Gilching:Solistinnen auf Augenhöhe

Lesezeit: 2 min

Internationale Formation: Die Belgierin Eva Buchmann singt in vier Sprachen, die Schweizerin Sonja Huber studierte Vibrafon in Basel und Berlin. (Foto: Arlet Ulfers)

Mit Scat-Gesang und Vibrafon: Das Duo Lottchen erweist sich als packende Konstellation

Von Reinhard Palmer, Gilching

Bands sind ja heutzutage oft international besetzt. Die Jazzsängerin Eva Buchmann schafft es aber alleine, international zu sein. Die in Holland geborene Belgierin, die in Antwerpen, Berlin und Kopenhagen studiert hat und in Köln lebt, singt englisch, brasilianisch, spanisch und französisch. Dank Live-Samples braucht sie auch keine Mitsänger, um A-cappella-Chorsätze zu realisieren. Im Grunde auch keine Band: Sie singt Bass, Rhythmus und Harmonien ein, um darüber virtuose Scat-Improvisationen ranken zu lassen.

Dennoch kam sie nicht alleine ins Gilchinger Rathaus, sondern als doppeltes "Lottchen" mit der Vibrafonistin Sonja Huber. Die Schweizerin, die in Basel und Berlin studiert hat, zeigte sich nicht minder vielseitig als Eine-Frau-Band. Gilchings Kulturbeauftragter Jakobus Ciolek hatte ein Duo der besonderen Art eingeladen, fand damit aber leider wenig Resonanz beim Publikum. Für die Musikerinnen wurde es durch die Leere im Raum ein Auftritt unter erschwerten Bedingungen, ist es doch sehr anstrengend, unter solchen Umständen eine packende Konzertatmosphäre zu schaffen. Aber das Duo Lottchen bewies Professionalität, ließ sich nicht aus dem Konzept bringen und zog ihr erstklassiges Programm mit vielen Eigenkompositionen durch.

Beide agieren ohnehin eher als zwei Solistinnen auf Augenhöhe und müssen exponiert überzeugen - was den Vorteil hat, dass ihre Musik an Klarheit und Transparenz kaum zu überbieten ist. Wer mit begrenzten Möglichkeiten und Askese rechnet, liegt falsch: Huber und Buchmann gehen nie die Ideen aus, die Stücke fesselnd und farbenreich zu inszenieren. Huber war keinesfalls nur zur Begleitung verdonnert, sie war auch immer wieder gleichwertige Partnerin, die mit der Singstimme spannungsreiche Harmonien formte und meist rhythmisiert das Schlagzeug ersetzte. Oft war Huber aber tatsächlich der begleitende Motor mit ostinaten Figuren oder swingenden Grooves. Bisweilen arbeitete die Vibrafonistin sowohl mit Schlägeln als auch mit dem Streichbogen, um substanzvolle Borduntöne mit harmonischen Spannungen zu kombinieren, während Buchmann leidenschaftlich und ausdrucksstark mit den Farben ihrer Stimme spielte.

Die kleine Besetzung nötigt geradezu zur dichten Textur. Auf diese Weise erhielten die Songs von vornherein einen gewissen narrativen Impetus, der sich wunderbar mit brasilianischen Melodien und Sambas wie "Dança da Solidão" oder Antonio Carlos Jobims "Waters of March" vertrug. Ebenso mit französischen Chansons wie "J'ai deux amours" oder in der Zugabe "Quand je marche", mit kubanischer Lebensfreude in "Calle villegas" oder dem rezitativisch groovenden italienischen Song "Ricordi ai misteri di trapani". Das Repertoire von Huber und Buchmann ist zum größeren Teil selbst komponiert, doch die Stücke empfinden überzeugend die zur jeweiligen Sprache passenden Temperamente nach. Für Buchmann gehört für die musikalische Narration zu den zentralen Instrumenten und das Duo nutzte sprachliche Ausprägungen, um den Stücken packenden Ausdruck zu verleihen.

Aber auch im textlosen Scat verstand es die Sängerin, tiefe Emotionen in musikalische Formen zu verwandeln. Eine interessante Nuance kreierte Huber mit in Papier gewickelten Schlägeln, die einen schlankeren Klang erzeugten. Eine aufregende Konstellation ergab auch die Umkehrung der Rollen, wenn Buchmann mit Samplern die Begleitakkorde übernahm, während Huber sich Melodie und Thematik widmete. Eine fesselnde Vorführung der Qualitäten der Reduktion, die lang anhaltenden Applaus erntete.

© SZ vom 04.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: