Hechendorf:Süßes, Saures und Skurriles

Erstes Varieté in der Alten Fabrik wird begeistert aufgenommen

Von Armin Greune, Hechendorf

Er sei noch nie so beleidigt worden, schimpft SilWestend Goes East: Zum "Kleinkunstabend" habe man ihn in die Alte Fabrik eingeladen. Um den großen Künstler mit blickdichter Sonnenbrille, aufgestelltem Hemdkragen und Pelzmütze zu besänftigen, beeilt sich Moderator Oliver Dimbath, ihm Wodka und Salzgurken zu servieren. Der Weilheimer, der sich einen abenteuerlichen russischen Akzent zugelegt hat, erzählt, wie er in Putins Auftrag Merkels und Trumps Espressomaschinen hackt, oder singt zur Ziehharmonika Lieder von Funny van Dannen wie "Abgefuckte Feelings".

SilWestend ist einer von fünf Bühnenacts, die zur Premiere des neuen Veranstaltungsformats vom Verein "Räsonanz" nach Hechendorf eingeladen wurden. Für ein Varieté, das vor allem Talenten aus der Region ein Forum bieten soll, darf der sehr gut besuchte Auftakt als Überraschungserfolg gewertet werden: Das Konzept, zum bunten Programm ins urban anmutende Loft bei niedrigen Eintrittspreisen, Flaschenbier und Sandwiches junges Publikum anzulocken, ist voll aufgegangen.

"Mit so großer Resonanz hätte ich nicht gerechnet", sagt auch Dimbath zur Begrüßung, bevor sein Kollege aus der Besserwisser Blues Band das Mikro übernimmt. Richard Oehmann, aus Doktor Döblingers geschmackvollem Kasperltheater bekannt, ist angetreten, um "den ersten Tiefpunkt des Programms" zu setzen. Er liest aus seinem Epos-Fragment "Süßilein und Saurilein" und reimt in bester Wilhelm Busch-Manier von "Gefühlen, die oft mulmig in uns wühlen". Ebenso viel Lacher und Beifall erntet die Poetry-Slammerin Leni Gwinner aus Widdersberg. Sie erzählt von der Familientradition, zu allen Gelegenheiten aus "schmiegsamen und aufnahmefähigen Lebkuchenteig" dauerhafte Botschaften zu backen, "die absolut unanfällig für jegliche Art von Verzehr sind". Nach der Pause wird es musikalisch: Leichtmetall tragen zu Playback-Beats in zweistimmigem Gesang mit Ukulele und Metallophon schräge Texte vor und erinnern so an Max Goldts legendäre Foyer des Arts. Zum Dada-Pop von Marion Dimbath, Schwester des Moderators, und Anja Morell gibt es eine ebenso skurril-minimalistische Bühnenshow in knallgrünen Kittelkleidern zu bestaunen. Als Ausklang präsentiert der Liedermacher Benny Steinbach sein neues Album "Dann ist die Welt in Ordnung". An diesem Abend in Hechendorf stimmte das auf jeden Fall.

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