Süddeutsche Zeitung

Gymnasium Starnberg:Eltern protestieren gegen Sanierungsstau

Schmutzige Wände, offene Kabel, Wasserschaden: Am Starnberger Gymnasium gibt es erhebliche Mängel. Doch die Stadt will die Renovierung wegen Überlastung des Bauamts verschieben

Von David Costanzo, Starnberg

Kabel hängen von der Decke. Die Hälfte der Physikräume erfüllt nicht mehr alle Sicherheitsnormen. Die Toiletten ohne Deckel wirken wie aus den Gründungsjahren des Starnberger Gymnasiums - und in den bereits sanierten Bädern fehlen immer noch Türen. Die Schule scheint seit mehr als zehn Jahren keinen Pinsel mehr gesehen zu haben. Schmutz an den Wänden, angeschlagene Ecken, Risse. Das soll jetzt noch einmal mindestens eineinhalb Jahre so bleiben?

Die Eltern können es nicht fassen. Vier Mütter aus dem Elternbeirat haben am Montagabend im Starnberger Stadtrat dagegen protestiert, dass die Schule nicht wie geplant in diesem Jahr, sondern frühestens im kommenden Jahr weiter saniert werden soll. Vize-Direktorin Uta Lechner ist auch gekommen. "Wollen Sie das wirklich streichen?", fragt Elternbeiratsvorsitzende Tatjana von Groll-Schacht in der Bürgerstunde. Was sollen sie denn kommende Woche den Eltern der künftigen Fünftklässler sagen, wenn die zu Infoabend und Tag der offenen Tür kommen? Die Beratung wird in einer Hauruck-Aktion von der Tagesordnung gestrichen. Manche Stadträte wissen hinterher nicht, worüber sie abgestimmt haben.

Vor dem Sitzungssaal fühlen sich auch die Elternvertreterinnen überrumpelt. Worte wie "Skandal" und "Armutszeugnis" fallen. Die Stadt schmücke sich gern mit dem guten Ruf des Gymnasiums, aber das sei alles Fassade. Manche Mädchen würden schon nicht mehr in der Schule zur Toilette gehen wollen, und nun verkniffen es sich auch schon Buben. Die Eltern fordern keine Luxussanierung. Aber die 1000 Schüler und 85 Lehrer hätten Anspruch auf Sicherheit und ordentliche Toiletten.

Das war alles längst geplant. Die Kämmerei hatte erst am vergangenen Montag im Finanzausschuss den Haushaltsentwurf für das laufende Jahr vorgestellt, in dem eine Zwölf-Millionen-Lücke klafft - darin 1,8 Millionen Euro für die Sanierung und noch einmal eine Million bis 2021. Im Bauausschuss am Donnerstag die Wende: Plötzlich machte die Bauverwaltung nach den Worten von Bürgermeisterin Eva John (BMS) geltend, dass sie unter anderem mit dem Neubau des Wasserparks ausgelastet sei, der im April öffnen soll. Ohne Diskussion votierte der Ausschuss gegen die Stimme Otto Gaßners (UWG) nur für eine Reparatur der Heizung. Die Eltern erfuhren das aus der Süddeutschen Zeitung - genau wie die Schulleitung.

Vize-Direktorin Uta Lechner schimpft nicht, sie sorgt sich. Sie lobt, dass die Stadt schon viel angepackt hat. Sie befürchtet aber, dass sie weiter auf einer Baustelle lehren und lernen müssen. Ein Aufzug wurde montiert und das Lehrerzimmer ist im ersten Bauabschnitt "sehr schön geworden". Der zweite Bauabschnitt würde nach derzeitigem Stand verschoben werden. Dort ragen Rohre für die Teeküche ins Leere. Bücher und Lehrmaterial aus Wandschränken, die herausgerissen werden sollten, wurden bereits in einem Klassenzimmer deponiert, das eigentlich für den Unterricht gebraucht würde. Zwei Physik-Räume sind nach dem neuesten Stand der Technik hergerichtet, schließlich sollen die Kinder nach dem neuen Lehrplan viel mehr selbst experimentieren. In den beiden anderen liegen alle Steckdosen offen, überall Kabel, Lehrer haben einen Schalter am Pult mit Tesafilm fixiert. An der Decke sind die Überbleibsel eines Wasserschadens im Pavillon-Trakt zu erkennen. Vor allem aber wünscht sich die Schule, dass endlich alle Gänge wieder geweißelt werden. "Unser Haus braucht Farbe", sagt die Vize-Direktorin. In diesem Zustand fürchtet die Leitung weniger Anmeldungen - bei ohnehin leicht sinkenden Schülerzahlen.

John hatte in der Sitzung am Montagabend noch erklärt, dass es nicht am Willen oder an Geld fehle - etwa 1,2 Millionen Euro der Kosten würde heuer ohnehin der Landkreis bereitstellen. Am Tag darauf ergänzt sie, dass neben der Heizung auch das bereits angefangene Lehrer-WC und die behindertengerechte Toilette im April fertiggestellt und die Fassade im Physikbereich gedämmt würden. Lehrerzimmer und eine weitere WC-Anlage könnten nur dann noch heuer hergerichtet werden, wenn das Personal dafür vorhanden sei. Physikraum, weitere Fassaden und Akustikverbesserungen müssten warten. Bald soll es einen Ortstermin mit dem Bauamt geben.

Auch die Politik ist aufgeschreckt: In der Sitzung hatte bereits CSU-Stadtrat Stefan Frey den Eltern Mut gemacht. Am Morgen danach kündigt Bürgerlisten-Stadträtin Angelika Wahmke an, die Stadtratsmehrheit wolle per Antrag die Sanierung durchsetzen.

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Quelle:
SZ vom 28.02.2018
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