Humus dürfte so etwas wie das Wunderwerkzeug für jeden sein, der Pflanzen großziehen will. Ob im Garten, auf dem Balkon – oder so, wie Georg Zankl es macht: auf dem Acker. Zankl, 46 Jahre alt, ist Landwirt in Gilching und führt einen Betrieb, der nach ökologischen Standards produziert. Er pflanzt in Bioqualität Weizen an, Soja, Mais und viele andere Nutzpflanzen. Humus, sagt er, sei ein bisschen „wie ein vergessenes Konto bei der Sparkasse“. Darauf könne man bauen, auch in Zeiten, in denen die Pflanzen es schwer haben. Etwa, wenn es lange nicht geregnet hat. Oder im Sommer, wenn die Sonne brennt.
Zankl ist sich sicher: Humus ist von großer Bedeutung. Darunter versteht man das organische Material, das sich in den obersten Bodenschichten findet und große Teile dessen bildet, was gemeinhin einfach Erde genannt wird. Es ist das, was übrig bleibt, wenn pflanzliche, aber auch tierische und mikrobielle Überreste erfolgreich zersetzt wurden und in den Boden übergehen. Aus Sicht von Menschen, die sich dem Ackerbau oder der Gärtnerei widmen, haben diese natürlichen Prozesse viele Vorteile. Humus gilt als wertvolle Ressource.
Zankl ist einer von deutschlandweit 150 Landwirten, die im „Humus-Club“ am Projekt „Humus-Klima-Netz“ teilnehmen – Zankl ist dabei der einzige aus dem Landkreis Starnberg. Als Mitglied dieses vergleichsweise exklusiven Klubs stellt er fünf seiner Anbauflächen für das Modellprojekt zur Verfügung. Das Projekt wird vom Verein „Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft“ (BÖLW) und dem Deutschen Bauernverband (DBV) verantwortet, wissenschaftlich begleitet vom Thünen-Institut und gefördert vom Bundeslandwirtschaftsministerium.
Ziel des Klimanetzes ist, dass die Projektbeteiligten gezielt Humus aufbauen und erhalten. Die Forschung stellt neuestes Wissen zur Verfügung, wie das am besten gelingt. Für jeden der 150 Betriebe, von denen die eine Hälfte konventionell und die andere ökologisch wirtschaftet, soll zudem ermittelt werden, ob und wie sich der Humusaufbau auf die Betriebspraxis und – deswegen auch der Name – die Klimabilanz eines landwirtschaftlichen Betriebs auswirkt.
Das Projekt ist schon seit Jahren in Vorbereitung. Georg Zankl bekam vor etwa zweieinhalb Jahren Wind davon, als das Klimanetz landwirtschaftliche Betriebe mit Interesse an einer Teilnahme suchte. Das war bei Zankl vorhanden: Er hatte gerade erst von konventioneller auf ökologische Landwirtschaft umgestellt. „Ich war damals sofort wie elektrisiert“, sagt Zankl.
Richtig losgegangen, sagt der Landwirt, sei das Projekt allerdings erst in diesem Frühjahr. „Da wurden erst einmal Bodenproben gezogen, wurde gemessen, wie der Zustand der Böden ist, wie diese aufgebaut sind und wie viel Humus enthalten ist.“ Zudem hat Zankl mit den begleitenden Wissenschaftlern eine Fruchtfolge für seine Flächen festgelegt, also bestimmt, welche Pflanze wann auf welchem Acker wächst, um den Humusaufbau zu beeinflussen.
Zankl ist Landwirt, seitdem er denken kann. Der 46-Jährige spricht in einem weichen Bairisch und kann viel erzählen über die Landwirtschaft, wie man den Boden schont, wie man Humus aufbaut. Und auch, wie man ohne „Spritze“, also ohne künstliche Pestizide, Schädlinge wie Unkraut fernhält – das sei bei ihm eigentlich immer Thema gewesen. Eine erste „Bekanntschaft“ damit, so nennt er das, kam schon in seiner Lehre zustande, die er 1998 abschloss.
Humus soll Landwirten helfen, den Ackerbau klimaresistenter zu machen
Dass die Landwirtschaft allerdings auch wirtschaftlichen Zwängen folgt, Landwirte sich wiederum mit einem steten Wandel konfrontiert sehen – auch das weiß Zankl. Er selbst sei vor einigen Jahren aus der Schweinemast ausgestiegen, sagt er. Es habe sich nicht mehr rentiert. Soja hingegen, auch Bio-Soja, sei eigentlich immer gefragt. Zum menschlichen Verzehr, aber auch und vor allem für die Viehzucht. Und wer viel pflanzt, der verlässt sich auch auf Humus.
Humus ist sehr nährstoffreich, Pflanzen wachsen auf ihm meist weitaus besser. Hinzu kommt, dass humusreicher Boden Wasser besser speichert als einer, der eher sandig ist oder – wie bei Zankl – vorwiegend aus Kies besteht. Mit Humus überstehen Pflanzen Trockenperioden besser. Damit nicht genug: Humus gilt auch als CO₂-Senker, speichert also das klimaschädliche Treibhausgas, das massiv zur Erderwärmung beiträgt. Die beteiligten Forscherinnen und Forscher hoffen, über Humus einen Weg in eine weniger CO₂-intensive Landwirtschaft zu finden oder zumindest einen Teil dazu beitragen zu können.
Ganz konkret hat Zankl auch schon etwas aus dem Projekt mitgenommen: Anstatt wie früher für den Aufbau und Erhalt von Humus in erster Linie auf Pflanzen zu setzen, die oberhalb der Erdoberfläche wuchern, setzt er nun unter anderem auf Kleegras. Denn, so sagt Zankl: „Jetzt wird auf die Wurzelmasse geschaut. Und Kleegras hat sehr viel davon.“ Abgestorbene Wurzelmasse wiederum erhöhe und erhalte den Humusgehalt im Boden besser als andere Teile der Pflanze.
Dieser Wissenstransfer und der Versuch, gemeinsam mit den Betrieben Lösungen zu finden, genau das sei eines der Kernanliegen des ganzen Projekts, sagt Aurelia Moniak, beim Bauernverband als Presse- und Öffentlichkeitsreferentin zuständig für das „Humus-Klima-Netz“. Das Projekt hat eine Laufzeit bis 2027, sechs Jahre insgesamt. Derzeit wird daran gearbeitet, die Laufzeit um vier weitere Jahre zu verlängern.
Die CO₂-Speicherung, der Hintergrund zum Projekt, sei natürlich eine Klimaschutzleistung. Auch wenn klar sei: „Das wird nicht der große Wurf sein“, sagt die Referentin. Trotzdem sei es wichtig, sich im Hinblick auf Klimaschutz eben alles anzuschauen – und dort anzusetzen, wo es funktioniere. Gleichwohl stehe schon jetzt fest: „Mehr Humus im Boden stellt Landwirte klimaresistenter auf“, sagt Moniak.
Die Gemeinschaft empfinden die Landwirte als Bereicherung
Ein weiteres – vielleicht letztes – Detail ist ebenfalls nicht außer Acht zu lassen: Die Verantwortlichen der teilnehmenden Betriebe kommen je nach Region alle vier Monate zusammen, um sich über ihre Projekterfahrungen auszutauschen. Das ist so gewollt, sagt Moniak. Mehr noch: „Wir merken, dass der Austausch für die Landwirte einer der wichtigsten Aspekte des ganzen Projekts ist.“ Denn Landwirte stünden oft allein auf dem Feld, ein gegenseitiger Informationsaustausch sei schon etwas Besonderes. Georg Zankl aus Gilching sagt: „Das ist eine Bereicherung.“
Beim letzten Treffen der projektbeteiligten Bauern war auch Zankls Sohn dabei, sagt der Vater. Da gebe es immer was zu schauen, neueste Technik, neueste Maschinen. Dinge eben, die Landwirte begeistern, was Menschen, die nicht in der Landwirtschaft sind, vermutlich nur schwer nachvollziehen können. Sein Sohn jedenfalls, sagt Zankl, sei angesichts des „Ferraris“ unter den Striegeln – eine Landmaschine zur Bodenlockerung und Unkrautbekämpfung – ganz aus dem Häuschen gewesen. Und klar: eigentlich gehe es um Humus und um Gemeinschaft. Aber sicher geht es auch um den Spaß an der Sache.