Gilching:"Kein Mensch darf ausgeschlossen werden"

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Landkreis präsentiert den Aktionsplan "Gemeinsam stärker", der konkrete Behindertenfragen in den Fokus rückt

Von Patrizia Steipe, Gilching

Zwei Jahre lang wurde in vier Workshops, vielen Sitzungen,Umfragen sowie in 18 Arbeitsgruppen am "Aktionsplan für Menschen mit Behinderungen 'Gemeinsam stärker'" gearbeitet. "Das Ganze wurde nicht vom Schreibtisch aus entwickelt, sondern die Betroffenen waren beteiligt", erklärte Landratsamtsvertreter Friedrich Büttner. Jetzt ist die Broschüre mit Handlungsanweisungen und Zielen fertig: Das 282 Seiten starke Werk teilte Büttner im Rahmen einer Infoveranstaltung im Gilchinger Rathaus aus. Insgesamt 100 Maßnahmen und Handlungsempfehlungen haben die rund 130 Beteiligten erarbeitet. "Sie sollen dazu beitragen, das Ziel einer inklusiven Gesellschaft im Landkreis zu verwirklichen", sagte Büttner. "Kein Mensch darf ausgeschlossen oder ausgegrenzt werden", stimmte die Behindertenbeauftragte des Landkreises, Petra Seidl, zu.

Begonnen hatte das Ganze mit einem Antrag, einen solchen Aktionsplan zu erarbeiten, den Kreisrat Peter Unger 2015 gestellt hatte und den das Gremium aufgegriffen hatte. Um den Aktionsplan zu verwirklichen, wurde Doris Meszaros als Koordinatorin im Landratsamt eingestellt. Eine weitere Kraft soll dazu kommen, um bei der Umsetzung des Plans zu unterstützen.

Grundlage der Broschüre sei die UN-Behindertenrechtskonvention mit ihrem "Auftrag an Gesellschaft und Politik, Barrieren abzubauen", erklärte Seidl. Wie so etwas in der Praxis aussehen könnte, konnten die Besucher am Beispiel der Veranstaltung erleben: Egal, ob gehbehindert, blind, gehörlos oder anders eingeschränkt - alle konnten problemlos teilnehmen. Das Gilchinger Rathaus ist barrierefrei und es gibt eine Induktionsschleife für Menschen, die schlecht hören können. An diesem Abend hatte Anna Krott, stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Behindertenfragen, sogar eine Gebärdensprachdolmetscherin verpflichtet.

Insgesamt gibt es sieben Themenbereiche der Inklusion im Aktionsplan, auf die sich die Beteiligten geeinigt haben: Wohnen, Arbeit, Mobilität und Barrierefreiheit, Freizeit, Kultur und Sport, Politische Teilhabe und Information, Frühkindliche Bildung und Schule. Neben der Ist- und Soll-Situation gibt es in der Broschüre Handlungsziele für die nächsten fünf Jahre sowie Vorschläge für konkrete Maßnahmen. Das wären leicht zu verwirklichende - wie beispielsweise eine "Checkliste für Veranstalter", die damit ihre Events inklusiv machen können bis zu schwieriger zu realisierenden Projekten wie Mehrgenerationenhäuser, die barrierefrei und noch dazu bezahlbar sein sollen. "Das umzusetzen ist jetzt Aufgabe der Kommune und der Gemeinde. Aber auch jeder Einzelne kann etwas dazu beitragen", sagte Büttner.

Wie wichtig der Aktionsplan ist, verdeutlichte die Diskussion. Klaus Angerbauer, Gemeinderat aus Weßling, berichtete von Menschen, die wegen ihrer Behinderungen das Haus nicht mehr verlassen "und total isoliert sind". Er regte an, dass sich die Gemeinden - ähnlich wie beim Klimapakt - verpflichten, die Maßnahmen im Katalog umzusetzen. "Es gibt einige Punkte, die kosten wenig - die könnte man sofort machen", erklärte er. Das Gesamtziel erreiche man aber nicht zum "Nulltarif", so Unger. Vor allem an Schulen müsste kräftig investiert werden, um Inklusion zu erreichen, betonte eine Mutter. Hier stehe "Sparen" immer noch vor "Inklusion". Es werde sich nur etwas ändern, wenn die Eltern kräftig Druck machen, riet Seidl.

Damit der Aktionsplan nicht zum Papiertiger wird, soll einmal jährlich im Kreistag über erreichte Ziele berichtet werden. Wichtig sei zunächst, dass das Papier mit seinen Vorgaben von den Entscheidungsträgern gelesen wird.

© SZ vom 12.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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