Gilching:Melancholie für Zwei

Gilching: Exzellente Technik: Sängerin Leonore Laabs bei ihrem Liederabend mit der Pianistin Bonny Palm.

Exzellente Technik: Sängerin Leonore Laabs bei ihrem Liederabend mit der Pianistin Bonny Palm.

(Foto: Arlet Ulfers)

Sopranistin Leonore Laabs und Pianistin Bonny Palm mit Lieder von Schumann und Strauss in Gilching

Von Reinhard Palmer, Gilching

Instrumentalisten haben es leichter, meistens können sie ihr Fach ohne Einschränkungen bis ins hohe Alter ausüben. Bei Sängern ist das anders, denn die Stimme verblasst recht früh. Leonore Laabs (Sopran) beugt mit herausragender Technik vor, die sie sorgsam und in höchster Konzentration nun beim Liederabend des Kunstforums Gilching in der Aula des Gymnasiums einsetzte. Sopranistische Brillanz war allerdings nicht unbedingt die vordringliche Anforderung, ging es doch im Programm um Lieder von Robert Schumann und Richard Strauss, die in der Auswahl eher auf verschattete Melancholie oder allenfalls verhaltene Heiterkeit bedacht waren.

Obgleich die Komponisten nicht derselben Generation angehörten und Strauss sich lediglich in der Frühphase auf Schumann (und Brahms) stützte, war das Programm dennoch stimmig. Das lag wohl daran, dass beide eine ähnliche musikalische Auffassung vertraten, insbesondere was den Klang betrifft. Auch in der Liederauswahl ging es in erster Linie um das feinsinnige Changieren der Atmosphäre, der Farbklänge und der Charakteristika. Pianistin Bonny Palm griff in besonderer Weise ins Geschehen ein: Abgesehen vom Begleitpart, den die Engländerin mit großer Sorgfalt und Einfühlsamkeit ausführte, nahm sie sich zwischen den Liedern ungewöhnlich viel Zeit, dehnte die Stille und Konzentration weit aus.

Ein riskanter Kunstgriff, Spannung aufzubauen, kann sich doch die Wirkung schnell umkehren, wenn die Aufmerksamkeitsgrenze überschritten wird. Andererseits gewann der Klavierpart dadurch deutlich an Gewicht, zumal sich Palm hier sicherer zeigte als in den solistischen Einlagen, was wohl eher daran lag, dass die Pianistin auch in diesem Fall die Noten benötigte. Es dauerte denn auch eine Weile, bis sich Schumanns "Papillons" op. 2 vom reinen Text lösen und in klangschöner, schlanker Pianistik ihre reich differenzierte Emotionalität entfalten konnten. Ähnlich erging es Schumanns "Träumerei" aus den "Kinderszenen" op. 15, in der es Palm nicht allzu genau mit dem Notentext nahm. Mit bedächtigem Sinnieren kam auch hier die Klangverwandtschaft zu Strauss deutlich zum Vorschein. In dessen "Träumerei" aus "Stimmungsbilder" op. 9 legte Palm eine Portion Atmosphäre nach: mysteriös, verschattet, dabei zart. Dies sollte sich in "Heidebild" aus demselben Zyklus fortsetzen, allerdings mit dramatischer Verdichtung.

Im Liedrepertoire kommt es vor allem darauf an, wie sehr Sängerin und Begleiterin am Flügel miteinander harmonieren. Dahingehend zeigte sich das Duo homogen. Und diese Homogenität ist gerade in den Strauss-Liedern auf eine harte Bewährungsprobe gestellt, kann sich doch das weiträumige Fließen der melodischen Linien keinerlei Uneinigkeit erlauben. "Morgen!" op. 27/4, das Palm mit einer klangschönen Introduktion in Seelenruhe ausbreitete, sollte so zu einem Glanzstück des Abends werden. Die dramaturgische Steigerung von tief beseelter Empfindsamkeit bis hin zu dramatisch getönten Höhepunkten des Gesangs bekamen ein geradezu spirituelles Klaviernachspiel, den Kreis nahtlos mit einem zarten Ausklang schließend.

Schumann hatte seine Lieder anders angelegt. Das liegt aber vor allem an den vertonten Dichtungen und an der direkt am Text angelehnten musikalischen Auslegung. Die Gedichte von Joseph von Eichendorff im Liederkreis op. 39 "Zwölf Gesänge" bedürfen in ihrer Vertonung sorgsamster Umsetzung, die vor allem zum Ziel hat, das feinsinnige Changieren im Ausdruck zur Geltung zu bringen, ohne allzu expressiv aufzutreten. Dennoch hätte man sich hier etwas mehr Hingabe gewünscht, zugunsten von Nachdruck in der emotionalen Ausprägung. Die Schumann-Lieder rückten mit Laabs Zurückhaltung näher an Straussens symphonische Denkweise à la "Freundliche Vision" op. 48/1 oder "Die Nacht" op. 10/3 in legendenhafter Erzählweise. "Allerseelen" op. 10/8 tat mit seiner bewegten Leidenschaft und nahezu hymnischer Größe dem Abend gut und sollte die Gemüter nach lang anhaltendem Applaus auch in der Zugabe aufwühlen.

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