Handwerk:Ein Schmied für Oberbrunn

Christof Jenauth schlägt in der lang verwaisten Metall-Werkstatt im Gautinger Ortsteil wieder auf den Amboss. In der Schmiede will sich der Münchner auf ganz persönliche Grabzeichen spezialisieren

Von Carolin Fries, Gauting

Christof Jenauth hat eine Genaue Vorstellung von seiner Beerdigung. Seiner Frau hat er sogar gesagt, welches Lied gespielt werden soll. Nun ist der 48-Jährige alles andere als ein depressiver morbider Typ. Der Mann steckt voller Kraft und Energie. Doch was das Sterben betrifft, hat er berufsbedingt ein ungewohntes Bewusstsein entwickelt. Der Metallgestalter, der in Herrsching am Ammersee aufgewachsen ist, entwirft individuelle Grabzeichen. Dafür hat sich der Münchner einen besonderen Platz ausgesucht: die ehemalige Schmiede in Oberbrunn bei Gauting. Den Räumen, die seit dem Tod des ehemaligen Oberbrunner Schmieds leer standen und verwitterten, hat er damit nicht nur neues Leben eingehaucht, sondern auch ihrer ursprünglichen Bestimmung zugeführt. Hier saust jetzt wieder der Hammer in regelmäßigen Schlägen auf den Amboss und es riecht nach glühendem Metall.

Dabei war noch vor einigen Jahren völlig unklar, ob Jenauth überhaupt jemals wieder einen Schmiedehammer in die Hand nehmen würde. Nachdem er nach seiner Meisterprüfung 13 Jahre lang zusammen mit Rüdiger Lüst in Ebenhausen eine eigene Schmiede aufgebaut und am Schluss mit einer Handvoll Angestellten betrieben hatte, stieg er 2013 aus. Warum? Er wollte und konnte nicht mehr, war sich nicht mehr sicher, ob der Beruf des Schmiedes überhaupt das Richtige für ihn war. Oder ob es nicht doch Zeit für ein Studium der Philosophie wäre - oder etwas ganz anderes. Jenauth stieg aus, ein Jahr wollte er sich Zeit nehmen, um sich neu auszurichten. Es wurden dann zwei Jahre, bis die entscheidenden Erkenntnisse gewonnen waren: Er würde alleine arbeiten wollen. Und: "Mein Herz schlägt für's Handwerk." Er wollte wieder in eine Schmiede.

Christof Jenauth schwingt hier den Hammer

Es darf auch farbig und fröhlich sein: Christof Jenauth mit einem seiner Grabkreuze vor der Werkstatt in Oberbrunn.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Nun ging es darum, geeignete Räume zu finden. Im Sommer 2015 hat er sich in Oberbrunn eingemietet und eineinhalb Jahre Werkstatt und Büro mit einer spürbaren Liebe zum Detail eingerichtet. Der Luftschmiedehammer, ein formschönes Stück aus dem Jahr 1946 - das musste er erst mal finden, transportieren und dann wieder betriebsbereit kriegen. Die Schmiedeesse, die er mit Propangas befeuert, hat er selbst gebaut, die Möbel fürs Büro vom Flohmarkt zusammengesucht und grau und ochsenblutfarben angestrichen. Die kaputten Fensterscheiben hat er nicht nur ersetzt, sondern auch Blumen in die Kästen davor gepflanzt. Oberbrunn, das ist für Jenauth wie eine Blase, in der er die nötige Ruhe findet. Hier wächst der Löwenzahn noch direkt neben der Fahrbahn. Hin und wieder rumpelt ein Traktor vorbei. Jenauth, den Schmied aus dem Münchner Westend, haben sie im Ort gleich gefragt, ob er nicht bei der Feuerwehr einsteigen will. Er überlegt es sich.

An erster Stelle steht für ihn jetzt der Neueinstieg in den Beruf. Während er früher schmiedetechnisch alles gemacht hat - von der Gartentür über den Kerzenständer bis zum Schiebetor - will er sich nun vorrangig auf Grabzeichen konzentrieren. Er gibt sich dabei besondere Mühe, den Verstorbenen in seiner Persönlichkeit zu erfassen - wobei er dafür meist auf die Erzählungen der Hinterbliebenen angewiesen ist. Das heißt, er hört zunächst einmal zu, bleibt gedanklich und gestalterisch völlig offen. "Es muss nicht immer Schneckerlbarock sein." Es muss auch nicht immer ein Kreuz sein - wobei Jenauth Kreuze mag. Er hat vor einigen Jahren eine alte Sammlung gekauft und renoviert diese auch auf Wunsch. Doch es geht auch anders. Auf dem Herrschinger Friedhof stehen bereits einige seiner Arbeiten, darunter Form- und farbenfrohe Zeichen, die sich von der gewohnten Import-Einheitsmasse abheben. Er hat etwa für ein Familiengrab ein Gebirge geformt und ein Windzeichen für einen leidenschaftlichen Segler. Jenauth findet es reizvoll, die alten Techniken mit moderner Gestaltung zu verbinden und ist auch einer farbigen Gestaltung aufgeschlossen. Er weiß: Geschmäcker sind verschieden. Doch jedes besondere Grab ist ihm lieber, als eines, das kaum etwas über den Verstorbenen aussagt - auch wenn es nicht seinen Geschmack trifft. Stimmig muss es sein, rundum. Deshalb auch ordert er die Sockel von einem Steinmetz, der sein Material aus der Region bezieht. Grabzeichen entwerfen, das ist für den Perfektionisten Jenauth "Bildhauerei im Ausstellungsraum Friedhof". Grenzen setzen dieser Kunst lediglich Friedhofsordnungen, die mitunter fragwürdige Vorgaben machen. Manchmal kann Jenauth, der Friedhöfe besucht wie andere Museen, nur den Kopf schütteln. Bremsen lässt er sich davon nicht. Es gibt immer einen Weg.

Christof Jenauth schwingt hier den Hammer

Grabzeichen mit pantheistischem Ansatz von Jenauth.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ein bisschen wird er damit ein Exot bleiben im dörflichen Oberbrunn, ganz gleich, ob er bei der Feuerwehr mitmacht oder nicht. Und doch gehört er dazu. Eine freundliche Dame gießt ihm am Wochenende die Blumen, im Gegenzug hält er für sie Zigaretten bereit. Und steht für Schmiedearbeiten aller Art zur Verfügung.

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