Süddeutsche Zeitung

Gymnasium in Herrsching:Für den Eschen-Sumpfwald versetzt

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Die Gemeinde plant kleine Änderungen beim Bau, um den Eingriff ins Biotop möglichst gering zu halten

Von Astrid Becker, Herrsching

Burkhard Quinger kennt das Gelände seit seiner Kindheit. Von dem Biotop, das sich darauf befindet, weiß er wahrscheinlich mindestens eben so lang. Quinger ist aktives Mitglied im Bund Naturschutz, er ist sogar Beisitzer im Vorstand und obendrein Diplom-Biologe. Und so lag es gewissermaßen nahe, zumal Quinger auch Herrschinger ist, im Auftrag des Bund Naturschutzes eine Fachstellungnahme zu dem etwa zwölf Hektar großen Biotop auf dem Areal des geplanten Gymnasiums am Mühlfeld in Herrsching abzugeben. Eine Idee, die nun Früchte trägt: Denn Quingers Begutachtung führte nun zu einer Verschiebung der Baukörper.

Es ist Montagabend, und der Herrschinger Gemeinderat tagt trotz Corona. Das Gymnasium Herrsching und die damit verbundene Bauleitplanung, die unter frühzeitiger Beteiligung aller Träger öffentlicher Belange erfolgt, duldet keinen Aufschub. Sie ist also ein wichtiger Grund, das Gremium einzuberufen - wenngleich die Sitzung diesmal in der Martinshalle abgehalten wird, weil nur dort der geforderte Mindestabstand von eineinhalb Metern zwischen den Ratsmitgliedern eingehalten werden kann. Die Sitzungsunterlagen sind mehrere Zentimeter dick, knapp 100 Seiten betreffen allein das geplante Gymnasium - weil es an diesem Abend einerseits um den Bebauungsplan für das insgesamt etwa 43 000 Quadratmeter große Grundstück, andererseits um die Änderung des Flächennutzungsplans für das Vorhaben geht. Deshalb sind auch der Rechtsanwalt der Gemeinde, Jürgen Busse, gekommen sowie vom Landratsamt Kreiskämmerer Stefan Pilgram und Stefan Höck vom Fachbereich Finanzwesen und Gebäudewirtschaft, als solcher auch für das Gymnasium zuständig.

Und dieser Aufmarsch an Vertretern des Bauherren hat einen gewichtigen Grund. An dem Biotop, das sich auf dem Gymnasiumsgrundstück befindet, haben sich von Anfang an die Geister geschieden. In einer ersten Studie der Starnberger Landschaftsarchitekten vom Büro "Terrabiota" aus dem Jahr 2017 waren die Waldflächen auf dem Grundstück als "sonstige standortgerechte Laubmischwälder" dargestellt, aber nicht weiter differenziert worden. Das ist zumindest der aktuellen Fachstellungnahme des Bund Naturschutz zu entnehmen, die Quinger angefertigt hat. Bei seiner Begehung dafür auf dem Areal findet er Gehölzformationen vor, die naturschutzrechtlich eine große Rolle spielen: nasser Eschen-Sumpfwald, der als geschützter Waldtyp gilt, sowie Grauweiden-Gebüsche, deren Grundwert nach der Bayerischen Kompensationsordnung als hoch eingestuft wird. Das bedeutet konkret: Für beide Bewuchstypen müssten Ausgleichsflächen ausgewiesen werden. Während Grauweiden-Gebüsche sich auf nassen Mineralböden wiederherstellen ließen, gilt dies bei den Eschen-Sumpfwäldern als relativ ausgeschlossen. Eine Schutzwürdigkeit ist also dem Bund Naturschutz zufolge gegeben - während "sonstigen standortgerechten Laubmischwäldern", wie in der Terrabiota-Studie angeführt, keinerlei Rechtsschutz zugebilligt wird.

Beim Bauherrn, dem Landkreis, sowie bei der Gemeinde, die für die Bauleitplanung zuständig ist, haben die Einwände des Bund Naturschutz Gehör gefunden. Dafür wurden die beiden geplanten Baukörper auf dem Areal, die "Lernhäuser", nun näher aneinander gerückt, um den Eingriff in das Biotop zu verringern. Die Idee, aus dem Biotop, eine Art grünes Klassenzimmer zu machen, ist damit ad acta gelegt. Die beiden unterschiedlichen Gutachten sollen nun noch einmal gegeneinander geprüft werden, auch eine erneute Begehung des Areals dazu ist geplant. Zudem steht im weiteren Verfahren auch noch eine hydrogeologische Untersuchung an, die Auswirkungen des Bauvorhabens auf den Gewässerhaushalt des Bodens analysieren soll. Je nachdem, was herauskommt, wird über Ausgleichsflächen nachgedacht oder über Ausnahmeregelungen, die aber nur in Abstimmung mit den Naturschutzbehörden bewilligt würden, wie Melanie Faude vom Herrschinger Bauamt sagt: "Wir werden aber alles tun, um den Eingriff in das Biotop so gering wie möglich zu halten." Was jedoch unter gering zu verstehen ist, bleibt noch offen.

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SZ vom 08.04.2020
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