SZ-Kolumne: Ham Ham Hemminger, Folge 20Weihnachten in Sizilien

Lesezeit: 2 Min.

Das Meer tobt, die Kinder juchzen - und Brennholz für den Kamin gibt es schließlich auch noch.
Das Meer tobt, die Kinder juchzen - und Brennholz für den Kamin gibt es schließlich auch noch. (Foto: Hemminger)

Wie Familie Hemminger Heiligabend rettet, obwohl in Süditalien zunächst gar nichts nach einem wohligen Fest aussieht.

Von Patrick Hemminger, Bernried

Italien, das gelobte Land, es beginnt so gut! Völlig erledigt von 24 Stunden Fährüberfahrt von Barcelona nach Civitavecchia und davor 1000 Kilometern vom Westen Portugals bis zum Hafen setzen wir uns in die erstbeste Trattoria, das Delfino. Der Kellner im schwarzen Hemd bringt Brot und Wein. Und dann die Pasta: Chitarrine allo scoglio, Spaghetti mit Meeresfrüchten, Pici del delfino, hausgemachte Nudeln mit Garnelen und Safran, die Kinder kriegen Penne mit Ragú. Sie essen alles auf und Josefine schleckt sogar den Teller ab, bevor sie drei Kugeln Zitroneneis verdrückt. 

Wir fühlen uns angekommen und freuen uns auf die kommenden Wochen, die wir auf Sizilien verbringen wollen. Wir hoffen auf Sonnenschein, erträgliche Temperaturen und italienische Nonnas, die bereitwillig mit uns Pasta kochen.

Doch je weiter wir am nächsten Morgen Richtung Süden kommen, umso ungläubiger blicken Anna und ich aus dem Autofenster. Verlassene Häuser und Müll, Schlaglöcher in den Straßen, Ruinen. Das Land wirkt fertig und ungeliebt. In Villa San Giovanni nehmen wir die Fähre nach Sizilien. Es stürmt und regnet. Als wir unser Haus in der Nähe von Palermo erreichen, ist es längst dunkel. Rasch räumen wir das Auto aus, sind nass und müde. In weiser Voraussicht hat Anna eine Unterkunft mit Kamin gebucht. Ich will ein Feuer entzünden. Doch das Holz ist frisch geschlagen, die Blätter an den Zweigen noch grün - an wärmende Flammen ist nicht zu denken. Jetzt eine heiße Dusche! Doch warmes Wasser haben wir auch keines. Nach einem hastig zubereiteten Abendessen gehen wir ins Bett. Was sollen wir auch sonst tun? 

Aber wie soll das nur an Weihnachten werden? Die Kinder freuen sich doch so! Anna und ich geben alles, um uns die Verzweiflung nicht anmerken zu lassen. Wir schreiben Dutzende Nachrichten an die Vermietungsagentur. Schließlich bringt der Hausbesitzer mit seiner Ape eine Ladung trockenes Holz, und endlich am 24. Dezember repariert ein Klempner den Boiler. Wir machen letzte Einkäufe im Nachbarort Porticello. Wir ignorieren den Müll, wir ignorieren die Frau, die sich lautstark mit einem Baum unterhält, wir ignorieren die tote Katze, die aus einem Müllsack am Straßenrand ragt. Lieber freuen wir uns über die alten Herren, die im Café aufspringen, um den Kindern einen Sitzplatz anzubieten. Und auch die Cornettos mit Pistaziencréme sind köstlich. 

Dann ist Weihnachten! Ich koche unser Traditionsessen Linsen mit Spätzle – mit sizilianischen Linsen und Salsiccia. Das Feuer flackert vor dem selbstgebastelten Baum aus Tannenzweigen, die Kinder machen ein Krippenspiel mit ihren Playmobilfiguren, aus dem Lautsprecher klingt das Weihnachtsoratorium. Am nächsten Morgen wandern wir fünf Minuten bis zum Meer. Das Mittelmeer tobt, die Wellen brechen an den Felsen, die Kinder juchzen, wenn die Gischt über uns hinweg weht. „Was meinst Du?“, frage ich Anna, „geben wir Sizilien noch eine Chance?“ „Aber ja“, meint sie und lächelt.

Kantinenessen, Hortpampe, Alltagsbrei – Familie Hemminger aus Bernried hat es satt und bricht auf. Das Ziel: Das beste Essen in Europa finden. Was sie dabei erlebt, erzählt die Familie an dieser Stelle in der wöchentlichen Kolumne „Ham Ham Hemminger“. Mehr Informationen gibt es im Blog www.travelandtaste.world und im Podcast „Bock auf Regional – Reise durch Europa“. Alle weiteren Folgen der Kolumne gibt es hier. 

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