Herrsching:Die Missionarin

Hande Özyürek will moderne türkische Klassikkomponisten in Deutschland ebenso bekannt machen, wie die gehobene Küche ihres Landes. In Herrsching eröffnet die Geigerin darum ein Lokal.

Patrizia Steipe

Hande Özyürek in ihrem Lokal Gradiva

Hande Özyürek ist nicht nur virtuos auf der Geige. Die Solistin ist auch kreativ in der Küche. In ihrem neuen Lokal in Herrsching kümmert sie sich sowohl um die Auswahl der Musik, als auch um die Speisekarte. Foto: Fuchs

(Foto: STA Franz X. Fuchs)

Hande Özyürek hat eine Mission. Die Musikerin möchte nicht nur zeitgenössische türkische Komponisten in Deutschland bekannt machen, sondern auch die gehobene türkische Küche. Seit ein paar Monaten hat sie in der Herrschinger Mühlfelderstraße das Restaurant "Gradiva" eröffnet. Gradiva nach dem bekannten römischen Relief, das eine vorwärtsschreitende junge Frau darstellt, wobei im Herrschinger Geschäftslogo das "d" eine stilisierte Geige ist.

Seit rund 15 Jahren wohnt die Türkin in Deutschland. "Ich habe festgestellt, dass hier die türkische Küche kaum bekannt ist", bedauert sie. "Außer Döner scheint es für die Deutschen nichts zu geben." Das soll jetzt anders werden. Die Idee, zusätzlich zur Musik ein Restaurant zu eröffnen, hatte Özyürek schon lange. Gutes Essen ist ihr sehr wichtig, und die türkische Kultur liegt ihr am Herzen. Die Violinistin ist viel auf Konzertreisen unterwegs. "Vor oder nach meinen Auftritten gehe ich immer in ein gutes Restaurant", erzählt sie. Da es in der Ammerseegegend rund um Herrsching kein gehobenes türkisches Restaurant gibt, beschloss sie kurzerhand, selbst eines zu eröffnen.

Dabei ist Hande Özyürek (Jahrgang 1976) eigentlich mit ihrem Beruf als Musikerin vollends ausgelastet. In Istanbul hat sie im Alter von 19 Jahren das Konservatorium abgeschlossen - und zwar mit der höchsten Auszeichnung. Anschließend setzte sie ihr Studium in Detmold fort. Sie hat Preise bei internationalen Wettbewerben gewonnen, wurde 2003 mit dem Türkischen Kulturpreis ausgezeichnet. Im Jahr 2007 gewann sie den Internationalen Musikwettbewerb in Wien. Sie tourt als Solistin durch ganz Europa und ist als Konzertgeigerin beim Bayerischen Rundfunkorchester angestellt. Ihr Tag ist also gut ausgelastet.

Doch damit noch nicht genug: Darüber hinaus lehrt Hande Özyürek als Professorin an der Musikhochschule in Istanbul, wo auch ihre Familie lebt. Besondere Anerkennung hat sich die Künstlerin für ihre CD erworben, auf der sie die kompletten Werke für Violine und Klavier von Ahmed Adnan Saygun sowie Solo-Stücke von Özkan Manav und Babür Tongur herausgebracht hat. Das Album erschien bei Kalan Müzik, dem bedeutendsten Klassik-Label der Türkei.

Es gibt übrigens eine Anekdote, warum Hande Özyürek Geigerin geworden ist: "Eigentlich wollte ich viel lieber Klavier spielen", erinnert sich die Musikerin. Als kleines Mädchen habe sie jedoch bei einem Klassikkonzert im Fernsehen eine Geigerin in einem wunderschönen blauglänzenden Kleid gesehen. "Da habe ich mir gedacht, wenn ich diesen Beruf habe, kann ich auch solche Kleider anziehen", sagt sie.

In Herrsching wird Hande Özyürek immer wieder von ihren Gästen gebeten, ein Konzert im Lokal zu geben. Aber im Moment geht das nicht. Vor einigen Wochen hat sich die Violinistin den Arm gebrochen. "Ich kann erst fünf Minuten am Stück spielen", bedauert Özyürek.

Unfreiwillig bleibt dadurch mehr Zeit, das Lokal zum Laufen zu bringen und sich selbst um die Speisekarte zu kümmern. Fischgerichte, Vorspeisen und verschiedene Fleisch- und Spießvariationen mit klangvollen Namen wie Adana, Külbasti, Beyti oder Pirzola hat Hande Özyürek auf die Karte gestellt. Es gibt Frühstück, einen Mittagstisch, und auf der Abendkarte steht frischer Fisch. Die Speisen bereiten zwei angestellte Köche zu. "In der Musik nennt man das künstlerische Leiterin. So etwas bin ich in meinem Restaurant", erklärt die Geigerin. Dabei ist sie keine, die nur anschafft. "Die Wände habe ich selbst gestrichen", sagt sie. In Spachteltechnik. Zum Streichen hatte die Türkin zuvor nur ihren Geigenbogen in der Hand gehalten und auch die Deko trägt die Handschrift der Künstlerin.

Viel Wert legt die Musikerin natürlich auf die Hintergrundmusik im Lokal. Dafür hat sie eine umfangreiche Playlist mit Pop, Jazz und Klassik zusammen gestellt. "Ich betrachte meine Gäste und überlege mir dann, welche Musikrichtung ihnen wohl gefällt, das wird dann gespielt", erklärt Özyürek.

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