Es sind mindestens drei: zwei Wohnungen, die derzeit auf dem Markt zur Miete angeboten werden, eine zum Verkauf. Die Rede ist von Immobilien am Mitterweg in Herrsching. Studiert man die Anzeigen in den einschlägigen Immobilienportalen im Internet, wird man schöne Bilder finden, mit Ausblick auf eine grüne Wiese und die Sankt Nikolaus-Kirche. Doch grün ist die „Schüblerwiese“, wie sie von den alteingesessenen Herrschingern genannt wird, schon seit gut einem Jahr nicht mehr. Die Grasnarbe ist abgetragen, man schaut auf kiesigen Grund und einen Bauzaun, der das einstige Idyll umrahmt.
Aus gutem Grund: In den kommenden zwei Jahren soll hier bezahlbarer Wohnraum entstehen – ein vorerst noch immer recht seltenes Vorhaben in einem Landkreis wie Starnberg, der zu den teuersten in Deutschland gehört. Denn Bauherr und künftiger Vermieter wird eine Kommune sein, nämlich die Gemeinde Herrsching. Freilich gehört das Thema Wohnen zu den Pflichtaufgaben, und freilich regelt die Bayerische Verfassung in ihrem Artikel 106, Absatz 1, dass jeder ein Recht auf eine angemessene Wohnung hat. Dennoch: Erschwinglicher Wohnraum in dieser Gegend ist schlichtweg Mangelware, die Nachfrage danach aber ungebrochen hoch – trotz aller Bemühungen des Verbands Wohnen, hier Abhilfe zu schaffen.
Ein Blick in die Immobilienportale für diese Gegend zeigt: Nur vereinzelt werden in der Ammerseegemeinde Herrsching noch rund 15 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete verlangt. Für ältere Wohnungen, wohlgemerkt. Neuere Immobilien oder gar Neubauprojekte schlagen dagegen längst mit 20 Euro und mehr zu Buche. Für Menschen, die beispielsweise als Polizistinnen und Polizisten arbeiten, in der Gemeindeverwaltung oder auch als Erzieherinnen und Erzieher, ist das kaum erschwinglich. Zudem ist das Angebot begrenzt.
Neu ist diese Entwicklung nicht, und neu ist auch nicht, dass diese in den Rathausverwaltungen im Fünfseenland mit Sorge betrachtet wird. Schon 2018 hatte etwa die Gemeinde Inning am Ammersee in ihrem Ortsteil Buch mit dem Bau eines Mehrfamilienhauses mit neun Wohnungen begonnen. Bürgermeister Walter Bleimaier hatte diese Investition damals damit begründet, wie schwierig es zunehmend werde, noch qualifizierte Mitarbeiter für das Rathaus, den Bauhof oder den Kindergarten zu finden, weil, wie er damals sagte, die Lebenshaltungskosten, vor allem die für Wohnraum, viel zu hoch seien für potenzielle Bewerber. Das Haus im Ortsteil Buch ist längst fertiggestellt und bezogen, weitere 20 bezahlbare Wohnungen in Inning sind bereits wieder in Planung. Mit dem Bau soll im kommenden Jahr begonnen werden.
Auch in Wörthsee wurde dem Mangel an erschwinglichen Wohnungen Rechnung getragen: Dort hatte die Kommune 2018 die Gaststätte „Kirchenwirt“ und die umliegenden 2700 Quadratmeter Grund an der Etterschlager und Weßlinger Straße erworben. 18 neue Ein- bis Vier-Zimmer-Mietwohnungen sind dort entstanden und seit Anfang 2024 bezogen. Die Vergabe an die Bürger erfolgte nach einem strengen Kriterienkatalog, den sich die Gemeinde selbst auferlegt hat.
So weit ist man in Herrsching noch nicht. Wer zum Zug kommen wird für eine der mit Sicherheit begehrten 26 Zwei-Zimmer- bis Vier-Zimmer-Wohnungen in einer Größe von 49 bis 110 Quadratmetern, muss noch genau festgelegt werden. Laut Bauamtsleiter Oliver Gerweck soll der Gemeinderat in einer seiner nächsten Sitzungen so einen Kriterienkatalog erarbeiten. Nach einem Punktesystem wird dann wohl entschieden, wer den Zuschlag für die Wohnungen erhält.
Fest steht allerdings schon, wie viel die Gemeinde für sie verlangen darf: 12,80 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete - was die Gemüter in Herrsching beruhigen dürfte. Denn zuletzt hatten neue Kostenrechnungen und die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Verwaltung für allerlei Unmut in der Bevölkerung gesorgt: Demnach hätte die Gemeinde als Vermieter bei einer Kaltmiete von 13 Euro pro Quadratmeter knapp 30 000 Euro im Jahr erzielt, bei 14 Euro pro Quadratmeter knapp 50 000 Euro, bei 15 Euro pro Quadratmeter sogar knapp 70 000 Euro. Doch über reale Miethöhen bestimmt nicht sie, sondern die Regierung. Denn das Vorhaben soll zu 35 Prozent staatlich gefördert werden. Und die 12,80 Euro waren der Gemeinde laut Bauamtsleiter erst vor Kurzem mitgeteilt worden.
Damit dürften sich sämtliche Berechnungen auf Wirtschaftlichkeit der Herrschinger Verwaltung zerschlagen haben, obwohl das Projekt längst um mehr als drei Millionen Euro teurer geworden ist als ursprünglich kalkuliert. Zunächst standen Baukosten von etwa zehn Millionen Euro im Raum. Mittlerweile spricht man offiziell nur noch von einem 20-Millionen-Projekt, das nach Plänen des Augsburger Büros „3+architekten“ auf dem 3000 Quadratmeter großen Areal umgesetzt werden soll.
In diese Summe eingerechnet ist aber auch der aktuelle Grundstückswert, der sich laut Gerweck am Bodenrichtwert orientiert und sich derzeit auf knapp 6,9 Millionen Euro beläuft. Damit bleiben also reine Baukosten von 13,2 Millionen Euro, die die Gemeinde wohl nur mit einem Darlehen in Höhe von 6,2 Millionen bewerkstelligen kann. So zumindest die aktuellen Berechnungen.
Entstehen werden für diese Summe drei Baukörper mit jeweils einem massiven Erdgeschoss und zwei Obergeschossen in Hybridbauweise mit Außenwänden aus Holz mit Photovoltaik und Wärmepumpe. Insgesamt soll es neun Zwei-Zimmer-, zehn Drei-Zimmer- und sieben Vier-Zimmer-Wohnungen geben, die alle barrierefrei errichtet werden, zwei davon sogar rollstuhlgerecht. Es wird eine Tiefgarage geben sowie genug Abstellflächen für Fahrräder.
Die immer weiter steigenden Kosten und die Lage mitten im Zentrum hatten offenbar zunächst so manch einen Gemeinderat aufgebracht: Die FDP-Fraktion zeigte sich wenig begeistert davon, ein „Grundstück in unmittelbarer Nähe zu Kirche und Rathaus zur bloßen Schaffung von Wohnraum“ zu verwenden, wie es in ihrem Antrag hieß: Es werde als „zu wertvoll erachtet“. Deshalb forderte sie noch Anfang des Jahres, das Projekt wieder auf Eis zu legen. Mittlerweile jedoch scheint das Vorhaben nach insgesamt neun Bebauungsplanänderungen auch auf die Zustimmung der FDP-Fraktion gestoßen zu sein – nach langen Jahren der Diskussion, was mit der Schüblerwiese geschehen könnte.
Vor gut drei Jahrzehnten, erzählt Gerweck, sei das gesamte Areal dort verkauft worden: eine Hälfte an einen Bauträger, die andere an die Gemeinde. Für den gemeindlichen Teil hatte es sogar einen Ideenwettbewerb gegeben: Damals war noch von einem Marktplatz mit Kulturhaus die Rede. Darüber informiert waren auch die Bewohner, die in die vom Bauträger bereits Mitte der Neunzigerjahre fertiggestellten Wohnungen am Mitterweg eingezogen sind.
So manch einer davon, so ist in der Verwaltung zu hören, habe aber dennoch jetzt im Rathaus nachgefragt, was denn nun aus seinem Ausblick werde? Ob denn da der See noch zu sehen sein werde? Die grüne Wiese jedenfalls nicht mehr. Sie ist bereits verschwunden. Vielleicht ist dies der Grund dafür, warum derzeit gleich mehrere Wohnungen dort auf dem Markt angeboten werden. Vielleicht ist es aber auch die Furcht vor dem zu erwartenden Baustellenlärm: Zweieinhalb Jahre etwa werde die Realisierung wohl dauern, meint Gerweck. Beginn ist im Frühjahr 2025. Die Fertigstellung ist für den Herbst 2027 vorgesehen.