Talentiade 2019:Die Aufsteigerin

Die 16-jährige Christina Kautzner aus Gilching erreicht bei den Deutschen Meisterschaften im Sportklettern den fünften Rang - als jüngste Teilnehmerin im Finale. Die größte Schwierigkeit in ihrem Sport besteht darin, die Wand richtig zu lesen.

Von Peter Haacke

Ein Händedruck, heißt es, ist ein Moment der Wahrheit und ein Ausdruck des Charakters. Er verdeutlicht Selbstgefühl und Selbstbewusstsein, sollte weder lasch noch zu fest sein und keinesfalls länger als drei Sekunden dauern. Christina Kautzner hat einen überraschend festen Händedruck. Dies ist jedoch keinesfalls als Dominanzverhalten zu deuten, sondern vielmehr Ausdruck ihres Sports: Die 16-jährige Gymnasiastin aus Gilching betreibt Sportklettern, bei dem kräftige Hände, Arme und Schultern wesentliche Erfolgsfaktoren sind.

Sportklettern ist zwar eine Randsportart in Deutschland, erfreut sich aber vor allem im Freizeitbereich zunehmender Beliebtheit. Auch Christina fand den Einstieg in ihren Sport, den sie seit ihrem zwölften Lebensjahr betreibt, über ein Freizeitangebot: Die Kletterwand bei Sport Schuster in München, der in den Schulferien Kinderkurse anbietet, hatte es ihr angetan. "Da wollte ich immer hin", erinnert sich Christina. Damals nervte sie ihre Mutter Andrea so lange mit dem Thema, bis die endlich nachgab: "Jetzt geh' da halt hin."

Sportklettern: Christina Kautzner aus Gilching bei der Deutschen Meisterschaft 2018 im Lead.

Sie trainiert fast täglich in Augsburg, München oder Gilching: Christina Kautzner vom Deutschen Alpenverein München und Oberland peilt die Aufnahme in den Nationalkader und die Teilnahme am europäischen Jugend-Cup an.

(Foto: Daniel Kretschmer/oh)

Einem Grundkurs in der Kletterhalle des Deutschen Alpenvereins in Gilching folgte regelmäßiges Training, bis nach eineinhalb Jahren die Frage aufkam: Gibt es denn auch Wettkämpfe? Die gab es durchaus. Unter Obhut von Trainerin Tabitha Eckfeld, die damals zu den deutschen Top-10-Kletterinnen zählte und mittlerweile bei "Ninja Warrior", ein Action-Wettbewerb im Fernsehen, zu sehen ist, verfeinerte Christina ihre Fähigkeiten. Den ersten Erfolg feierte sie 2016 bei der Münchner Meisterschaft in der Altersklasse Jugend, im gleichen Jahr wurde sie zudem Starnberger Stadtmeisterin im Skifahren, eine Leidenschaft der ganzen Familie.

2018 standen 18 Wettkämpfe an, darunter der deutsche Jugend-Cup, die bayerische Serie und die Deutschen Meisterschaften der Erwachsenen in Darmstadt. Hier landete sie als jüngste Teilnehmerin im Finale auf dem fünften Rang. Hinter den Erfolgen steckt hartes Training: Einmal pro Woche geht es ins Landesleistungszentrum Augsburg und zum Stützpunkttraining in München, zweimal wird in der Gilchinger Kletterhalle trainiert. Am Wochenende stehen Wettkämpfe, Lehrgänge oder Training auf dem Programm. Die schulischen Leistungen der Zehntklässlerin, die Mathematik, Physik und Englisch als Favoriten nennt, leiden nicht: Schlechteste Note im letzten Zeugnis war eine Drei.

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Sportklettern wird seine olympische Premiere 2020 in Tokio haben als Kombination aus Speedklettern, Bouldern und Leadklettern. Bouldern ist eine Variante in Absprunghöhe bis zu vier Meter Höhe mit Matten am Boden. "Lead" ist das klassische Seilklettern, bei der Wände mit enormem Überhang bis zu 20 Meter Höhe unter Sicherung eines Helfers bestiegen werden. Dritte Variante ist das Speed-Climbing auf einer seit 2005 weltweit genormten Route mit 15 Meter Höhe. Die Weltrekorde liegen bei den Männern bei 5,48 Sekunden und bei den Frauen bei 7,32 Sekunden, Christina schafft die Route in 13 Sekunden.

Ihre Lieblingsdisziplin ist Lead, "weil ich da am besten bin", sagt sie. Kraft und Ausdauer sind die Grundlagen, am Campus-Board - Holzleisten mit unterschiedlicher Dicke - werden die Finger trainiert. "Wichtig ist Beweglichkeit", sagt die 59 Kilo schwere und 1,66 Meter große Athletin. "Und vorher überlegen, wie man klettern will." Die größte Schwierigkeit besteht darin, die Route richtig zu lesen.

Unterstützung bekommt Christina von der ganzen Familie, allen voran Vater Ralf Kautzner: Der begeisterte Skifahrer betätigt sich als Funktionär im Ergebnisdienst, zuweilen aber auch als "Sicherer" für seine Tochter. Mittlerweile ist Christina im Bayern-Kader der A-Jugend, Landestrainerin Ines Dull arbeitet die Trainingspläne aus. 2018 war Christina, die für den Deutschen Alpenverein München und Oberland startet, bei den Deutschen Meisterschaften im Bouldern und Lead die Beste ihres Jahrgangs. Dieses Jahr will sie am europäischen Jugend-Cup teilnehmen ("das wäre cool") und in den Nationalkader. Dieses Wochenende gibt es den ersten Formtest: Am 25. Mai startet sie in Kempten beim deutschen Jugendcup. Und am 22. Juni stehen in Duisburg die deutschen Meisterschaften im Speed-Climbing und erneut der Jugendcup auf dem Programm.

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