Nachruf auf Heinrich Frey:Abschied von einem Menschenfreund

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Altlandrat Heinrich Frey (re.) mit seinem Sohn Stefan und seiner Ehefrau Barbara Frey im heimischen Garten in Starnberg. (Foto: privat/oh)

Der Altlandrat erliegt im Alter von 82 Jahren den Folgen einer schweren Krankheit. Im Gedächtnis bleiben seine launigen Drei-Minuten-Reden und seine Art, Politik zu machen - ganz ohne parteipolitische Scheuklappen.

Von Sabine Bader, Starnberg

Es gibt etwas, das bleibt. Etwas, das man betrachten, bewundern kann. Das lässt sich nicht von allen Menschen behaupten. Bei Heinrich Frey ist es so, denn der Altlandrat hat nach seinem Ausscheiden aus dem Amt seine zweite Berufung gelebt, die des Holzbildhauers: Rund 60 teils moderne Kunstwerke hat Frey in den vergangenen 13 Jahren geschaffen, Kunstwerke, die sich meist mit Fragen des menschlichen Zusammenlebens befassen. Nun ist der CSU-Politiker, der an der unheilbaren Nervenkrankheit ALS litt, am Donnerstag im Alter von 82 Jahren im Hospiz Polling gestorben, wo er palliativ betreut wurde. Von seiner ganzen Familie hatte er sich zuvor noch verabschiedet. "Mein Vater ist seinen schweren Weg tapfer gegangen und war bis zum Schluss Herr seiner Entscheidungen", sagte sein Sohn Stefan Frey am Freitag zur SZ. "Jetzt konnte er loslassen."

Ein CSU-Parteisoldat war Heinrich Frey beileibe nicht, Parteizugehörigkeit war für ihn noch lang kein Argument. Daher kommt es auch, dass er Grünen- und SPD-Anhänger ebenso zu seinen Freunden zählte wie die eigenen Parteifreunde. Er sah in seinem Gegenüber stets den Menschen. Frey war bekannt für seine saftig-knackigen Drei-Minuten-Reden, für seine launigen Grußworte. Er gab diese in einem vollen Festzelt vor 200 Feuerwehrleuten ebenso zum Besten wie vor ein paar Kaninchenzüchtern. An der richtigen Stelle ein oder zwei launige Sätze oder einen Witz eingestreut, und er hatte die Lacher auf seiner Seite. Unnachahmlich war das.

Heinrich Frey im Jahr 2004 vor dem Landratsamt Starnberg, in dem er zu dieser Zeit den Chefsessel inne hatte. (Foto: Franz-Xaver Fuchs)

Frey wurde am 6. Oktober 1939 in Brünn geboren. An die Zeit in Mähren konnte er sich später kaum noch erinnern. Seine Mutter floh mit ihm, seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Fritz und der Großmutter noch während des Zweiten Weltkriegs nach Westen. Ihre Flucht endete schließlich in Bernried. Dort mussten die Buben ohne den Vater aufwachsen. Dieser war in Russland gefallen. Frey besuchte das Karlsgymnasium in Pasing, machte dort Abitur, studierte Jura. Von 1975 bis 1986 leitete er das Referat für den kommunalen Finanzausgleich im Finanzministerium. 1987 wechselte er zur Bayerischen Landesbank. Seine politische Heimat fand er in der CSU. Von 1978 an saß er im Starnberger Kreistag, davon neun Jahre lang als Fraktionssprecher. 1996 wurde er zum Landrat des Landkreises Starnberg gewählt.

Seine politisch wichtigste Tat? "Ein Tag schneefrei für die Schulkinder!"

Frey war der erste Amtsinhaber, der die Verwaltungsreform vorantrieb und einen Bürgerservice einführte. Er überführte das Kreiskrankenhaus Starnberg in eine GmbH und legte so den Grundstein für die heutige Klinikgesellschaft, trieb die Fusion der Kreissparkasse Starnberg mit der Sparkasse München-Land voran und gründete im Jahr 2000 die Gesellschaft für Wirtschaft- und Beschäftigungsentwicklung (GFW), heißt es in einer Mitteilung aus dem Landratsamt. Ihm sei es gelungen, den Schuldenstand des Landkreises während seiner Amtsperiode von 48 Millionen Euro auf rund 29 Millionen Euro fast zu halbieren. Aber fragte man ihn selbst nach seiner größten politischen Tat, erklärte er stets grinsend: "Ein Tag schneefrei für die Schulkinder!" Den hatte er den Schülern wegen eines plötzlichen Wintereinbruchs 2005 beschert.

Frey war Mitglied zahlreicher Starnberger Vereine und Verbände. So war er mehr als drei Jahrzehnte lang Vorsitzender des Starnberger Caritasverbands und zwölf Jahre BRK-Chef im Kreisverband. Das Amt des Landrats hatte er ebenfalls zwölf Jahre lang inne, bis er sich 2008 aus der aktiven Politik zurückzog, um sich fortan der Kunst zu widmen. Ihm folgte Karl Roth (CSU) nach, heute ist sein Sohn Stefan Frey (CSU) Starnberger Landrat. Altlandrat Roth würdigte seinen Vorgänger am Freitag als einen "sehr geschätzten Wegbegleiter" und einen Menschen, der ihm in vielen Bereichen "ein Vorbild" gewesen sei.

Heinrich Frey präsentiert seine Skulpturen 2013 bei einer Ausstellung in der Starnberger Kreissparkasse. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Politik prägte seinen Lebensweg, aber er entpuppte sich auch als kreativer Mensch. Wer heute einen von Heinrich Freys Enkeln fragt, welchen Beruf der Opa hatte, der bekommt mit ziemlicher Sicherheit zu hören: "Künstler!" Dass er einmal Politiker war, haben die Enkel nicht wahrgenommen. Wann immer sie ihre Großeltern besuchten, war der Opa dort, wo im Hause Frey in Starnberg Kunst entstand - im Keller oder bei schönem Wetter im Garten. Stets hatte er ein Schnitzmesser in der Hand und einen mächtigen Holzbalken vor sich. In seinen modernen Plastiken befasste sich der Autodidakt mit den aktuellen Fragen unserer Zeit. Die Plastiken tragen Namen wie "Disput", "Hochmut", "Revolution" und "Globale Schwangerschaft". Zu jeder Skulptur fertigte er eine ausführliche Legende über seine Beweggründe für diese Arbeit an. War das für ihn drängendste Thema gefunden, ging es an die künstlerische Umsetzung und die Auswahl des Holzes. Viele seiner Werke sind schlanke Stelen. Insgesamt hat Frey in den vergangenen Jahren rund 60 Kunstwerke geschaffen. Trotz etlicher Angebote verkaufte er sie nie, er verschenkte sie.

Heinrich Frey und der ehemalige Pressesprecher des Landkreises, Albert Panke (li.), beim ersten Starnberger Rundstrecken-Radrennen im Juli 2007. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Sein ganzes Leben lang war Frey ein begeisterter Sportler. Er joggte gern, war fast immer beim Landkreislauf dabei. Fuhr, wann immer es seine Zeit erlaubte, "mal schnell" mit dem Rennrad um den See, wie er sagte. Brauste im Winter auf Skiern die Hänge hinab. Seine große Leidenschaft aber galt dem Reisen. Dabei war er keineswegs der übliche Pauschaltourist, sondern erkundete ferne Länder gern individuell - ritt auf Pferden und Kamelen, schlief in Jurten und Zelten. Mal ging es auf die Seidenstraße, in die Mongolei, nach China, Iran, Israel, Südafrika oder Namibia. Natürlich hat er in seiner Zeit als Landrat auch mehrmals mit Delegationen Starnbergs Partnerlandkreis Bad Dürkheim und die taiwanesische Partnerstadt Taipei besucht.

Lang wehrte er sich gegen den Ehrentitel Altlandrat

Im Gegensatz zu diversen Amtskollegen trug Frey den Ehrentitel Altlandrat nie wirklich mit Stolz. Sechs Jahre lang hatte er sich standhaft dagegen gewehrt. Er fand, dass man auch als Landrat a. D. gut durchs Leben kommen kann. 2014 allerdings gab er seinen Widerstand auf. Wohlmeinende Freunde hatten einfach nicht mehr locker gelassen. Da konnte selbst er nicht mehr ablehnen. Zu seinem Ehrentitel befragt sagte er stets, er habe ihn "mannhaft hingenommen".

So wie Heinrich Frey Jahre später auch seine schwere Krankheit hingenommen hat. Er war ein zutiefst gläubiger Mensch. Diese Tatsache half ihm zu ertragen, was ertragen werden musste. Und weil ihm irgendwann das Schnitzen zu beschwerlich wurde, hat er das Messer gegen Bleistift und Kreide getauscht und gezeichnet - bis zuletzt. Heinrich Frey hinterlässt seine Ehefrau Barbara, die vier Söhne Martin, Peter, Stefan und Simon mit ihren Ehefrauen sowie elf Enkel. Von Montag an wird auch im Foyer des Landratsamts ein Kondolenzbuch ausliegen.

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