Süddeutsche Zeitung

Handwerk im Landkreis Starnberg:Bäckermeister gibt auf

Ernst Zobel macht seine Geschäfte in Seefeld und Weßling dicht, weil er an den Folgen eines Skiunfalls leidet. Anderen kleinen Betrieben im Fünfseenland machen gesetzliche Vorgaben und die Discounter zu schaffen.

Von Peter Haacke, Seefeld

Die Botschaft ist kurz, aber unmissverständlich: "Ich schließe zum 31. Dezember meine Geschäfte in Seefeld und Weßling aus gesundheitlichen Gründen", teilt Bäckermeister Ernst Zobel seinen Kunden mit. "Herzlichen Dank für die Treue der letzten Jahre." Das war es also: Vom 1. Januar an sind die beiden Fachgeschäfte der Bäckerei Zobel, die auf eine 290-jährige Tradition verweisen kann, geschlossen. Kunden aus Seefeld und Weßling, die besonderen Wert auf Qualitätsbackwaren legen, müssen künftig also weitere Wege in Kauf nehmen. Doch es gibt auch einen Hoffnungsschimmer: Der 44-jährige Bäckermeister Zobel will seine Waren zumindest einmal pro Woche weiterhin auf dem Seefelder Wochenmarkt anbieten. Und für die Filiale in Weßling hat sich eine junge Konditorin gefunden, die nach dem Ladenumbau ein Café mit Backwarenshop betreiben will.

Ein Skiunfall stand am Beginn des Leidensweges von Zobel. Ausgerechnet bei der letzten Abfahrt des Tages kam ihm auf der Piste ein Snowboarder in die Quere. Es kam zum Sturz - mit fatalen Folgen für den Bäckermeister. Die Bilanz aus medizinischer Sicht: dreifacher Bruch des Unterschenkels und ein geschädigtes Sprunggelenk. Es folgten mehrere Operationen, doch noch immer leidet Zobel, der berufsbedingt den ganzen Tag auf den Beinen sein muss, unter den Folgen dieses Unfalls. "Ich habe dem Fuß nie Ruhe geben können", sagt Zobel. Im Herbst steht nun eine weitere Operation an, und Zobel wird erneut pausieren müssen. Doch der Bäckermeister weiß: "Ein kleines Geschäft wie unseres rechnet sich nur, wenn der Chef mitarbeitet. Sonst lege ich nur drauf."

Die Bäckerei Zobel ist nicht der erste heimische Betrieb, der schließt. Willi Boneberger aus Gilching, Obermeister der Bäckerinnung im Landkreis Starnberg, kennt eine ganze Reihe von Gründen, die Inhaber kleinerer Unternehmen verzweifeln lassen. Neben zunehmendem Konkurrenzdruck durch Supermärkte, Discounter und Backshop-Filialen, in denen Brote und Semmeln oft einfach nur aufgebacken werden, sind es seiner Ansicht nach vor allem die gesetzlichen Vorgaben, die es dem traditionellen Handwerk im Lebensmittelbereich schwer machen. "Die Gewinne brechen weg", sagt Boneberger, der in Gilching seine Bäckerei betreibt. Viele Kunden decken ihren Bedarf bei Discountern, "auch das löst die regionalen Strukturen auf", sagt er. Dabei stellen gerade die kleinen Betriebe die meisten Arbeitsplätze zur Verfügung. Doch eine Unmenge an Vorschriften und absurd hohe Nebenkosten ließen viele kleinere Betriebe aufgeben. Als Boneberger 2014 Chef der Bäckerinnung wurde, waren es elf Betriebe. Jetzt sind es sieben. Die Verantwortung für die Bedingungen im Lebensmittelhandwerk sieht Boneberger bei der Regierung. Zwar zeichne man immer wieder gern Bäcker für hochwertige Produkte aus. Doch für Boneberger sind Ehrenpreise, Auszeichnungen und Titel wie "Feinschmecker" nur Marketing. "Die Rahmenbedingungen müssen verändert werden", sagt der 42-Jährige, "sie sind zu kompliziert". In Italien etwa würden kleinere Backbetriebe subventioniert. Entscheidend seien aber auch die oft nur auf den Preis schauenden Kunden, die auf ihre Kaufentscheidung aufmerksam gemacht werden müssten. "Wenn die Betriebe zumachen", weiß Boneberger, "dann ist es zu spät".

Zurück zu Zobel, der sich schon lange zuvor Gedanken gemacht hat über seinen Betrieb mit knapp zehn Angestellten. Einige Kunden äußerten ihr Bedauern über die Schließung, andere waren schlicht enttäuscht. Die Filiale in Weßling übernimmt nun eine junge Frau. Sie will mit neuem Konzept am alten Standort weitermachen. Für den Stammbetrieb in Seefeld aber fand sich kein Interessent; auch Boneberger winkte ab. Zobel hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht - auch, weil er seinen Beruf liebt. Gleichwohl hat er sich eine Optionen für die Zeit nach seiner Operation offengelassen: "Meine Backstube hätte ich nie aufgegeben", sagt er, "die Bäckerei Zobel wird es weiterhin geben". Vorerst allerdings nur noch donnerstags auf dem Seefelder Wochenmarkt.

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SZ vom 31.12.2019
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