Süddeutsche Zeitung

Handgemachte Handtaschen:Das Damen-Duo an der Nähmaschine

Alexandra Neger ist mit ihrem Atelier von Seefeld nach Starnberg an die viel befahrene Hanfelder Straße umgezogen. Doch das muss kein Nachteil sein, findet die gelernte Damenschneiderin: "Man kann uns nicht übersehen."

Von Otto Fritscher, Starnberg

Nein, der ewige Verkehr, der auf der Hanfelder Straße bergab in Richtung Stadtmitte mehr steht als fließt, der stört sie nicht. Es kommt wohl darauf an, mit welchen Augen, aus welchem Blickwinkel man diese Blechlawine betrachtet. Alexandra Neger tut dies durch das Schaufenster ihres Geschäftes, von der Werkstatt ihrer "Lederschneiderei" aus also; und sie sieht etwa im Aufbau eines Lastwagens, der normalerweise Baumstämme transportiert, in dessen Gestänge ein hübsches, grafisches Muster.

Es ist diese Kreativität, die man auch in den Erzeugnissen wiederfindet, die Alexandra Neger aus Leder in ihrer Werkstatt fertigt: Jacken, Mäntel, Taschen in allen Formen und Farben. An den Fenstern des Ateliers stehen fünf Nähmaschinen, denen man ansieht, dass sie nicht die neuesten sind - "aber die zuverlässigsten", sagt Neger, ganz ohne Elektronik und ohne digital. Eine wird sogar mit 380-Volt-Starkstrom betrieben. "Der Starkstrom ist für die gleichmäßige Umsetzung zuständig", erklärt die Schneidermeisterin.

Seit einem Dreivierteljahr gibt es die "Lederschneiderei" in Starnberg, zuvor hatte Neger ihre Ladenwerkstatt im Seefelder Schloss. "Als ich gesehen habe, dass der Laden in Starnberg frei wird, habe ich mich sofort darum bemüht", sagt die Schneiderin. Der Grund ist einleuchtend: Sie wohnt seit einigen Jahren in Starnberg, und die Kinder - Alexandra Neger ist fünffache Mutter - gehen in der Kreisstadt in die Schule. Und ihr gefallen die Räume an der Hanfelder Straße einfach.

Sie hat sie auch ungewöhnlich ausgeschmückt, etwa mit einem Foto, auf dem die Umzäunung eines ehemaligen Atomwaffenlagers der US-Streitkräfte in Deutschland zu sehen ist. Aus dem Radio tönt Hardrock, der dann zu einem sanften Jazz abschwillt. In der Mitte des Raums steht ein sehr großer Tisch, auf dem gearbeitet wird, nur gleich hinter dem Eingang zeugen ein paar fertige Taschen von der Kreativität der Lederspezialistin. "Wir arbeiten eigentlich nur nach Bestellung, ich will keine Kollektion von der Stange haben, sondern Einzelstücke machen", erklärt Alexandra Neger ihre Geschäftsphilosophie.

Mit "Wir" meint die Geschäftsinhaberin Sofie Müller, ihre Auszubildende, die ebenfalls Damenschneiderin werden will. Die beiden kennen sich allerdings schon lange, sie waren Nachbarn in München, und Müller hat bei Alexandra Neger schon als Babysitterin gearbeitet. Und Sofie Müller hat ein abgeschlossenes Studium, sie wollte ursprünglich Lehrerin werden, bis ihr Faible für das Handwerk dann doch stärker war. "Mir macht es Spaß, kreativ zu arbeiten und die Idee dann auch umzusetzen", erklärt die Azubine, und Alexandra Neger nickt zustimmend. Beide sind, das darf man wohl sagen, ein eingespieltes Team.

Neger hat vor gut 30 Jahren in München in einer Schneiderei das Handwerk gelernt, und schon dieser Ausbildungsbetrieb war auf Leder spezialisiert. Und seit 1993 arbeitet sie in ihrem eigenen Geschäft, wenn man mal von einer etwa fünfjährigen Familienzeit absieht, in der sie sich vor allem ihren Kindern gewidmet hat. Und von einem kleinen Ausflug in die Lebensmittelbranche. Sie führte drei Jahre lang mit einem Kollegen, der ebenfalls Lederschneider war, einen Bioladen in Schäftlarn - bevor sie dann doch wieder an die Nähmaschine zurückkehrte. Ihr ehemaliger Kollege eröffnete daraufhin erfolgreich einen Bioladen in Bad Tölz.

Den Umzug aus Seefeld haben etliche ihrer Kunden mitgemacht. Und sie hat in Starnberg neue für die "Lederschneiderei" gewonnen. Das sei auch ihrem verkehrsreichen Standort zu verdanken, sagt sie. "Jeder fährt irgendwann mal an meinem Geschäft vorbei, steht im Stau, schaut sich das an - und kommt dann vielleicht zu mir", sagt Neger. Die meisten ihrer Kunden wissen den Wert von echter Handwerksarbeit zu schätzen, und sie wissen auch, dass diese nicht billig zu haben ist. "Manchmal muss ich allerdings erklären, warum wir keinen Gürtel für 20 Euro verkaufen", sagt Neger. Denn es ist hochwertiges Leder aus Deutschland, das sie verwendet, und dann ist alles Handarbeit. So kostet ein Gürtel ab 60 Euro, und eine Lederjacke, maßgefertigt natürlich, schon mal 1500 Euro. "Dafür hält die dann aber auch ein Leben lang", sagt die Schneidermeisterin. Und dann hat sie noch einen neuen Plan: Sie will vom Sommer an Nähkurse anbieten.

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SZ vom 23.05.2016
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