Von Marbella hatten wir gar nichts erwartet. Die ganze Südküste Spaniens ist zugebaut mit Ferienhaussiedlungen, Hotelanlagen, Shopping-Malls. Dazu der Verkehr: Dicht hinter dem Strand fahren die Autos über eine vierspurige Straße. Authentisch ist hier wenig.
Doch dann bekamen wir von einer Bekannten den Tipp für die Bodega de la Fonda in Marbella. Ein kleines Weinlokal, das es erst seit drei Monaten gibt. Es liegt in der Altstadt – und die ist unerwartet schön. Gepflasterte Gassen, weiße Häuser mit leuchtend gelben oder blauen Fensterläden, überall Blumen und Orangenbäume. Und dazwischen auf der Plaza Santo Christo gleich neben der kleinen Kirche finden wir die Bodega, eingerahmt von zwei Palmen. Tische und Stühle sind aufgestellt, wir setzen uns in die Novembersonne und blättern in der Karte. Es gibt nicht irgendeine Tortilla, sondern la reina de la tortilla, die Königin des Kartoffelomelettes, jeder Biss eine Reise ins Paradies. Bestellen wir, dazu noch Albondigas, kleine Fleischbällchen, und gefüllte Artischocken.
Da tritt die Köchin selbst in Erscheinung: Rocio, klein, blonder Pferdeschwanz, berstend vor Energie: „Ich mache cocina de la abuela,“ sagt sie. Hausmannskost, wie sie in Spanien seit Jahrhunderten üblich ist. Sie empfiehlt uns ihre Croquetas, die sie alle selbst herstellt. „Und dann müsst ihr rabo de toro essen. Stierschwanz. Ein Gedicht.“ Wir blicken uns an. Stierschwanz?
Wenig später beißen wir in knusprige Kroketten und haben den Stierschwanz vor uns stehen, eigentlich ein Gulasch, das Fleisch stundenlang in Rotwein geschmort. Dazu Auberginen und hausgemachte Patatas. „Bueno, oder?“ Rocio steht wieder neben uns und erzählt.
Hausmannskost, wie sie kaum mehr jemand kocht
Sie hatte jahrelang einen Imbiss in der Markthalle, wo sie ihre Rezepte verfeinert hat. Der Stand war immer voll, die Leute freuten sich über die Küche ihrer Kindheit, für die sich heute kaum einer mehr Zeit nimmt. Als einer ihrer Stammkunden auf der Plaza Santo Christo ein Hotel eröffnete, fragte er Rocio, ob sie nicht die dazugehörige Bodega übernehmen könnte. Ein Erfolg.
Rocio winkt mich in die Küche, holt einen Kasten hervor, darin seltsame große Fleischstücke. „Das sind Schweineohren. Die macht heute keiner mehr. Nur ich.“
In den nächsten Tagen besuche ich sie in ihrer Küche. Wir kochen Knoblauchsuppe, frittieren Stockfisch und machen die Königin des Kartoffelomelettes. Das ist gar nicht so schwer. Zehn Kartoffeln zerschneiden, in Olivenöl frittieren, dann zwölf Eier (!) verquirlen und die ganze Masse in einer Pfanne braten. Göttlich. Rocio strahlt: „Wer einmal bei mir war, kommt immer wieder.“ Und das ist wirklich wahr.
Kantinenessen, Hortpampe, Alltagsbrei – Familie Hemminger aus Bernried hat es satt und bricht auf. Das Ziel: Das beste Essen in Europa finden. Was sie dabei erlebt, erzählt die Familie an dieser Stelle in der wöchentlichen Kolumne „Ham Ham Hemminger“. Mehr Informationen gibt es im Blog www.travelandtaste.world und im Podcast „Bock auf Regional – Reise durch Europa“. Alle weiteren Folgen der Kolumne gibt es hier.