Süddeutsche Zeitung

Bahnhof Herrsching:"Herr Vetter muss bleiben"

Vor 14 Jahren hat die Gemeinde Herrsching das Bahnhofsgebäude gekauft. Aber was macht man nun damit? Am Samstag konnten Bürger Vorschläge machen. Der dringendste Wunsch betrifft die Reiseberatungsstelle.

Von Tim Graser

An visionären Vorstellungen mangelt es nicht: Die Bahn solle bloß nicht verkaufen, heißt es da von den einen. Dann könne man in Herrsching die Strecke perspektivisch mit einem Tunnel Richtung Weilheim erweitern. Illusorisch, sagen da die anderen. Man müsse sich bloß einmal die Tunnelprojekte in Starnberg oder München anschauen. Die Meinungen gehen am Samstagvormittag in Herrsching also teilweise stark auseinander. Doch in einem sind sich alle einig: Das alte Bahnhofsgebäude muss endlich neu gestaltet werden. Die Bürgergemeinschaft Herrsching (BGH) hatte deswegen zur Diskussion und Ideensammlung auf den Bahnhofsvorplatz geladen. Wie stellen sich die Herrschinger ihren neuen Bahnhof also vor?

Jürgen Stadtlander wohnt in der Kienbachstraße in Sichtweite des alten Bahnhofsgebäudes. Als Mitglied des Herrschinger Seniorenbeirats hatte Stadtlander am Samstag viele Ideen für die Neugestaltung des alten Bahnhofsgebäudes im Gepäck: eine Gaststätte zum Verweilen, Besprechungsräume, möglicherweise auch eine Sozialhilfestelle. Oder eine "multifunktionale Einrichtung, wo Veranstaltungen für Bürger angeboten werden". Vor allem brauche es etwas für Senioren, so der 81-Jährige. Die Seniorenzentren in Starnberg oder Tutzing seien da tolle Beispiele. "Sowas haben wir hier noch nicht", sagte Stadtlander.

Über 100 Jahre alt ist das Bahnhofsgebäude mittlerweile. Jugendstil, das erkenne man eindeutig, beispielsweise an den historischen Fenstergittern, in denen Abbildungen von Libellen und Fischen zu finden sind - eine Anlehnung an den Ammersee, erzählt Friedhelm Kreis. Er wohnt seit 47 Jahren in einer der Wohnungen im oberen Geschoss des alten Bahnhofs und legt wert auf das historische Erscheinungsbild. Eine Gastronomie mit warmer Küche kann sich der Senior für den Neubau gut vorstellen.

Das Gebäude steht unter Denkmalschutz

An dem Erscheinungsbild dürfte sich sowieso nicht allzu viel ändern, denn das Gebäude steht unter Denkmalschutz. "Es ist sicherlich illusorisch, die Außenhülle komplett zu verändern", sagte dazu auch Gemeinderat und BGH-Mitglied Rainer Guggenberger. 2008 hatte die Gemeinde das Gebäude nach einem Rechtsstreit mit dem Wirt der ehemaligen Bahnhofskneipe erworben, doch erst vergangenes Jahr sei es von der Bahn als offizieller Bahnhof endwidmet worden, so Guggenberger. Das habe überhaupt erst die Voraussetzung geschaffen, das Gebäude sanieren zu können. Das im Besitz der Bahn befindliche, dicht bewachsene Gelände südlich des Bahnhofs würde die Gemeinde gerne noch erschließen und zum öffentlichen Platz ausbauen. Doch bisher hat die Bahn das Grundstück nicht verkauft. Seit zehn Jahren werde hier verhandelt, so Guggenberger.

Christiane Gruber von der Bürgergemeinschaft Herrsching hatte die Zusammenkunft am Bahnhofsplatz organisiert. Auf mehreren Pinnwänden sammelte sie die Ideen der Herrschinger. Unter einigen vorab verfassten Vorschlägen konnte man mit aufklebbaren Punkten seine Zustimmung signalisieren. Die Gemeinderätin hält einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren für die Sanierung für realistisch. "Wahrscheinlich ist 800 000 Euro eine Hausnummer", so Gruber auf Nachfrage zu den möglichen Kosten. Persönlich wünscht sie sich ein freundliches Tagescafé mit gutem Angebot für alle Altersgruppen.

Jung und Alt seien auch die Interessierten am Samstag gewesen. "Das Interesse und die Beteiligung ist generationenübergreifend da", sagte Gruber. Der Bahnhof sei die "Eintrittskarte in Mitten unseres Dorfs". Deswegen sei eine Neugestaltung allen Altersgruppen ein Anliegen. Zu dem Gespräch kamen zwar vorwiegend ältere Personen, doch auch einige junge Mütter hätten angehalten. Circa 40 Bürgerinnen und Bürger haben am Samstag das Gespräch gesucht. "Bei besserem Wetter wäre bestimmt noch mehr los gewesen", so Gruber.

Die Reiseberatung im Bahnhofsgebäude soll auf jeden Fall bleiben

Ein Anliegen hörte man am Samstag jedoch besonders laut: "Herr Vetter muss auf jeden Fall bleiben", forderte die Herrschinger Bürgerin Nora Böcker. Hansgeorg Vetter betreibt im alten Bahnhofsgebäude eine Reiseberatungsstelle für Bahnkunden und kennt sich mit den Bahntarifen bestens aus. "Der ist eine Institution", so Böcker. Ihr Ehemann Ernst schloss sich direkt an: "Der ist unverzichtbar, die Senioren brauchen eine Beratungsstelle." Der gleichen Meinung ist auch Karola Röttinger. "Der kann einem bezüglich Fahrkarten Auskunft über ganz Deutschland geben und verkauft sie auch noch persönlich." Sowas gebe es sonst nirgends mehr, so Röttinger. "Herr Vetter muss bleiben!", das steht auch auf Christiane Grubers Pinnwand. Die meisten Zustimmungspunkte kleben hier.

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