Herrsching:Außerirdischer Nachhall

Stephan Maass hat den Stratosphären-Springer Felix Baumgartner musikalisch begleitet. Der Professor komponiert, probt und spielt - und unterrichtet sein Lieblingsfach Percussion.

Patrizia Steipe

Herrsching Stephan Maass

Maass und sein musikalisches Reich: Dank der modernen Technik passt sein digitales Studio in das kleine Arbeitszimmer im ersten Stock des Hauses in Herrsching. "Früher hätte ich einen Riesenraum benötigt", sagt er. Oft komponiert er bis in die frühen Morgenstunden.  Foto: Georgine Treybal

(Foto: Georgine Treybal)

HerrschingManchmal ist ihm die Stille hier am Köderbichl, einem abgelegenen Wohnviertel in Herrsching, zu ruhig. "Davon wache ich dann auf", berichtet Stephan Maass. Stille ist der Gegenentwurf zu seinem Leben. Maass ist Musiker und Professor. Seine Leidenschaft ist Percussion. Dank der modernen Technik passt sein digitales Musikstudio in das kleine Arbeitszimmer im ersten Stock des Einfamilienhauses. "Früher hätte ich einen Riesenraum benötigt", sagt er. Oft komponiert er bis in die frühen Morgenstunden oder tritt bei Konzerten auf. 700 Platten hat er bereits aufgenommen. Für die Umwelt sei es schwierig, mit diesen "anderen Jobstrukturen umzugehen", sagt Maass. Dann kommt schon mal die Frage: "Und was arbeitest du tagsüber?"

Überhaupt lässt sich Maass schlecht in eine Schublade stecken. Da ist auf der einen Seite der Musiker und auf der anderen der Professor. Vom einen wird gemeinhin ein ausgeflipptes Leben auf der Überholspur erwartet, vom anderen ein seriöses intellektuelles Auftreten. Auch in der Musik lässt sich Maass nicht auf eine Stilrichtung festlegen, "das ist mir zu langweilig".

Stephan Maass, Jahrgang 1967, ist in der Holledau aufgewachsen. "Ich habe schon immer Musik gemacht", berichtet er. Maass spielte in Schulbands, gewann Wettbewerbe, hat mit 18 Jahren in Hugo Strassers Tanzorchester gespielt. Sein Musikstudium beendete er nach einem Tag. Das Verschulte, Reglementierte war nichts für ihn. Seinen Unterhalt verdiente sich Maass lieber bei Studioaufnahmen, "eine Zeit lang war jede Verfolgungsjagd in einem Fernsehkrimi von mir". Mit seinem Schlagzeug brachte er Spannung, Gefühle und Action in die Filmmusik. "Das war eine immens gute Schule", erinnert er sich. Studioaufnahmen sind nämlich gnadenlos. Anfang der 1990er Jahre ging Maass nach Wien und blieb 20 Jahre. Aus der Zeit ist ein leichter Wiener Dialekt geblieben, die Vorliebe für guten Kaffee und natürlich die Erfahrungen, beispielsweise im Austropop mit Danzer, Fendrich und Ambros sowie im Jazz und in der Electroszene. Ein Highlight war ein Auftritt beim Donauinselfestival. Vor der Hauptbühne drängten sich um die 150 000 Zuschauer, "man geht raus auf die Bühne und sieht nur Menschen. Da bekommst du Gänsehaut. Das ist ein absoluter Trip". Maass spielte mit Xavier Naidoo, mit Claudia Koreck. Derzeit produziert er eine Jazzplatte in London mit dem Filmmusiker Colin Towns.

Und dann ist da noch sein Hangar-7-Soundprojekt in einer Flugzeughalle in Salzburg. Die eigentümliche Akustik in der Halle mit dem besonders langen Nachhall nutzten die Musiker, um ungewöhnliche Musik zu kreieren. Der Nachhall zwingt zu langsamen, reduzierten Klängen. Sphärisch klingt die Musik, außerirdisch. Maass und seine Partner wurden dort von der Entourage um den Stratosphärenspringer Felix Baumgartner entdeckt und vom Sponsor Red Bull engagiert, das Event musikalisch zu begleiten.

Seit fünf Jahren hat er eine halbe Professorenstelle an der Anton-Bruckner-Universität in Linz. Maass unterrichtet "zentrales künstlerisches Hauptfach Percussion". Seinen Schülern will er ein realistisches Berufsbild vermitteln, denn dieses habe sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert. "Heute reicht es nicht, ein Instrument gut zu spielen." Es gehe mehr darum, seine Musik an die Menschen zu bringen. "Wenn früher ein Künstler bei Wetten, dass . . . aufgetreten ist, dann gingen am nächsten Montag tausende Platten über den Tisch." Eine Million Zugriffe auf ein Musikstück im Internet, sei heute nichts Besonderes und dann muss man gegen eine globale Konkurrenz anspielen. "Dank der Digitaltechnik kann jeder alles." Dafür brauche man keine Plattenfirmen mehr. Doch "Schwierigkeiten bringen neue Chancen", weiß Maass.

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