Sie halten Transparente in den Händen mit Aufschriften wie "Kompetenz statt Narzissmus", "Demokratie braucht Mut" oder auch ganz einfach "Gemeinderatsbeschlüsse umsetzen". Mehr als 20 Bürgerinnen und Bürger, Mitglieder und Freunde der mittlerweile aus einer Initiative formierte Verein "Pro Natur" haben sich am frühen Montagabend vor dem Rathaus in Herrsching platziert, um ihren Unmut über den Umgang mit dem Bürgerwillen auszudrücken. Im Kern geht es dabei vor allem um eine Baumschutzverordnung, für die sich der Verein und seine Mitstreiter starkgemacht hatten - und die es wohl so schnell trotzdem nicht geben wird.
Was ist geschehen? Die Geschichte beginnt spätestens im Frühjahr 2023, in dem relativ zeitgleich besonders viele Bäume in der Ammerseegemeinde abgeholzt werden. Ein sensibles Thema in einer Kommune, deren Bürger schon immer in ihre Bäume regelrecht vernarrt sind. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie viele wertvolle Exemplare allein die Seepromenade zieren, Schatten spenden, die Luft verbessern, Vögeln als Brutplatz dienen. Als beispielsweise 2016 eine dieser Silberweiden, ein mit rund 100 Jahren besonders alter, aber innen fauler Baum, nach einem Sturm gefällt werden musste, war bei vielen die Trauer groß: Auf dem Baum waren sie schon als Kinder herumgeklettert, hatten ihren ersten Kuss bekommen oder sich am Stamm den Liebeskummer von der Seele geweint. Selbst Bürgermeister Christian Schiller hatte der Verlust dieses Baumes schwer getroffen. Als er noch nicht schwimmen konnte, so erzählte er damals, hätten seine Eltern ihn nur an diesem Baum ins Wasser gelassen.
Sentimentale Erinnerungen sind das - für die Verantwortlichen von "Pro Natur" aber wohl wenig glaubwürdig. Denn sie sehen in Herrschings Rathauschef den erklärten Feind aller Bäume und mit ihm die gesamte CSU-Fraktion, die von den 15 Vereinsmitgliedern und ihren weitaus mehr Freunden - mindestens 80, die sich laut Karin Casaretto regelmäßig meldeten - nur mehr als "Betonfraktion" angesehen würden, wie sie sagen.

Karin Casaretto ist die Vorsitzende des aus einer Bürgerinitiative entstandenen Vereins "Pro Natur". Sie erzählt von ihrem eigenen Schock, als im Frühjahr 2023 nahe ihrem Haus am Kienbach im Zuge der Ufersanierung fünf alte, aber gesunde Bäume gefällt wurden. Das für die Sanierung verantwortliche Wasserwirtschaftsamt in Weilheim habe ihr damals erklärt, mit Baumschutzverordnung wären sicher ein paar davon stehengeblieben. Damit war der Wunsch nach einem solchen Instrument geboren - oder besser gesagt: In Herrsching wiedergeboren. 2005 hatte es eine solche Verordnung in der Ammerseegemeinde gegeben, die aber 2018 wieder aufgehoben wurde - weil das Landratsamt Starnberg sie damals als nicht mehr rechtskonform bewertete.
Mit den Fällungen am Kienbach, am Parkplatz des Hotels "Seehof" und im Gebiet "Am Fendlbach" kochte das Thema wieder hoch. Die Initiative sammelte Unterschriften und stellte Bürgeranträge. Gemeinderat und Rathaus befassten sich damit: Ein Arbeitskreis wurde gegründet, der aber bald wieder aufgelöst wurde. Die CSU-Fraktion zettelte ein Ratsbegehren an, um die Haltung der Bürger auch jenseits der Aktiven bei Pro Natur herauszufinden. Weil es sich dabei aber um eine von Bund an die Kommune übertragene Aufgabe handelt, erklärte das Landratsamt den Entscheid im November 2023 für unzulässig. Zu Recht: Denn das ist im Artikel 8 der Bayerischen Gemeindeordnung klar geregelt.
Bei Herrschings Baumschützern kommen diese Regelungen aber nicht gut an: Sie geben sich überzeugt davon, dass viele rechtliche Grundlagen in Herrsching nicht beachtet würden - etwa auch das Umsetzen von Gemeinderatsbeschlüssen. Casaretto und ihre Mitstreiter berufen sich gern auf ein Votum des Rates aus dem April 2023, nachdem eine Baumschutzverordnung im Entwurf bis April 2024 vorliegen und diskutiert hätte werden müssen. Dass in der Zwischenzeit aber viele Beschlüsse in dieser Sache gefasst wurden, die wiederum vorhergehende ersetzen - auch das regelt die Gemeindeordnung - wollen die Baumschützer nicht wahrhaben.
Vor allem, weil ihnen diese Beschlüsse kaum gefallen dürften: Denn was im einst existierenden Arbeitskreis Umwelt einigermaßen konstruktiv abgehandelt wurde, geriet nach dessen Auflösung zum Desaster. Im just dann umbenannten Bauausschuss in "Bau-, Umwelt und Infrastrukturausschuss" fiel nach langen Debatten ein mehrheitlicher - wenngleich knapper - Beschluss mit sechs zu fünf Stimmen, sich dort nicht mehr mit einer Baumschutzverordnung zu befassen. Im Gemeinderat fiel das Votum ähnlich aus: Auch dort stimmte eine weitaus deutlichere Mehrheit dafür, das Thema nicht mehr zu behandeln: weder im Ausschuss (14 zu neun Stimmen) noch im Rat (15 zu acht Stimmen). Damit ist eine Baumschutzverordnung zumindest für die Mandatsträger erst einmal vom Tisch.
Stattdessen setzen sie nun auf eine Grüngestaltungssatzung. Doch auch diese gilt es erst zu erarbeiten. Ob diese dann die Gemeinde wieder befriedet und eint, erscheint derzeit aber fraglich.