über die Bühne ging, geriet über weite Strecken in Vergessenheit. Nach langer Durststrecke dürfte die Kirchenmusik in Herrsching nun an Bedeutung deutlich zulegen.

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