Solarstrom:Kraftwerke für jeden Balkon

Solarstrom: Schmuckes Beiwerk: Balkonkraftwerke liefern Strom für den eigenen Haushalt und fallen optisch keineswegs negativ auf.

Schmuckes Beiwerk: Balkonkraftwerke liefern Strom für den eigenen Haushalt und fallen optisch keineswegs negativ auf.

(Foto: Stefan Sauer/dpa)

Bei einer Veranstaltung in Herrsching zeigt sich: Das Interesse an Mini-Photovoltaikanlagen für den eigenen Haushalt ist enorm. Die Bundesregierung will diese Technologie politisch weiter fördern.

Von Linus Freymark, Herrsching

Jeder kann dieses Ding tragen, und um zu zeigen, dass das wirklich so ist, schreitet Gerd Mulert selbst zur Demonstration. 1,85 mal 1,05 Meter misst die Platte mit den Solarzellen; Mulert greift sie an den Seiten und hebt sie hoch. "Das kann man gut tragen", stellt er fest, wobei man davon ausgehen kann, dass es nicht das erste Mal ist, dass er so ein Solarpanel für den heimischen Balkon in die Höhe hebt. Denn als Vorsitzender der Energiegenossenschaft Fünfseenland ist Mulert quasi von Berufs wegen davon überzeugt, dass die Mini-Kraftwerke ein Stück Zukunft für die Stromerzeugung sein werden.

Dass er mit dieser Meinung nicht alleine dasteht, zeigt sich am frühen Donnerstagabend in der VR-Bank in Herrsching: Mulert hat gemeinsam mit der Wirtschaftsfördergesellschaft des Landkreises Starnberg, dem Landratsamt und der Bank zu einem Vortrag geladen. Als externer Experte ist Christian Ofenheusle aus Berlin zugeschaltet, der mit seiner Firma Empower Source nach eigener Aussage nichts anderes macht als "Balkonkraftwerke von morgens bis abends".

Sicher, die Veranstaltung ist nicht nur Information, sondern auch Werbung. Aber: Auch die Bundesregierung hat die Vorteile dieser Technologie erkannt und für dieses Jahr Erleichterungen bei der Installation von Balkonkraftwerken angekündigt. Auch deshalb ist der Veranstaltungssaal in Herrsching fast bis auf den letzten Platz gefüllt; mindestens 100, vielleicht sogar 150 Zuhörer sind gekommen.

"Die Steckdose wundert sich", scherzt Gerd Mulert

Balkonkraftwerke sind eigentlich eine recht einfache Möglichkeit, um Strom für den eigenen Haushalt zu erzeugen: Man schnallt ein oder zwei Solarmodule an eine geeignete Stelle, etwa den Balkon; die Größe lässt sich individuell anpassen. Diese produzieren durch Licht Gleichstrom, der wiederum mithilfe eines Wechselrichters in Wechselstrom umgewandelt wird, den man über die Steckdose in den privaten Stromkreislauf einspeisen kann. Der Strom kommt also nicht aus der Steckdose heraus, sondern fließt durch sie hinein, erklärt Mulert und scherzt: "Die Steckdose wundert sich." Funktioniert aber trotzdem.

Solarstrom: Gut handhabbar: Gerd Mulert (Mitte) präsentiert mit Cyrus Ahari von der VR-Bank, Josefine Anderer vom Landratsamt, Annette von Nordeck von der GWT Starnberg und Manuela Seeholzer von der VR-Bank eine Solarzelle für den Balkon (von links).

Gut handhabbar: Gerd Mulert (Mitte) präsentiert mit Cyrus Ahari von der VR-Bank, Josefine Anderer vom Landratsamt, Annette von Nordeck von der GWT Starnberg und Manuela Seeholzer von der VR-Bank eine Solarzelle für den Balkon (von links).

(Foto: Nila Thiel)

Nur eines geht damit nicht: sich ganz vom Stromnetz abzukoppeln und rein auf Eigenversorgung zu setzen. "Das ist kein System, das Autarkie herstellt", macht Mulert deutlich. Aber die Installation ist vergleichsweise einfach, und die Technologie liefert direkt nach dem Einbau Strom und wirkt sich so direkt positiv auf die eigene Stromrechnung aus. Einen "erlebbaren Nutzen" nennt Ofenheusle das.

Die Bundesregierung will Balkonkraftwerke weiter fördern

Bis zu 1000 Euro kostet ein solches Solarpanel. Verglichen mit einer großen PV-Anlage auf dem Dach sei das nicht viel, erklärt Ofenheusle, der Experte aus Berlin. Bereits nach fünf bis sieben Jahren könne man damit rechnen, dass man die Investition durch das gesparte Geld bei der Stromabrechnung wieder drinnen hat. Bei einer Lebenszeit von bis zu 25 Jahren zahle sich die Anschaffung also mehr als aus, argumentiert Ofenheusle. "Ein neuer Fernseher holt Ihnen das Geld nicht mehr rein", sagt er. "Dieses Gerät schon."

Doch wie so oft bei der Energiewende steht dem technologischen Fortschritt oft die deutsche Bürokratie im Weg. Das ist auch bei den Balkonkraftwerken so. Ein Beispiel: Wer sich dazu entschließt, eine solche Anlage zu installieren, muss diese bei seinem Versorger anmelden. Der kommt dann und baut einen neuen Stromzähler mit Rücklaufsperre ein, sofern man noch einen alten Zähler hat. Das bedeutet: Privat erzeugter Strom, den man nicht verbraucht, etwa weil man im Sommerurlaub ist, bringt einem nichts bei der Abrechnung. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will diese Regelung nun ändern. "Auch deutsche Stromzähler werden bald rückwärts laufen", kündigte er kürzlich in einer Talkshow bei Markus Lanz an.

Auch sonst plant die Bundesregierung weitere Schritte, um Balkonkraftwerke weiter zu fördern und attraktiver zu machen. So entfällt unter anderem beim Kauf die Mehrwertsteuer. "Die Minikraftwerke sind politisch gewollt", stellt Ofenheusle klar. Aber auch ohne diese zusätzlichen Anreize steht für Mulert fest: "PV-Anlagen sind wirtschaftlich", erst recht in diesen Zeiten, in denen die Strompreise durch die Decke gegangen sind und durch staatliche Eingriffe reguliert werden mussten.

Christian Ofenheusle hat in seiner Präsentation dann noch ein paar Beispielprojekte dabei, etwa aus Ulm: Ein schmuckloses Mehrfamilienhaus ist da zu sehen, an fast jedem Balkon sind die Mini-PV-Anlagen montiert. Hübscher wird das traurige Anwesen dadurch nicht unbedingt. Aber hässlicher wird es dadurch auch nicht.

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