Heribert Thallmair:"Integer und glaubwürdig sein"

Altbürgermeister Heribert Thallmair wird 80 Jahre alt; Heribert Thallmair wird 80

"Mir steht keine Schiedsrichterrolle zu", sagt Starnbergs Altbürgermeister Heribert Thallmair. Doch einiges stört ihn . . .

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Starnbergs Altbürgermeister spricht über die Kunst, ein guter Rathauschef zu sein, über die politisch schwierige Lage in der Kreisstadt, und er kritisiert den rüden Umgangston im Stadtrat

Interview von Manfred Hummel, Starnberg

Dem früheren Starnberger Bürgermeister und Ehrenpräsidenten des Bayerischen Gemeindetags, Heribert Thallmair (80), bereitet die derzeitige politische Lage in seiner Heimatstadt Sorge. Dies kam im Rahmen eines Interviews zum hundertsten Jubiläum der Fachzeitschrift "Der Bayerische Bürgermeister" deutlich zum Ausdruck.

SZ: Von 1969 bis 2002 waren Sie Erster Bürgermeister der Stadt Starnberg. In Ihre Amtszeit fiel die Gemeindegebietsreform, die mittlerweile Geschichte ist. Nach wie vor aktuell sind jedoch die Verkehrsprobleme Starnbergs. Was kann ein Kommunalpolitiker, der 33 Jahre lang Bürgermeister war, seinen Kollegen und Kolleginnen heute mit auf den Weg geben?

Heribert Thallmair: Erstens auf jeden Fall persönlich integer und glaubwürdig sein und bleiben. Bei jeder Bürgermeisterin und jedem Bürgermeister werden Versuchungen kommen, auch versteckte. Da muss man den Mut haben, freundlich, aber bestimmt Nein zu sagen. Was wir derzeit erleben - ich nenne nur das Beispiel Regensburg -, das ist in meinen Augen eine Katastrophe. Ich weiß natürlich, unter welchem Druck manche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister stehen. Nicht nur für seine Stadt oder Gemeinde soll er oder sie etwas herausholen, sondern auch für Vereine, Verbände und nicht zuletzt für seine/ihre Partei oder Wählergruppe. Da gilt es sauber und integer zu bleiben. Zweitens würde ich dringend zu ständiger Fortbildung raten. Als ich damals gewählt worden bin, bin ich aus einem freien Beruf gekommen und habe keine Ahnung von Verwaltung gehabt. Ich habe mich hingesetzt, gelernt und alle Kurse gemacht, die ich machen konnte, von Seminaren zum Dienstrecht, zum Haushalt, von der Kämmereitagung bis hin zur Führung durch Delegation von Verantwortung. Ein Bürgermeister muss eine Verwaltung führen können, sicher sein, gerade auch in Personalfragen. Und er muss einen Stadtrat oder Gemeinderat mit den entsprechenden Sitzungen sauber leiten können. Dazu muss er oder sie auf der Höhe der Zeit sein. Wir sehen ja, wie schnell neue Aufgaben dazu kommen. Denken wir nur an die Flüchtlingsfragen. Die Kommunalen Spitzenverbände, insbesondere der Bayerische Gemeindetag, bieten Fortbildungsprogramme an. Aber auch das Selbstverwaltungskolleg und die Fortbildungseinrichtungen der Parteien, alle haben gute Angebote. Das geht hin bis zur Volkshochschule. Aber ich muss diese Angebote auch nützen, einschließlich eines Kurses in freier Rede.

Wie soll ein Bürgermeister brisante Fälle in seinem Gremium behandeln?

Frühzeitig miteinander reden. Heikle Fälle dem Stadtrat, dem Gemeinderat vorlegen. Dabei geht es nicht nur um Spenden oder Sponsoring nach dem Motto: "Ich gebe der Stadt oder diesen und jenem Verein etwas, erwarte aber bei einem anderen Thema Entgegenkommen." Mein Rat lautet: Offen reden, bei der Vergabe von Aufträgen sowieso. Ich habe viele heikle Fälle, Grundstückskäufe wie die "Siglwiese" oder den "Sonnenhof", alle Verträge mit den Nachbargemeinden im Rahmen der Eingliederung als Beispiele meist in meinem Wohnzimmer mit den Fraktionsvorsitzenden vorbesprochen, nie mit einer Gruppe allein. Weil man ja heute in Starnberg redet wegen der Verträge mit der damaligen Deutschen Bundesbahn, auch das haben wir vorbesprochen. Ich kann nicht mit so einem Vertragswerk in den Stadtrat gehen, ohne dass im großen und ganzen Einigkeit besteht, das Projekt anzugehen. Wenn das damals nicht vorab positiv besprochen worden wäre, hätte ich es auch nicht vorgelegt. Also heikle Fälle offen ansprechen, keine Einzelfallentscheidung treffen, die ist sonst einfach angreifbar.

Ich muss da notgedrungen an den Starnberger Stadtrat denken . . .

Ich auch. Ich war immer stolz darauf, dass wir in Starnberg im Stadtrat ein vernünftiges Klima gehabt haben. Natürlich gab es unterschiedliche Meinungen und oft heiße Diskussionen. Aber auch bei noch so gegensätzlicher Auffassung konnten wir uns nach der Sitzung noch in die Augen sehen und miteinander etwas trinken. Im Übrigen, ein Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin kann es nie jedem recht machen. Das wäre eine völlig falsche Vorstellung. Aber er oder sie kann um Verständnis werben, kann erklären, muss glaubwürdig sein. Wer das nicht ist, und vor allem wer einmal lügt und dann meint, beim nächsten Mal ist alles vergessen, der täuscht sich. Dann kommt der Verdacht auf: Was ist jetzt, meint er oder sie es wirklich so, wie er oder sie es sagt. Im übrigen: Da habe ich eben meine Probleme mit Starnberg. Ich will nicht ungerecht sein, auch steht mir keine Schiedsrichterrolle zu, aber mich stört schon einiges: der Ton untereinander, die Unterstellungen, die gegenseitigen Vorwürfe, angeblich fehlende oder unzureichende Vormerkungen oder Informationen. Bei meiner Rede anlässlich meines 80. Geburtstags habe ich versucht, es vorsichtig anzusprechen. Ich meine, man muss auch doch mal den Mut haben zu sagen: Lasst uns in unserer Zusammenarbeit neu anfangen! Aber wenn das Misstrauen einmal da ist, wird es halt schwierig, das ist mir schon klar. Meine Frau und ich waren nach dem Delegationsbesuch zum 40. Jahrestag der Begründung der Städtepartnerschaft mit Dinard noch länger in unserer Partnerstadt und haben mit Dinardern offen reden können. Dort war es vor der letzten Neuwahl nicht anders als in Starnberg: Die sehr große Mehrheitsgruppe um die dortige Bürgermeisterin hat sich aufgespalten, die Mehrheit war weg, Neuwahlen. Die Gründe für diese Entwicklung waren das Nebeneinander von Bürgermeisterin und Stadtrat, gegenseitige Vorwürfe, Unterstellungen, Entscheidungen am Stadtrat und damit auch an der eigenen Wählergruppe vorbei. Jetzt gibt es einen Neuanfang: Ich hoffe, dass er gut gelingt.

Welchen Ausweg sehen Sie für Starnberg?

Miteinander reden, Fehler eingestehen und um Entschuldigung bitten, ohne Vorbehalte. Offen und mit gutem Willen einen vertrauensvollen Neuanfang starten. Anders sehe ich keinen Weg. Misstrauen abbauen und gegenseitiges Beschimpfen einstellen. Wie ich schon gesagt habe, steht mir die Rolle eines Schiedsrichters nicht zu, meine Zeit ist einfach vorbei. Aber ich kann sagen: Nach Recht und Gesetz sind Bürgermeisterin und alle Damen und Herren des Stadtrats verpflichtet, alles zum Wohle der ganzen Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger zu tun. Das ist für alle die gemeinsame Leitlinie und muss es auch sein. Auch sollte das Landratsamt nicht ständig "als Entscheider" angerufen werden: Erledigt eure Aufgaben im Interesse der ganzen Stadt selbst!

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