Starnberg:Hängepartie ums Kino

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Blickt sorgenvoll in die Zukunft: Matthias Helwig. (Foto: Georgine Treybal)

Matthias Helwig sieht für sein Filmtheater keine Perspektive: Die Säle sind nicht mehr zeitgemäß, die Miete sei zu hoch und Zuschauer sind rar

Von Gerhard Summer, Starnberg

Die Hängepartie in Starnberg zieht sich schon seit Jahren hin, doch jetzt drängt Kinobetreiber Matthias Helwig auf ein Ende. "Wir sind an einem Punkt, wo's so nicht mehr geht", sagt der 61-Jährige. Denn das 2002 eröffnete Filmtheater im Portobellohaus der Kreissparkasse an der Wittelsbacherstraße sei mit seinen zwei großen Sälen nicht mehr zeitgemäß und die Miete für ein Kino mit mehr als 5000 Euro monatlich zu teuer.

Die Pandemie habe die Problematik noch einmal verschärft, die Besucherzahlen seien bei der derzeit erlaubten Maximalauslastung von 25 Prozent und der auferlegten 2-G-plus-Regelung "unterirdisch" schlecht. In seine Lichtspielhäuser in Seefeld, Gauting und Starnberg kämen im Schnitt nur noch zwei, drei Zuschauer pro Vorstellung, "wenn wir zweistellig werden, können wir Hurra schreien", sagt Helwig, der 2007 das Fünfseen-Filmfestival gegründet und als wichtigstes Kulturereignis jenseits von München etabliert hat. Die Angst vor Omikron habe dazu geführt, dass jetzt "die über 50-Jährigen" vor dem Kinobesuch zurückschreckten.

Wie und ob es weitergeht in Starnberg, ist völlig offen. Das Problem: Sollte Helwig das Filmtheater 2023 dichtmachen, verlagerte sich das Zentrum des Fünfseen-Festivals unweigerlich nach Gauting hin, zu dem Kino, das Helwig selbst gehört. Der Auftakt könnte zwar auf dem Dampfer oder wie zuletzt im Starnberger Seebad sein, die rund 500 Gäste müssten dann eben auch bei schlechtem Wetter ausharren. Aber weitere Open-Airs dort wären ein Vabanquespiel, weil dann bei Dauerregen nur noch die - bis dahin hoffentlich sanierte - Schlossberghalle als Ersatzquartier zur Verfügung stünde.

Klar ist bisher allein: Die Kreissparkasse will sich von der Immobilie trennen. Sie stehe aber nicht unter Zeitdruck, sagt Pressesprecherin Marion Pinzka. Ein Verkauf würde ihr zufolge nicht unmittelbar die Zukunft des Kinos gefährden, weil der Investor den bis 2027 laufenden Mietvertrag mit Helwig übernehmen müsste. Die Bank habe das Haus inzwischen der Stadt angeboten, wie Vizebürgermeisterin Elisabeth Kammerl sagt. Und Starnberg sei stark interessiert daran, das Kino zu erhalten. Die Verhandlungen mit dem Kreditinstitut seien noch nicht abgeschlossen, so Kammerl, die Stadt wolle nun den Zustand des Gebäudes evaluieren und seinen Wert schätzen lassen. Aber: Die Preisvorstellungen des Kreissparkasse seien "sehr üppig", so die stellvertretende Rathauschefin.

Dem Vernehmen nach geht es um mehr als drei Millionen Euro. Für einen Investor dürfte sich das wohl nur dann auszahlen, wenn er das Portobello abreißen und einen Neubau hinstellen könnte. Die Stadt hat laut Kammerl aber derzeit allein schon Probleme damit, ihren Verwaltungshaushalt auszugleichen. Nach derzeitigem Stand fehlten zwei Millionen Euro, "da müssen wir über einen Immobilienkauf gar nicht nachdenken". Ähnlich verhalte es sich mit der anstehenden Renovierung des Starnberger Musikschul-Gebäudes. "Die sechs Millionen für die Sanierung können wir nicht aufbringen", sagt Kammerl und resümiert: "Es ist schade, dass Starnberg so viele alte Gemäuer, aber kein Geld hat, sie umzubauen und zu sanieren." Irgendwann müssten die Stadträte der Realität aber wohl ins Auge blicken.

Aus Helwigs Sicht kämen auch andere Standorte für das Kino in Starnberg in Frage. Er sei offen für Vorhaben wie das geplante hochmoderne Quartier "Moosaik" auf der Industriebranche im Norden der Stadt, das auf 3,5 Hektar Fläche Wohnen, Arbeiten und Kultur vereinen soll. Oder auch für den von den Projektentwicklern Ehret & Klein vorgesehenen Komplex auf dem Grundstück an der Bahnhofstraße, auf dem derzeit noch die temporäre magentafarbene "Wiege von Starnberg" steht. Auch Ehret & Klein zielen auf ein mischgenutztes Quartier mit Gastronomie, Wohnungen und "Angeboten für Bildung, Kultur und Wissensvermittlung" ab. Helwig sagt, er habe bereits ein Gespräch mit Michael Ehret geführt, klar sei, dass ein Investor den Kino-Neubau übernehmen müsste.

Das Portobellohaus sei ohnehin der falsche Platz für ein Lichtspielhaus. "So wird heute nicht mehr gebaut", sagt Helwig. Das Kino war einst unter einem anderen Betreiber im Gebäude der Sparkasse integriert gewesen. Als das Geldinstitut in den Neunzigerjahren neu bauen wollte, rang ihm die Stadt die Weiterführung des Cineasten-Treffs ab. Das neue Filmtheater eröffnete vis-à-vis im vormaligen Einrichtungshaus Portobello und war für die damalige Zeit mit zwei großen Sälen gut gerüstet. Doch inzwischen "hast du nicht mehr so Riesenfilme wie 'Harry Potter', 'Herr der Ringe', 'Titanic' oder und 'Avatar - Aufbruch nach Pandora', die ein so großes Kino füllen", sagt Helwig. Sein eigenes Lichtspielhaus in Gauting mit fünf kleineren Sälen sei zukunftsweisend, "das Gleiche bräuchte Starnberg".

Ein Umbau im Portobellohaus wäre möglich, glaubt er, aber dafür "müsste man einen viel längeren Vertrag haben". Die Gespräche mit der Kreissparkasse zögen jetzt schon seit zwei, drei Jahren hin. "Wir kommen da nicht voran, doch jetzt ist es so eng geworden, dass ich mir überlegen muss, was ich tue." Pinzka, die Sprecherin der Bank, wiederum erklärt: "Wir gehen partnerschaftlich miteinander um", denn mit Helwig "verbindet uns eine langjährige, intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit als Kreditinstitut, als Sponsor des Fünfseen-Filmfestivals und auch als Vermieter". Der Kinobetreiber habe zuletzt "betriebswirtschaftliche Belange vorgetragen, die sind uns nicht egal". Allerdings könnte sie sich öffentlich nicht über eventuelle Vereinbarungen äußern.

Ob er sich einen Kinoneu- oder Umbau in Starnberg überhaupt noch antun möchte? "Vielleicht will das ja wer anderes machen", meint Matthias Helwig. Also ein junger Kinoverrückter - ausgestattet mit "ein wenig Geld im Hintergrund" und viel Kühnheit.

© SZ vom 31.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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