Gleichberechtigung:Endlich akzeptiert

Starnberg LRA, Sophie v.Wiedersperg

Die "Dame" ist im Schachspiel die zentrale Figur. Sie ist darum, wie Sophie von Wiedersperg findet, zurecht Symbolfigur der neuen Ausstellung

(Foto: Georgine Treybal)

Die Gleichstellungsstelle im Landratsamt, die inzwischen bei allen Personalentscheidungen gefragt ist, wird 30 Jahre alt

Von Sabine Bader, Starnberg

Früher waren Trennung und Scheidung die Hauptthemen für die Frauen, heute ist es meist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Seit 30 Jahren suchen und finden Frauen Rat in der Gleichstellungsstelle im Starnberger Landratsamt. "Anfangs wurden wir eher belächelt, da war gern die Rede vom ,Frauengedöns", erinnert sich Sophie von Wiedersperg, die heutige Leiterin. "Doch über die Jahre haben wir uns Akzeptanz erarbeitet. Heute werden wir zu allen wichtigen Personalentscheidungen im Amt hinzugezogen." Als Wiedersperg 2006 die Leitung der Stelle übernahm, waren im Landratsamt zwei Drittel der Belegschaft Frauen, aber nur ein Drittel aller Führungspositionen mit Frauen besetzt. Heute ist es immerhin die Hälfte der Spitzenjobs. Am Donnerstag feiert die Gleichstellungsstelle offiziell ihren Geburtstag im Rathaus Gilching.

Die Themen, mit denen sich Frauen an die Gleichstellungsstelle wenden, sind vielseitig. Es geht um Ehe, Kinder und Beruf, aber auch um häusliche Gewalt. So kann Wiedersperg sich beispielsweise an einen Fall erinnern, bei dem sich eine Frau mit Migrationshintergrund aufgeregt bei der Beratungsstelle meldete, weil ihr jähzorniger Mann gerade ausrastete. Gemeinsam mit Polizeibeamten versuchte Wiedersperg daraufhin, in der Wohnung der Eheleute den Mann zu beruhigen, und begleitete anschließend die Frau ins Frauenhaus.

Doch nicht nur Frauen suchen in der Beratungsstelle Hilfe. Da ist zum Beispiel der Fall eines alleinerziehenden Vaters mit drei Kindern, dessen Frau gestorben ist. Er wendet sich an die Gleichstellungsstelle und lässt sich beraten. Im Gespräch wird deutlich, dass der Mann ein paar Tage Auszeit dringend nötig hat. Über den SZ-Adventskalender erhält die Familie die Möglichkeit, sich in den Weihnachtsferien einige Tage in einem Familienhotel mit Kinderbetreuung zu entspannen.

Die Geschichte der Gleichstellungsstelle im Landkreis beginnt bereits 1986 mit einem Gesetz. Es schreibt vor, dass Behörden mit mehr als 100 Mitarbeitern eine Frauenbeauftragte brauchen. Rudolf Widmann (FDP) ist damals noch Landrat und findet das, wie sollte es anders sein, schlichtweg "unnötig". Erst als sich die politisch engagierten Frauen im Landkreis parteiübergreifend zusammentun und mit einer öffentlichen Podiumsdebatte Druck auf ihn ausüben, lenkt Widmann ein. Er ernennt schließlich 1988 Rosa Schaffrath, die Juristin im Landratsamt, zur ersten Frauenbeauftragten des Landkreises. Für Schaffrath eine reine Nebentätigkeit, für die es keine Extrastunden gibt. Sie berät Frauen, die über Trennung und Scheidung nachdenken, in rechtlichen Fragen. Das erste Projekt des Frauenbüros ist der "Neue Start ab 35", den Li Binder-Weberg leitet. So will man Frauen bei der Rückkehr in die Arbeit helfen.

Als 1996 Heinrich Frey zum Landrat gewählt wird, räumt Schaffrath, die gegen ihn angetreten war, ihren Posten im Landratsamt. Auch Frey hat es nicht besonders eilig damit, eine neue Leiterin der Gleichstellungsstelle zu ernennen. Er lässt 100 Tage locker verstreichen. Wieder sind es die politisch engagierten Frauen, die aktiv werden. Aus ihren Reihen im Kreistag kommt die Initiative, sie laden zu einer öffentlichen Veranstaltung ein und üben so Druck auf Frey aus. Er ernennt Ende 1997 Johanna Demler-Gewehr. 2004 übernimmt Elfriede März von ihr die Stelle und schließlich 2006 Sophie von Wiedersperg.

In ihre Rolle im Haus ist Wiedersperg regelrecht hineingewachsen. "Meine Kariere im Landratsamt begann 1990 als Sozialhilfeempfängerin", erzählt sie. Denn die damals 35-jährige Sozialpädagogin ist als Alleinerziehende auf ergänzende Hilfsleistungen angewiesen. Es ist die Zeit der ersten Flüchtlingswelle. Das Landratsamt sucht händeringend Sozialpädagogen. Wiedersperg erhält eine Halbtagsstelle im Amt und betreut Asylsuchende. Schaffrath holt sie schließlich zur Beratung für Alleinerziehende. Ein Thema, bei dem sie auf eigene Erfahrungen zurückgreifen kann. Sie wird Schaffraths Stellvertreterin. Seit 1994 ist Wiedersperg auch in der Schwangerschaftsberatung tätig. Und wer sie heute fragt, was rückblickend ihre Hauptaufgabe in Sachen Gleichstellung war, dem sagt sie: "An die Nerven gehen und auf die Nerven gehen."

Die Ausstellung "Sie sind am Zug - Frauen in Führungspositionen" ist bis zum 21. Oktober im Foyer des Landratsamtes zu sehen.

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