Habach:Die reine Wucht

Will Wild Band

Blues-Mann mit unsichtbarem Instrument: Will Wilde und seine Band im Habacher Village.

(Foto: Susanne Wimmer/oh)

Will Wilde und seine Band spielen im Village saftigen Bluesrock mit ungewöhnlich großer Energie. Der Sänger überzeugt vor allem mit seinem Instrument - der Harp

Von Gerhard Summer, Habach

Will Wilde trägt lange glatte Haare und ein Muscle-Shirt, seine Oberarme sind so dick, als wäre er mal Bodybuilder gewesen. Das sieht dann irgendwie putzig aus, wenn der englische Sänger und Mundharmonikaspieler hart am Arbeiten ist. Denn Wilde hantiert im urigen Habacher Musikklub Village natürlich nicht mit Gewichten oder Mikrostativen, sondern mit einer kleinen Harp, die in seinen Händen verschwindet. Und was Wilde mit diesem Instrument anstellt, während seine Band saftigen, geradlinigen Bluesrock mit einer Energie hinlegt, wie sie einst auch Free, Humble Pie oder Rory Gallagher erreichten, ist schon eine Wucht.

Vordergründig nimmt sich sein Spiel gar nicht so ungemein virtuos aus, sondern immer eingängig, elegant und erdig. Aber wie Wilde seine Themen entwickelt, die Triolen wie Perlen auf einer Kette auffädelt, Töne aushält und flattern lässt, Triller aneinanderreiht, große Steigerungen mit ostinaten Figuren erreicht und seinen rhythmisch komplexen Linien Ruhe und Atem gibt, das hat Klasse. Wilde kommt mit ein paar Effekten aus, ein Delay und ein Pedal, das gelegentlich Oktaven dazufügt, genügen ihm. Und sein Stil scheint sich nicht nur an den Größen seines Fachs zu orientieren, an Big Walter oder James Cotton, sondern auch an Musikern wie Buddy Guy, Peter Green oder Maceo Parker. Manchmal imitiert er auf seiner Mundharmonika sogar die Keyboarder-Manier, in einem Rutsch über die Tasten zu wischen. Das ist es dann, was sein Spiel so besonders macht und ihm fünf Mal hintereinander die Nominierung für den British Blues Awards als bester Mundharmonika-Spieler einbrachte: Wilde zeigt, dass in diesem Blasinstrument mindestens auch ein Saxofon steckt und eine E-Gitarre, die Blue Notes mit Saitenziehen erreicht. In seiner Harp steckt Bluesgeschichte.

Für das Habacher Gastspiel mit seiner erstklassig besetzten Gruppe hat Wilde alte und neue Songs mitgebracht, "Can't Hold out" zum Beispiel, "Paranoia", "Blues Is My first Love" und "A Man and The Blues". Dazu gibt's Coverversionen von Rory Gallaghers "Philby" und dem Canned-Heat-Hit "On the Road again", dessen markantes Thema Pate für mehrere eigene Songs dieser Band stand. Wilde setzt auf rauen Chicago-Blues, manchmal vermengt mit Funk, es gibt ein paar langsame Songs zum Durchatmen, aber die Uptempo-Nummern bestimmen den Abend. Und diese Songs haben die kompromisslose Kraft von Rocknummern. Wildes Bluesrock rattert durch wie ein Fernzug am S-Bahnhof, satt, wuchtig und vorangetrieben von seinen hoch musikalischen Solos. Ob mit dieser Geradlinigkeit eines seiner Bandmitglieder mithalten kann, vielleicht der Gitarrist?

Anfangs scheint das eher nicht der Fall zu sein. Danny Giles, ein Mann wie ein Baum, der von der Statur her dem Country-Hexer Johnny Hiland ähnelt, ist zwar ein Musiker, dem technisch kaum einer was vormacht. Aber seine Alleingänge wirken gerade im Vergleich mit Will Wildes ergreifendem Spiel ein wenig gehetzt und beliebig, ganz so, als wäre er gezwungen, in ein paar Takte alles hineinzupacken, was er kann. Doch das Blatt wendet sich. Und spätestens bei "Don't Go Messin", einem seiner eigenen Songs, schließt der Gitarrist aus Crawley nahe London zu seinem Bandchef auf. Endlich lässt er sich ein wenig Zeit, setzt bei den Steigerungen auf die Wiederholungen, aus denen der Blues seine Kraft und Magie gewinnt, und zaubert rekordverdächtig schnelle Läufe so flüssig und ungemein stimmig hin, dass einem die Luft wegbleibt. Das klingt dann deutlich mehr nach Robben Ford als nach John Lee Hooker oder Buddy Guy. Der verzinkte Jazzrock mit all den Noten, die ein bisschen fernab der Spur sind, liegt ihm wesentlich mehr als der simple und effektvolle Riff-Stil, den Wilde praktiziert, wenn er zur Gitarre greift. Dazu kommt noch, dass Giles ein ausgezeichneter Sänger ist, der den Kummer dieser Slow-Blues-Nummer rausschreit und zu den ganz hohen Tönen vorstößt.

Und so macht "Don't Go Messin" auch klar, was dem Sänger Wilde fehlt: Der Harp-Meister, der einmal an diesem Abend von der Bühne steigt, wie der Rattenfänger von Hameln quer durchs Village marschiert und dabei auf seiner Harp bläst, hat zwar eine schöne, schlanke und soulige Stimme. Aber er singt immer auf demselben ausgewogenen Level, ganz ohne Ausbrüche. Und das wirkt auf Dauer, so voller Gefühl seine Musik auch ist, fast ein wenig emotionslos. Trotzdem: Die begeisterten Fans im vollbesetzten Village wollten die Band gar nicht mehr ziehen lassen. Viel Applaus, Gepfeife und Jubel.

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