Leben im Alter:Hilfe auf Knopfdruck

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Kann am Handgelenk oder als Kette um den Hals getragen werden: Hausnotruf mit rotem Knopf. (Foto: Christian Endt)

Das Bayerische Rote Kreuz betreibt seit 40 Jahren den Hausnotruf in Starnberg, der Menschenleben retten kann. Ein Besuch in der Service- und Einsatzzentrale.

Von Louisa Geibel, Starnberg

An diesem Mittag kommen die Alarme in der Service- und Einsatzzentrale (SEZ) des Bayerischen Roten Kreuzes in Starnberg im Minutentakt. Die vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Hausnotruf nehmen in dem kleinen Büro einen Anruf nach dem anderen entgegen, trotzdem wirken sie ruhig wie Routiniers. "Hallo, hier ist die Hausnotrufzentrale. Benötigen Sie Hilfe?", fragt Tizian Fröschl ins Telefon. Wie sich herausstellt, ist Frau G. in ihrer Wohnung gestürzt. Die 84-Jährige hat sich dabei am Kopf verletzt und braucht medizinische Hilfe. Sofort verständigt der BRK-Mitarbeiter den Rettungsdienst. Damit ist seine Arbeit vorerst getan. Doch nur wenige Sekunden später geht bereits der nächste Alarm ein.

Rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr sind die gut 20 Beschäftigten der SEZ Starnberg im Einsatz. Das Konzept hat sich bewährt: Der Hausnotruf des BRK feiert heuer bereits sein 40-jähriges Bestehen. Einiges hat sich in diesen vier Jahrzehnten verändert - vor allem aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung, die auch vor den Türen der SEZ nicht haltgemacht hat. "Es ist wirklich alles rasant vorangegangen", sagt Marina Mössner. Die 72-Jährige ist seit Beginn der Neunzigerjahre dabei und erinnert sich gut an die Zeit, als die Mitarbeiter in der Zentrale noch mit Alarmboxen gearbeitet und Kundeninformationen in einer analogen Kartei hinterlegt hätten. Das funktioniert heute selbstverständlich alles digital. "Es hat sich sehr viel verändert - und alles zum Guten, muss ich sagen. Die technischen Fortschritte sind schon eine große Erleichterung", meint Mössner. Arbeitsschritte gingen nun leichter und vor allem schneller von der Hand - eine entscheidende Entwicklung in einem Sektor, in dem in manchen Fällen jede Sekunde zählen kann.

Im Dauereinsatz: Tizian Förschl, Markus Möbius und Marina Mössner (v.li.) von der Starnberger Hausnotruf-Zentrale. (Foto: BRK Starnberg)

Trotz aller Veränderungen ist das Konzept hinter dem Hausnotruf gleichgeblieben: Mithilfe eines Alarmknopfes, der als Armband oder Halskette getragen wird, kann in einer Notsituation per Knopfdruck fachgerechte Hilfe verständigt werden. Die Hausnotrufzentralen fungieren dabei als Mittler in der Kontaktkette zwischen den Hilfebedürftigen und den Rettungs- und Hilfsdiensten sowie den Angehörigen, die Oma oder Opa beispielsweise nach einem Sturz beistehen können. Geht ein Alarm in der Zentrale ein, klären die Mitarbeitenden des BRK die Situation ab und organisieren die Hilfe, die benötigt wird. Um möglichst schnell die richtige Entscheidung treffen zu können, versuchen die Zuständigen, mit den Betroffenen über ihr Hausnotrufgerät Rücksprache zu halten und ziehen vorliegende Informationen etwa über Vorerkrankungen, die Einnahme bestimmter Medikamente und erreichbare Kontaktpersonen zu Rate.

Mehr als 1700 zumeist ältere Leute mit Hausnotrufgeräten betreut die Starnberger Zentrale im Landkreis und der Stadt. Das Durchschnittsalter der Kundinnen und Kunden liege im Kreisverband Starnberg bei 85 Jahren, so Markus Möbius, Abteilungsleiter der SEZ. Das Angebot richte sich also primär an Seniorinnen und Senioren. Doch auch jüngere Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen nehmen den Dienst in Anspruch, der 25 Euro im Monat kostet. Die Altersspanne reiche von 25 bis 105 Jahren, sagt Möbius.

Im vergangenen Jahr sind 13 605 Alarme für den Landkreis Starnberg bearbeitet worden und 125 853 für die 17 anderen Kreisverbände, darunter München, Ingolstadt und Rosenheim. Auch sie werden von der Starnberger Service- und Einsatzzentrale aus betreut. Häufig gehe es bei den abgesetzten Notrufen um Schlaganfälle, Herzinfarkte, Reanimationen, Hypertonien (Bluthochdruck) und Stürze. Auch wegen des ein oder anderen Brandes sei schon Alarm ausgelöst worden, so Möbius. Vor wenigen Wochen habe man sogar einen Überfall in der Wohnung einer Seniorin verhindern können, die den Hausnotruf betätigt hatte. Das sei aber eine Ausnahmesituation, erklärt Tizian Fröschl, Disponent in der Starnberger SEZ. Öfters kämen dagegen Fehlalarme vor, deren Erkennung und Bearbeitung zum Tagesgeschäft gehöre. "Da gibt es beispielsweise die ein oder adere Katze, die gerne das Hausnotrufgerät betätigt", erzählt Möbius und lacht. Die Mitarbeitenden nähmen solche Fälle mit Humor.

Doch die Verantwortung, die auf dem Hausnotruf-Team ruht, ist groß, das ist allen Beschäftigten bewusst. Ihre Reaktion kann im Zweifelsfall lebensentscheidend sein. Aus diesem Grund benötigt jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter eine medizinische Grundausbildung. Besonders wichtig sei die praktische Erfahrung - etwa im Rettungsdienst oder in der Pflege, um Notsituationen einschätzen zu können, ohne selbst an Ort und Stelle zu sein, so Fröschl. Trotz oder gerade wegen der enormen Verantwortung sei die Arbeit in der Hausnotrufzentrale für ihn "eine Ehrensache". Seniorinnen und Senioren sowie Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen könnten so ein eigenständiges Leben führen können - mit der Gewissheit, dass es in einer misslichen Lage nur eines Knopfdrucks bedarf, um Hilfe zu rufen. Auch für die Verwandten bedeute das eine große psychische Entlastung, sagt Fröschl.

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