Herrsching:Kunst ist so viel mehr als Bilder an die Wand zu hängen

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Die Skulptur von Marianne Schweigler trägt den Titel 'Gleich und doch so verschieden'. (Foto: Georgine Treybal)

Der Künstlerkreis Ammersee widmet sich in seiner Jahresausstellung im Wasserturm der Beamtenfachhochschule dem Zustand der Welt.

Von Katja Sebald, Herrsching

Einfach Bilder an die Wand hängen und Skulpturen aufstellen, das war gestern. Kunst ist mehr: „… und so viel mehr“ heißt die aktuelle Jahresausstellung des Künstlerkreises Ammersee im Wasserturm der Beamtenfachhochschule in Herrsching. Die 22 Mitglieder, die ihre Arbeiten eingereicht haben, machen sich darin Gedanken über den Zustand der Welt. Sie wollen ihre Beiträge als Reflexion in Form von Gemälden, Grafiken, Skulpturen, Objekten, Fotoarbeiten, Installationen verstanden wissen, vor allem aber als Plädoyers „für Unabhängigkeit, Individualität und Nonkonformität“.

Das Thema ist also groß. Die Umsetzung kommt jedoch oft mit einer schönen Leichtigkeit daher.

So lässt etwa Daisy Fischer in ihrer Installation das „Bündnis der Zaunlatten (BdZ GbR)“ gegen den fehlenden Durchblick demonstrieren. Elke Hack bezieht sich in ihren Gemälden auf das autobiografische Buch „Jeder ist wer“, mit dem der Musikkabarettist Josef Brustmann derzeit in aller Munde ist. Für das Gemälde „Jedes ist anders“, das wie eine Patchwork-Decke 100 gezeichnete und gemalte Eichenblätter vereint, zitiert sie eine Passage aus Brustmanns Vorwort, in dem er wiederum auf Alexander von Humboldt verweist und schreibt: „Trotz gewissenhaftester, geduldigster Suche gelang es ihm nicht, zwei in Form und Größe identische Blätter an einem einzelnen Baum ausfindig zu machen.“

 „Wir sind alle gleich und doch verschieden“, schreibt auch die Bildhauerin Marianne Schweigler zu ihrer kleinen Figurengruppe. Mit feiner Großzügigkeit hat sie aus Ton Menschen in verschiedenen Lebensphasen geformt, mit unterschiedlichen Charakteren, Gemütszuständen, Gesichtsausdrücken und Körperhaltungen. Um „Vielfalt und Freiheit“ geht es auch Martina B’shary in ihren Collagen, für die sie Fotos und andere Bildfundstücke mit zeichnerischen und malerischen Elementen kombiniert und sich abseits der üblichen Denkmuster bewegen will.

Die Skulptur von Johannes Hofbauer. (Foto: Georgine Treybal)
Die 22 Mitglieder des Künstlerkreises Ammersee wollen sich abseits der üblichen Denkmuster bewegen. (Foto: Georgine Treybal)

Mit viel Humor nähert sich Ina Kohlschovksy dem Thema in ihrer Porträtserie von rosaschnäuzigen Ferkeln, die in übermütiger Bewegung herumtollen, mal hier und mal da sind und einfach „sauglücklich“ aussehen, so der Titel der Serie. Eher experimentell ist hingegen die Vorgehensweise von Cornelia Hesse. Sie hat aus unterschiedlichen Plastikverpackungen und transparenten Kunststoffen gleichsam immaterielle Objekte geformt, die ihren Reiz vor allem aus dem Spiel mit dem Licht beziehen. Mit „Light Dancer“ sind diese leichtfüßigen Arbeiten überschrieben.

Gleichsam archäologisch ist die Herangehensweise von Ernst Bachmaier, der die graffitiartigen Beschriftungen und Bemalungen der Kaimauern im Hafen von Horta auf der Azoreninsel Faial detailgenau ins kleine Format übertragen hat. Die Segler, die von hier aus den Atlantik überqueren, hinterlassen auf den Mauern Grußbotschaften oder Beschwörungsformeln für eine gute Überfahrt, die viele Jahre überdauern. Er habe dort auch Hinweise auf berühmte Seefahrer gefunden, schreibt der Künstler dazu, etwa auf den norwegischen Forscher Thor Heyderdahl.

Zudem gibt es auch künstlerische Beiträge zu sehen, die gerade durch das Einfache auf die Vielfalt verweisen wollen. „Das Einfache ist etwas Kostbares in unserer komplexen Welt“, schreibt etwa Kathrin Balling mit beinahe kalligrafischer Sorgfalt auf eine ihrer kleinen Leinwände. Für den Maler Gerd Eisenblätter aber ist der Ausstellungstitel „… und soviel mehr“ gleichsam die Beschreibung seines künstlerischen Schaffens: Seine aufs äußerste reduzierten, aus einigen wenigen Farbflächen bestehenden Bilder, die ohne jede malerische Geste auskommen, sind allenfalls Andeutungen von Landschaften oder Räumen. Sie lassen dem Betrachter die denkbar größten Möglichkeiten für seine eigenen Assoziationen. „Das wäre das Ziel“, schreibt Eisenblätter in seinem Statement: „Durch ein Weniger sollte ein Mehr entstehen.“

Die Ausstellung „… und so viel mehr“ ist noch bis zum 28. Juli 2024 jeweils montags bis freitags von 15 bis 18 Uhr sowie an den Wochenenden von 11 bis 18 Uhr zu sehen. Am kommenden Sonntag, 21. Juli 2024, gibt es außerdem von 14 bis 17 Uhr im Ausstellungsraum in der Beamtenfachhochschule an der Rauscher Straße 10 ein Künstler-Café.

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