SZ-Kolumne: Ham Ham Hemminger, Folge 35:In Gottes Wohnzimmer

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Anna und Patrick Hemminger mit ihrem deutschsprachigen Guide Françesco (Mitte).
Anna und Patrick Hemminger mit ihrem deutschsprachigen Guide Françesco (Mitte). (Foto: Patrick Hemminger/oh)

In Albaniens Hauptstadt Tirana fühlt sich Familie Hemminger erst hoffnungslos verloren, dann aber umso mehr willkommen: Derart freundliche Menschen sind sie nicht gewohnt.

Von Anna Hemminger, Bernried

Wir sind verloren. Gestrandet in der Millionenstadt Tirana, der Hauptstadt von Albanien. Das Handynetz ist seit der Grenze weg, unser Telefonanbieter deckt Albanien nicht ab. Wir können unseren Vermieter nicht anrufen und Google Maps geht auch nicht mehr. Wie sollen wir unser Apartment finden?

Ratlos stehen wir mit Rucksäcken und Koffern in der Rruga Ymer Kurti, der Straße, die wir uns notiert hatten. Da eilen aus der nahegelegenen Taverne zwei Kellner: „Wie können wir euch helfen“, fragen sie auf Englisch. Sie geben uns den Zugangscode für ihr Wi-Fi, sie suchen mit uns die Straße, sie rufen den Vermieter an. Der eilt herbei und führt uns zum Apartment. Freundlicher können Menschen nicht sein. Das merken wir in den nächsten Tagen. Im Supermarkt sucht die Verkäuferin mit uns albanisches Bier, beim Bäcker bekommen wir besseren Kaffee als in Italien, die Jungs in der Tiefgarage, die auf unser Auto aufpassen, grüßen uns wie alte Freunde.

Und dann lernen wir Françesco kennen, der mit uns eine Walkingtour durch Tirana macht. Er ist eigentlich Jurist, die Führungen macht er als kleinen Nebenverdienst. Françesco spricht perfekt Deutsch. In Albanien gab es kurz nach der Wende nur wenige albanische Fernsehsender, also guckten Françesco und seine Schwester deutsches Fernsehen, genauer gesagt Zeichentrickserien. Und auf einmal sprachen die beiden deutsch.

Die Eltern kannten die Sprache nicht, sie dachten, mit ihren Kindern sei etwas nicht in Ordnung, brachten sie zum Arzt. Der lachte und sagte: Keine Sorge, die Kinder sind nicht krank, sie haben nur Deutsch gelernt.

Françesco zeigt uns den riesigen Skanderbeg-Platz, das Zentrum der Stadt. Jede Bodenplatte kommt aus einer anderen Gemeinde Albaniens. Wir schlendern über den Basar, wo alte Herren köstliche Oliven und Kräuter verkaufen, entdecken die alte Burganlage und die größte Moschee Europas. Innen ist blauer Teppich, an den Wänden prachtvolle Verzierungen. „Oh, ist das schön“, staunen die Kinder. „Wie Gottes Wohnzimmer.“ Fast drei Stunden sind wir mit Françesco unterwegs, es fühlt sich an, als ob wir alte Freunde wären.

Es gibt Dolma, von der Großmutter gemacht

Am Mittag finden wir ein herrliches Restaurant, das „Piceri Era“, in dem traditionelle albanische Küche angeboten wird. Verschiedene Meze, Fingerfood zum Teilen, Baccare von Përmet, gefülltes Fladenbrot mit Schafskäse, Dolma von der Großmutter gemacht, Weinblätter mit Reis und Minze, dazu Eier-Zitronensoße und Tiranas traditionelle Casserole, ein Tontöpfchen mit Kalbsinnereien.

Die Kinder nehmen eine Pizza Margherita, groß und knusprig. Italien hatte schon immer einen großen Einfluss auf Albanien. Der Kellner lächelt uns an, wie alle Menschen in Albanien, und winkt zum Abschied. Tirana, wir kommen wieder.

Kantinenessen, Hortpampe, Alltagsbrei – Familie Hemminger aus Bernried hat es satt und bricht auf. Das Ziel: Das beste Essen in Europa finden. Was sie dabei erlebt, erzählt die Familie an dieser Stelle in der wöchentlichen Kolumne „Ham Ham Hemminger“. Mehr Informationen gibt es im Blog www.travelandtaste.world und im Podcast Travel&Taste - Reise durch Europa“. Alle weiteren Folgen der Kolumne gibt es hier.

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